Herr Professor Spinner, Sie sind Oberarzt der Infektiologie am Klinikum der Technischen Universität München. Die Fälle der Hasenpest steigen in Bayern stark an, auch immer mehr Menschen erkranken. Wo sehen Sie hierfür die Gründe?
CHRISTOPH SPINNER: Ob wirklich eine Zunahme der Hasenpest vorliegt oder aufgrund der gesteigerten Aufmerksamkeit nur die Diagnosehäufigkeit ansteigt, lässt sich aus den vorliegenden Zahlen nicht ableiten. Bei der Hasenpest handelt es sich um eine Infektion durch das Bakterium Francisella tularensis (Tularämie), das nach den Regeln des Infektionsschutzgesetzes meldepflichtig ist und daher durch Ärztinnen und Ärzte und Labore bei klinischem Verdacht oder laborchemischem Nachweis bei der zuständigen Gesundheitsbehörde gemeldet werden muss. Dabei spiegelt die Diagnose und Meldehäufigkeit nicht zwingend die Erkrankungshäufigkeit wider. Im Gegenteil, man kann von einer relevanten Dunkelziffer, das heißt von nicht erkannten Infektionen, ausgehen.
Wie verläuft die Erkrankung und wie wird sie behandelt?
SPINNER: Die Erkrankung kann sehr variabel verlaufen. In der Regel kommt es nach wenigen Tagen bis zu zwei Wochen zu einem Krankheitsbild mit Fieber, grippeartigen Symptomen, Kopfschmerzen und Schüttelfrost. Manchmal treten Veränderungen entlang der Eintrittspforte der Haut und der regionalen Lymphknoten im Sinne von Schwellungen auf. Man kann sich allerdings auch durch die Mundschleimhaut, die Nasenschleimhaut oder die Lunge infizieren. Auch wenn tödliche Verläufe möglich sind, verläuft die Mehrheit der Erkrankungen zum Glück eher milder und ist in allen Fällen mit Antibiotika wirksam behandelbar.
Sind wirklich vor allem Jägerinnen und Jäger gefährdet oder noch andere Gruppen?
SPINNER: Die Tularämie gehört zu den Zoonosen, das heißt der Ursprung ist das Tierreich. Erkrankte Tiere scheiden die Bakterien im Speichel oder Urin und Kot aus und können diese so auf Menschen übertragen. Die Erkrankung kann nicht von Mensch zu Mensch weitergegeben werden. Daher sind in Deutschland vor allem Jägerinnen und Jäger sowie Waldarbeiterinnen und Waldarbeiter gefährdet.
Müssen wir damit rechnen, dass Zoonosen zunehmen?
SPINNER: Zoonosen haben schon immer eine wichtige Rolle in der Infektionsmedizin gespielt. Das Interesse an ihnen nimmt zu und auch wieder ab – aber aus der Sicht des Infektiologen sind sie immer gleichbedeutend.
Was raten Sie nun? Sollte man beispielsweise auf Wildgerichte verzichten?
SPINNER: Nein, die Tularämie ist keine Erkrankung, die eine Gefahr für die breite Bevölkerung ist. Jägerinnen und Jäger sowie Waldarbeiterinnen und Waldarbeiter sollten die Erkrankung aber kennen. Betroffen sind vermutlich vor allem Nagetiere wie Hasen und Kaninchen. Bei ihnen sind auch schwere Verläufe bekannt. Aber auch Hunde, Füchse und Wildschweine können befallen werden. Wer immungeschwächt ist, sollte in jedem Fall nur vollständig gegarte Wildgerichte verspeisen.
Wenn auch Hunde befallen sein können, besteht dann die Gefahr, dass sie die Krankheit auf Menschen übertragen?
SPINNER: Es sind auch Tularämie-Fälle bei Hunden beschrieben und theoretisch ist eine Übertragung auf Menschen möglich. Dies setzt eine Erkrankung des Haustieres voraus. Allerdings erkranken Hunde deutlich seltener, weil sich ihr Immunsystem besser wehren kann. Daher spielt eine Übertragung von Haustieren im Alltag keine relevante Rolle.
Zur Person: Prof. Dr. Christoph Spinner, 40, ist Internist und Infektiologe. Er arbeitet als Oberarzt am Klinikum der Technischen Universität München (TUM Klinikum).
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