Dort, wo Holger Grießhammer herkommt, ist die Welt für die SPD noch in Ordnung. In Weißenstadt im Fichtelgebirge stellten die Genossen schon öfter den Bürgermeister, bei den letzten Gemeinderatswahlen landeten sie in dem 3000-Einwohner-Städtchen knapp hinter der CSU auf Platz zwei. Dort, wo Holger Grießhammer arbeitet, ist das anders. Nach dem historisch schlechten Abschneiden bei den Landtagswahlen ist die SPD zur kleinsten Fraktion in München geschrumpft. Grießhammer als ihr neuer Vorsitzender soll das ändern und den gut 20 Jahre währenden Abwärtstrend stoppen. Das haben vor ihm schon einige versucht. Vergeblich.
Sein Vorgänger Florian von Brunn musste gehen
Kurz vor der Sommerpause musste Grießhammers Vorgänger Florian von Brunn gehen. Zu groß war die Unzufriedenheit mit dem politischen Stil des Münchners. Ein Streit über ausbezahlte Überstunden für einen wichtigen Mitarbeiter, bei dem sich die Mehrheit gegen von Brunn stellte, sorgte schließlich für dessen Abgang. Nun soll es der Oberfranke Grießhammer richten – ein Neuling im Parlament, der zuvor als Malermeister mit eigenem Betrieb seine Brötchen verdiente. Sein Nahziel: Die SPD soll in Bayern wieder zehn bis 15 Prozent der Stimmen bekommen. „Das wäre ein erster Schritt“, sagt Grießhammer im Gespräch mit unserer Redaktion. Zum Fraktionschef war er einstimmig gewählt worden, was in der jüngeren Geschichte der bayerischen SPD keine Selbstverständlichkeit ist. Er hatte aber auch keinen Gegenkandidaten.
In dieser Woche muss sich erst einmal zeigen, ob der 42-Jährige der in früheren Tagen zerstrittenen SPD-Fraktion neuen Schwung verleihen kann. In seinen Augen ist das eine Frage des politischen Überlebens: „Wenn du bei 8,4 Prozent stehst, gibt es nur eines: Du musst marschieren.“
So schnitt die bayerische SPD bei den zurückliegenden Wahlen ab
8,4 Prozent, das war das Ergebnis der Bayern-SPD bei der Landtagswahl. Bei der Europawahl im Juni waren es 8,9 Prozent, und auch bei den Bundestagswahlen im kommenden Jahr könnte es für die Genossen ganz bitter werden. Unter diesen Vorzeichen versammelt sich die SPD zur Herbstklausur. Zuerst nur die Abgeordneten aus dem Landtag, dann kommen auch die bayerischen Kollegen aus dem Bundestag dazu. Die anderen Parteien nutzen ihre Klausuren zu Gastspielen außerhalb Münchens. Die CSU tagt traditionell in Kloster Banz, die Freien Wähler waren in Bad Griesbach, die Grünen gehen nach Würzburg und die AfD zieht es ins Oberbayerische. Die SPD bleibt im Landtag.
In der am Dienstag beginnenden Klausur werden sich die bayerischen Abgeordneten eine politische Agenda für die nächsten Monate geben. Die Themen sind Arbeitsmarkt, Wirtschaft, Migration, Bildung – und die Richtung ist für Grießhammer klar: Es muss in die politische Mitte gehen. „Wir müssen als SPD das Thema Wirtschaft in den Blick nehmen und das nicht nur aus der Sicht der Arbeitnehmer.“ Der bayerische SPD-Fraktionschef fordert, dass die Bundesregierung die von ihr gestrichene Förderung für E-Autos für einen begrenzten Zeitraum wieder aufnimmt: „Das ist zwingend notwendig.“
Der SPD-Chef fordert wieder ein Förderung für Elektro-Autos
Für das größte Problem der Wirtschaft hält Grießhammer jedoch den Mangel an Fachkräften. Die rasche Integration von Zuwanderern sei wichtig. „Wir sind auf diese Menschen angewiesen“, sagt er. Auf der anderen Seite sei die Innere Sicherheit ein Mega-Thema: „Wir müssen das rasch in den Griff bekommen.“ Dazu sei die Zusammenarbeit aller demokratischen Parteien nötig. Auch CDU und CSU hätten ihren Teil zum Aufstieg der AfD beigetragen, so Grießhammer. „Wir sind an einem Punkt angekommen, da muss sich jeder hinterfragen.“
Sein erstes Zusammentreffen mit Ministerpräsident Markus Söder (CSU) schildert er als freundlich. Söder habe ihn sozusagen von Franke zur Franke zur Wahl zum Fraktionschef gratuliert – „und dann hat er noch gesagt, es werde nicht leicht für mich.“
Der FC Bayern München und der SPD-Politiker
Grießhammer nimmt für sich in Anspruch, dass er sich schon öfter in seinem Leben durchgekämpft hat. Als Kind sei er in der Schule ein Spätzünder gewesen. Als Maler- und Lackierermeister machte er sich vor 13 Jahren selbstständig, mittlerweile hat der Betrieb mehr als ein Dutzend Mitarbeiter. Hinzu kommen eine große Familie mit fünf Kindern, eine Alpaka-Zucht und reichlich kommunalpolitische Ehrenämter. Der 42-Jährige, den als junger Mann die Sympathie für Gerhard Schröder zur SPD brachte, hat einst als Ortssprecher im Stadtrat angefangen und vor gut 20 Jahren für einen gewissen Olaf Scholz einen Auftritt in einer Turnhalle organisiert. Grießhammer ist in der Gewerkschaft, im Bauernverband und im Gewerbeverein, auch den Bayern-Fanclub Röslau verschweigt er nicht in seiner Vita. Im weichen fränkischen Dialekt seiner Heimat fasst er seinen Werdegang so zusammen: „Ich bin belastungserprobt.“ Er wird es brauchen.
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