Politische Wellen schlägt der Hochwasserschutz in der bayerischen Regierungskoalition. Die CSU zeigt sich irritiert vom Auftritt des Freie-Wähler-Chefs Hubert Aiwanger Ende vergangener Woche in Nordendorf (wir berichteten). Dort hatte der Wirtschaftsminister und Vize-Ministerpräsident mehr Geld für den dezentralen Hochwasserschutz gefordert. Statt 20 Millionen Euro seien 50 Millionen im Jahr nötig. Mit den Regierungspartnern von der CSU war dieser Vorschlag offenbar nicht abgestimmt. Erst tags zuvor hatten die beiden Fraktionen im Landtag den neuen Doppelhaushalt verabschiedet, in dem nur 20 Millionen Euro für den kommunalen Hochwasserschutz verankert sind.
Umweltminister Glauber geht von einem dreistelligen Millionenbetrag für Hochwasserschutz aus
Inzwischen zeichnet sich überdeutlich ab, dass das zu wenig sein dürfte. Denn das jüngste Hochwasser hat gezeigt, dass so manches Schadensszenario überarbeitet werden muss. Überdies müssen Dämme und Deiche, die in Mitleidenschaft gezogen worden sind, repariert werden. Wie hoch die Schäden an diesen Anlagen sind, lässt sich erst abschätzen, wenn das Hochwasser abgeflossen ist. Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) geht aber insgesamt von einem dreistelligen Millionenbetrag aus, der für den Hochwasserschutz in Bayern fällig wird. Dazu zählen Schutzanlagen in den Kommunen, große staatliche Projekte wie die Polder an der Donau und eben die Reparaturen. Die von Aiwanger genannten 30 Millionen mehr für den kommunalen Bereich wären demnach nur Kleinvieh.
Aktuell werden in Bayern rund 280 Millionen Euro jährlich in den Hochwasserschutz investiert. Glauber sagt, diese Mittel seien in den zurückliegenden Jahren deutlich erhöht worden, aber nicht ausreichend. "Die aktuelle Katastrophe zeigt: Die Folgen des Klimawandels werden immer gravierender. Darauf müssen wir die Anpassungsmaßnahmen immer wieder neu ausrichten. Wir werden innerhalb der Staatsregierung auch über konkrete finanzielle Konsequenzen aus der Flut diskutieren." Bevor der für den Hochwasserschutz zuständige Minister Zahlen nennt, will er die Schadensbilanz abwarten. Das sagte Glauber auf Anfrage unserer Redaktion.
CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek hält Aiwangers Vorgehen für überstürzt
Verwundert über Aiwangers Vorstoß zeigte sich CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek. Man müsse zuerst ein Konzept haben, bevor man Ausgaben beschließe. Er hält Aiwangers Vorgehen für überstürzt. In der Sache könne man durchaus über den Vorschlag diskutieren, mehr für den kommunalen Hochwasserschutz zu tun, so Holetschek gegenüber unserer Redaktion. Aber bei einem "derart sensiblen Thema" müsse man überlegt vorgehen und zuerst die Situation "sachlich bewerten und dann die Prioritäten festsetzen. Von einem Überbietungswettbewerb halte ich nichts".
Der schien Mitte vergangener Woche zwischen Aiwanger und Ministerpräsident Söder ausgebrochen. Nachdem der CSU-Politiker die Soforthilfen des Freistaats (100 Millionen plus x) vorgestellt hatte, meldete sich tags darauf sein Stellvertreter von den Freien Wählern zu Wort und sprach von 300 Millionen Euro, die benötigt würden. Söder wiederum bezeichnete das als Spekulationen, mit denen niemandem geholfen sei, und wies Aiwanger indirekt zurecht, indem er betonte, dass Umweltminister Glauber die Kompetenzstelle der Staatsregierung für Hochwasser sei. Was Aiwanger nicht anficht – denn in Nordendorf legte er mit seiner 50-Millionen-Forderung noch einmal nach.
Unabhängig von diesen Fingerhakeleien zwischen den zwei Koalitionspartnern, die gleichzeitig Konkurrenten sind, scheinen Aiwanger und Söder in der Sache der gleichen Auffassung zu sein: Bayern muss für den Hochwasserschutz in den Dörfern mehr tun.