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Holzkirchen: Kuhglockenstreit geht weiter: Gericht reist zu Hörprobe an

Holzkirchen

Kuhglockenstreit geht weiter: Gericht reist zu Hörprobe an

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    Eine Kuhglocke wird zum langwierigen Justizfall in Holzkirchen.
    Eine Kuhglocke wird zum langwierigen Justizfall in Holzkirchen. Foto: Matthias Balk, dpa

    Sabine, Sandra, Melissa, Annika und Sabrina stehen auf der sattgrünen Weide und grasen. Friedlich wirkt das. Doch der Schein trügt. Die fünf Kühe im oberbayerischen Holzkirchen bekommen am Dienstag (26.5.) Besuch von der Justiz. Die Richter des Oberlandesgerichts (OLG) aus München reisen an zur Hörprobe. Es geht um das Geläut der Kuhglocken. Ein Ehepaar, das neben der Weide wohnt, will auf gerichtlichem Weg ein Ende des Gebimmels erreichen.

    Seit fast fünf Jahren geht der Streit. Der Ehemann und später auch seine Ehefrau waren in getrennten Prozessen in erster Instanz vor dem Landgericht München II gescheitert. Der Mann verlor in der zweiten Instanz auch vor dem OLG. Der Bundesgerichtshof, an den sich der Anwalt des Paares, Peter Hartherz, danach gewandt hatte, sah keinen Anlass, sich mit der Klage zu befassen. Die Sache habe keine grundsätzliche Bedeutung, teilte das Gericht in Karlsruhe vor Weihnachten mit. Nun steht das Verfahren der Ehefrau in zweiter Instanz vor dem OLG an.

    Kuhglockenstreit von Holzkirchen: Bäuerin riet Anwohnern zu Ohropax

    Sie hatte für die erste Instanz genau Buch geführt und dem Landgericht im November 2018 aufgelistet: Vom 8. Juni bis 20. Juli weideten fünf Kühe mit vier Glocken, vom 21. September bis 22. Oktober waren es acht Kühe mit sechs Glocken. Anfangs habe man die Landwirtin "ganz freundlich", "ganz in Ruhe" und "ganz höflich" gebeten, "ob sie bitte die Glocken abnehmen" könne, sagte die Frau damals. Die Bäuerin habe zu Ohropax geraten. 

    Bäuerin Regina Killer wiederum hat mit dem Streit inzwischen eine gewisse Berühmtheit erreicht. "Es langt jetzt schon langsam", sagt sie. In Corona-Zeiten hat sie genug anderes zu tun, etwa ihre Milch weiterzubringen, etwa über ihre Milchtankstelle. 

    Klagen treiben einen Keil zwischen Alteingesessene und Neubürger

    Extra für den Gerichtstermin hat Killer die umstrittene Wiese nicht gemäht, damit die Kühe, alle trächtig, etwas zu grasen haben, wenn das hohe Gericht erscheint. Normalerweise macht sie im Frühjahr einen ersten Schnitt und lässt die Kühe erst danach auf die Weide. Dann weiden die beglockten Tiere mit gut 20 Metern Abstand vom Nachbarn. Das nämlich sieht ein vom Ehemann 2015 mit der Bäuerin geschlossener Vergleich vor, an den sich Killer seitdem hält. Den Eheleuten war es aber weiter zu laut - sie klagten. Der weiter gültige Vergleich war einer der Gründe für das Scheitern der Eheleute vor den Gerichten. 

    Es gehe um mehr als nur um Lärm, hieß es gelegentlich. Klagen gegen Kirchenglocken oder das Krähen von Hähnen trieben einen Keil zwischen Alteingesessene und Neubürger. Anwalt Hartherz weist jedoch strikt zurück, dass es sich bei den Eheleuten um "Zugezogene" handele. "Beide sind im Landkreis aufgewachsen und kennen das Landleben." Sie stammten aus dem Landkreis Miesbach und hätten sich schließlich das "sehr schöne Haus mit sehr schönem Grundstück" gekauft. Sie seien weder Städter noch Norddeutsche, und bevor die Gemeinde der Bäuerin die Weide für ihre Kühe zuwies, habe es nie ein Problem gegeben. 

    Laute Kuhglocken: Kläger argumentierten auch mit Tierschutz

    Seitdem aber verbrachten die beiden viele schlaflose Nächte, wie Hartherz mehrfach vor Gericht vorbrachte. Messungen am Schlafzimmerfenster des Paares hätten eine Lautstärke von mehr als 70 Dezibel ergeben. Zum Beweis spielte Hartherz Anfang 2019 in der Verhandlung des Mannes vor dem OLG Aufnahmen des Gebimmels ab. Das Gericht kam dennoch zu dem Schluss, die Lärmangaben seien teils zu pauschal. Schon damals hatte der Vorsitzende Richter eine Hör- und vielleicht sogar Schlafprobe erwogen, dann aber darauf verzichtet. Dabei habe sein Mandant gehofft, "dass das Gericht sich mal selbst ein Bild macht von den unhaltbaren Zuständen", sagte Hartherz damals.

     Dazu zählen nach Ansicht des Ehepaares nicht nur die Kühe mit ihren Glocken, sondern unangenehme Gerüche und lästige Insekten, die mit den Kühen einhergehen. Einmal ging es auch um das aus Sicht des Paares nicht vorschriftsmäßige Ausbringen von Gülle. Hartherz hat eine Vielzahl von Anträgen gestellt, etwa solle die Weidehaltung unterlassen werden. Und wenn Kühe schon auf die Weide müssten, dann ohne Glocken. Das Geläute quäle auch die Kuh. "Aus Tierschutzgründen wäre es auch besser, auf die Glocken zu verzichten", sagt Hartherz. 

    Im Landgerichtsprozess der Ehefrau diskutierten Richterin, Bäuerin und Anwalt auch, ob GPS-Sender als Ersatz infrage kommen könnten. Schließlich ließ man das Thema wieder fallen. Mit ihrem Vorschlag zu einem Termin vor dem Güterichter kam die Richterin auch nicht durch.

    Mit Spannung wird erwartet, wie die Richter entscheiden, wenn sie selbst den Glocken gelauscht haben. Davon dürfte abhängen, ob Sabine, Sandra, Melissa, Annika, Sabrina und ihr Nachwuchs auch weiter Glocken tragen. Sofern nicht erneut der Bundesgerichtshof bemüht wird und sich des Falles doch noch annimmt. Der Ochse "Ochsi", der früher mit den Kühen auf dem umstrittenen Fleckchen weidete, erlebt das Ende des Streits allerdings nicht mehr: Er wurde im Herbst geschlachtet. (dpa)

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