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Haus Wittelsbach: Wie erst die Fotografie Sisi und Ludwig berühmt gemacht hat

Haus Wittelsbach

Wie erst die Fotografie Sisi und Ludwig berühmt gemacht hat

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    Sisi und Ludwig II. sind die beiden wohl bekanntesten Gesichter des Hauses Wittelsbach.
    Sisi und Ludwig II. sind die beiden wohl bekanntesten Gesichter des Hauses Wittelsbach. Foto: dpa

    Man kann heute wohl mit Recht behaupten: Das Foto als solches hat an Wert verloren, und doch haben sich die Menschen noch nie umfangreicher auf Bildern dargestellt als heute. Das Foto ist ein Massengut geworden. Immer und an jedem Ort der Welt gilt es im Zeitalter der Handyfotografie als Mode, sich in sozialen Netzwerken in Szene zu setzen. Krethi und Plethi machen das. Früher war diese Art der Selbstdarstellung Herrscherhäusern wie etwa den Wittelsbachern vorbehalten. 

    Wer kennt sie nicht, die bis heute gefeierten Multimediastars König Ludwig II. oder die Kaiserin Sisi von Österreich und ihre schicksalhaften Lebensdramen? Sie haben das Haus Wittelsbach berühmt gemacht. Gerade läuft auf RTL eine Serie über die in Bayern geborene Gemahlin des Kaisers Franz Joseph. Der aus Niederbayern stammende Autor Bernhard Graf indes sieht das Thema in einem anderen Licht. In einem opulenten Bildband schildert er die Geschichte der Fotografie im Umfeld der bayerischen Herrscherfamilie. Seine These: Ohne die Erfindung dieses Mediums und des Films wäre der enorme Bekanntheitsgrad der weltgeschichtlich im Grunde nicht wirklich bedeutenden Wittelsbacher heute undenkbar.

    Graf erzählt von den ersten Hoffotografen

    Graf geht unter anderem der Frage nach, wie die Mitglieder der bayerischen Herrscherfamilie mit den Massenmedien in Berührung kamen und was das für sie in der Konsequenz bedeutete. Er erzählt von den ersten Hoffotografen und von deren Vorgängern, den Hofmalern. Denn was heute jeder kann, war damals exklusiv dem Adel vorbehalten: Bilder von sich anfertigen zu lassen. Und von den Wittelsbachern ist bekannt, dass sie ihre Familienmitglieder zumindest in Form von Porträts auch in fernen Residenzstädten um sich haben wollten. Darum wurden von den Bildern auch fleißig Kopien gemalt.

    Das 17. und 18. Jahrhundert waren medial eine vergleichsweise ruhige Zeit, in denen die Repräsentanten der Königshäuser, anders als die heutigen Royals, nicht an jeder Ecke mit Blitzlichtgewittern rechnen mussten. Es gab damals auch keine übergriffigen, allgegenwärtigen Paparazzi, die den Damen und Herren des Hochadels auflauerten, um sie anschließend in der Regenbogenpresse oder den sozialen Medien zu vermarkten. 

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    Foto: dpa

    Das änderte sich im 19. Jahrhundert. Mit dem Aufkommen der Fotografie wurde auch das Leben des bayerischen Hochadels beeinflusst. Von Kaiserin Sisi ist überliefert, dass sie im Alter von 30 Jahren beschloss, sich nicht mehr ablichten zu lassen. Für ihre „Gaffer“ hatte die Herrscherin ziemlich giftige Worte bereit. In einem Vers schrieb sie: „Es tritt die Galle mir fast aus, / Wenn sie mich so fixieren; / Ich kröch’ gern in ein Schneckenhaus / Und könnt’ vor Wut krepieren.“ Ihr Verhältnis zur Fotografie war jedoch widersprüchlich. Denn Sisi selbst hat privat leidenschaftlich Fotografien gesammelt – von bekannten Zeitgenossen, gerne von Frauen. Auf den Bildern sind die Frauen oft verkleidet, tragen kurze Röcke und zeigen Bein. Manche haben sogar Hosen an. Das war damals richtig verwegen.

    Ludwig II. wollte sich seinen Untertanen präsentieren

    1864, als Ludwig II. den Thron bestieg, hatte die Fotografie bereits an Bedeutung für den jungen Monarchen gewonnen. Auch er wollte sich der Welt und seinen Untertanen präsentieren. Neben den traditionellen Gemälden stand dafür auch die Porträtfotografie zur Verfügung. Joseph Albert hieß sein Hoffotograf. Die zahlreichen Aufnahmen des Königs aus der zweiten Hälfte der 1860er Jahre spiegeln sein damaliges Leben wider. Dass der König in den späten Regierungsjahren dann keine Porträts mehr von sich anfertigen ließ, wird in Zusammenhang mit seinem grundsätzlichen Rückzug aus der Öffentlichkeit gebracht. Die Fotos vom umstrittenen König begannen jedoch immer stärker zu wirken. Schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde Ludwig II. zum Werbeträger für ganz unterschiedliche Produkte. Von Kaffee, Bier und anderen Genussmitteln über Luxuswohnungen bis zur trendigen Mode: Die schillernde Figur Ludwigs eignet sich bis heute für unterschiedlichste Projektionen und ist längst zu einer Art Symbolfigur Bayerns geworden.

    Graf geht übrigens nicht nur einzelnen Mitgliedern der Familie und ihrem Verhältnis zum Bild nach. Er zieht einen Spannungsbogen zwischen der europäischen und bayerischen Entwicklungsgeschichte von Fotografie und Film, der Ablehnung und Begeisterung der neuen Technik und dem Aufstieg und Erfolg damals bekannter konkurrierender, heute weitgehend in Vergessenheit geratener Hoffotografen wie Franz Seraph Hanfstaengl oder eben Joseph Arnold, welche die Wittelsbacher in Szene setzten.

    In diesem Zusammenklang präsentiert der Bildband eine Vielzahl bislang unveröffentlichter Fotografien und aufregende, zum Teil tragische Einzelschicksale aus den beiden Familienzweigen der bayerischen Herrscherdynastie. Kurz gesagt: Es ist ein Buch nicht für den Massenmarkt, sondern für Spezialisten, das interessierte Leserinnen und Leser tief eintauchen lässt in das Thema „Wittelsbacher und Fotografie“.

    „Das Haus Wittelsbach und die Fotografie“, Allitera Verlag, 224 Seiten, 35 Euro, ISBN 978-3-96233-327-0

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