Wer im Netz Hass und Hetze verbreitet, kann sich nicht sicher sein, dass er unentdeckt bleibt. Knapp zwei Drittel der angezeigten Fälle konnten vergangenes Jahr aufgeklärt werden. Und den Tätern drohen schon beim ersten Mal empfindliche Strafen. Das sagten Innenminister Joachim Herrmann und Justizminister Georg Eisenreich (beide CSU) am Montag in München.
Der hohe Fahndungsdruck allerdings hat, wie aus dem „Lagebild Hasskriminalität 2022“ des Innenministeriums hervorgeht, noch nicht zu einem spürbaren Rückgang der Fallzahlen geführt. Sie waren in den Jahren 2020 und 2021 auch wegen der Corona-Pandemie und dem Ärger über die damit verbundenen Grundrechtseingriffe stark angestiegen. Obwohl es damit im Berichtsjahr 2022 vorbei war, ging die Zahl der Straftaten kaum zurück. Und immer öfter bleibt es nicht bei bösen Worten. Die Gewaltkriminalität, die von Hass motiviert ist, hat vergangenes Jahr einen neuen Höchststand erreicht. "Die Stimmung ist insgesamt in unserem Land deutlich aufgeheizter und gereizter", sagte Innenminister Herrmann.
Die Täter bei Hasskriminalität sind zu 80 Prozent Männer
Von Hasskriminalität sprechen Polizei und Justiz immer dann, wenn Menschen wegen ihrer Nationalität, Hautfarbe, Religionszugehörigkeit, wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung Opfer von Straftaten werden. Seit 2019 liegt die Zahl der Delikte, die der Polizei bekannt wurden, bei über 1000 pro Jahr. Vergangenes Jahr wurden 1186 Fälle registriert. Das ist nur ganz knapp unter dem Höchststand, der für das Jahr 2021 mit 1225 Straftaten angegeben wird. In den allermeisten Fällen sind Hass und Hetze fremdenfeindlich oder antisemitisch motiviert. Ein relativ kleiner Anteil der Straftaten richtet sich gegen Lesben, Schwule und weitere queere Menschen. Einen zusätzlichen Nährboden biete der russische Angriffskrieg auf die Ukraine.
Bei den Täterinnen und Tätern handelt es sich nach Angaben des Innenministeriums zu 80 Prozent um Männer. 89 Prozent der Tatverdächtigen waren deutsche Staatsbürger. In 81 Prozent der Fälle war laut Herrmann eine "rechtsradikale Motivation" ausschlaggebend. Allerdings sei hier eine rückläufige Tendenz zu erkennen. 2019 lag der Anteil der Straftaten mit rechtsradikalem Hintergrund noch bei 90 Prozent.
Opfer von Hass und Hetze können sich an Meldestellen wenden
Justizminister Eisenreich sagte, das Lagebild zeige ein erschreckendes Ausmaß: "Hass und Hetze unterdrücken die Meinungsfreiheit und vergiften das politische Klima in unserem Land." Er sehe darin eine "echte Gefahr für die Demokratie". Der Staat müsse wehrhaft sein, hinschauen und durchgreifen, sagte Eisenreich und rief dazu auf, Hassreden auch im privaten Bereich nicht hinzunehmen: "Es ist wichtig, dass jeder Einzelne in der Gesellschaft Hass offen widerspricht – sei es am Stammtisch, am Gartenzaun oder im Internet."
Die Minister wiesen darauf hin, dass mehrere Online-Meldeverfahren eingerichtet wurden, damit Betroffene Vorfälle schneller zur Anzeige bringen können, zum Beispiel über die Internetadresse www.meldestelle-respect.de. Außerdem gebe es spezielle Angebote für Journalisten, queere Menschen und Politiker sowie für Betroffene antisemitischer Straftaten.
Katharina Schulze, Fraktionschefin der Grünen im Landtag, forderte die Minister auf, die Hürden für Anzeigen zu senken. "Hass im Netz erzeugt gewaltiges Leid", sagte Schulze. "Umso wichtiger ist es, dass solche Straftaten von jeder und jedem, sofort, mit einem Klick, angezeigt werden können – ebenso schnell, wie sie in die Tastatur getippt sind. Doch da lässt die Söder-Regierung die Betroffenen weiter im Regen stehen."