Ein Blatt Papier, ein Bleistift und ein Stück Metall – mehr soll der verurteilte Doppelmörder Stephan Balliet nicht benötigt haben, um sich im Knast eine Art Pistole zu basteln und nacheinander zwei Bedienstete des Hochsicherheitsgefängnisses in Sachsen-Anhalt als Geiseln zu nehmen.
Nun wurde der 30 Jahre alte Attentäter von Halle, wo er aus seiner rassistischen und antisemitischen Gesinnung heraus zwei Menschen tötete, nach Bayern verlegt – in die Justizvollzugsanstalt Gablingen im Landkreis Augsburg.
Nach Geiselnahme: Attentäter von Halle sitzt nun bei Augsburg in Haft
Per Hubschrauber und in Begleitung von schwer bewaffneten Spezialkräften der Justiz und der Polizei wurde der gefährliche Rechtsextremist am Dienstagmorgen nach Augsburg geflogen. Wie das bayerische Justizministerium mitteilte, werde im Gegenzug ein Gefangener aus dem Freistaat künftig in Sachsen-Anhalt untergebracht.
Derartige Verlegungen gehörten demnach „zur vertrauensvollen länderübergreifenden Zusammenarbeit der Landesjustizverwaltungen“ und hätten „viele Vorteile für die Sicherheit“, da gerade Häftlinge mit Gewaltpotenzial weder die Räumlichkeiten und organisatorischen Abläufe noch die Mitgefangenen in ihrer neuen Justizvollzugsanstalt kennen würden, was Planungen für neue Straftaten erschwere.
In Gablingen sitzt Balliet nun in Bayerns modernstem Gefängnis, das laut Justizministerium „besonders für die Aufnahme hochgefährlicher Straftäter geeignet“ sei – ausgestattet „mit aktueller Sicherheitstechnik gegen Entweichungen“ und „besonders sicheren Hafträumen“. Vor rund sieben Jahren zogen die ersten Häftlinge in das neu gebaute Gefängnis im Augsburger Land.
So hoch gesichert ist Gablingen als "modernste Justizvollzugsanstalt in Bayern"
Um den Gebäudekomplex herum bildet eine fast einen Kilometer lange und sechs Meter hohe Mauer die letzte Barriere zwischen Gefängnis und Außenwelt. Die Gitter der neun Quadratmeter großen Zimmer bestehen aus Spezialstahl, der nur schwer zu durchtrennen ist. Selbst beim Beton gingen die Verantwortlichen auf Nummer sicher: In Steine für Mauern wurde Splitt eingegossen, um sie härter zu machen. Zur Sicherheitstechnik im Inneren zählen etwa über 200 Videokameras oder ein Herzschlagdetektor, der im Eingangsbereich des Gebäudes blinde Passagiere in Lastern oder Autos entdecken soll.
In dem Neubau für über 100 Millionen Euro ist Platz für über 600 Gefangene. . Zuletzt saß etwa Ex-Audi Chef Rupert Stadler in Untersuchungshaft in Gablingen. Ebenso der selbst ernannte Rotlichtkönig Prinz Marcus von Anhalt oder Ex-Wirecard-Chef Markus Braun. Und nun Stephan Balliet – der nicht erst seit der Geiselnahme vom Montag vergangene Woche als schwieriger und unkooperativer Gefangener gilt.
Attentäter von Halle hat schon mehrere Fluchtversuche unternommen
So hatte er etwa am Pfingstwochenende 2020 versucht, aus der Justizvollzugsanstalt Halle zu fliehen. Während eines Hofgangs war er über einen 3,40 Meter hohen Zaun geklettert und hatte fünf Minuten ohne Aufsicht nach Auswegen aus dem Gefängnis gesucht, bevor ihn Justizbedienstete wieder schnappten. Im Gefängnis in Burg soll er die Tür zu seiner Zelle einmal mit Papier verkeilt haben. Insidern zufolge bindet der Häftling viel Energie des Personals und sorgt damit durchaus auch dafür, dass sich gewohnte Abläufe für andere Gefangene nicht immer einhalten lassen.
Balliet war im Dezember 2020 zu lebenslanger Haft und anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden. Er hatte am 9. Oktober 2019, am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur, versucht, die Synagoge von Halle zu stürmen und ein Massaker anzurichten. Als es ihm nicht gelang, ermordete er nahe der Synagoge zwei Menschen und verletzte weitere.
Nach geplantem Massaker in Halle: Stephan Balliet zu lebenslanger Haft verurteilt
Wie lange der Attentäter in Gablingen untergebracht sein wird, ist unklar. Das bayerische Justizministerium schrieb in seiner Mitteilung von einer „vorübergehenden Verlegung“. In Bayern gilt die JVA Straubing als der Hochsicherheitsknast für Schwerverbrecher. Dorthin kommen laut Vollzugsplan nur Verbrecher mit einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren an aufwärts.
Unter anderem saß der Augsburger Polizistendoppelmörder Rudolf Rebarczyk in Straubing ein. Moshammer-Mörder Herisch A. befindet sich seit 18 Jahren dort. Auch Oetker-Entführer Dieter Zlof verbüßte einen Teil seiner Haftstrafe im Straubinger Gefängnis. (mit hogs, dpa)
Unsere Video-Serie "Im Knast – Hinter den Mauern der JVA Gablingen" führt exklusiv hinter die Kulissen von Bayerns modernstem Gefängnis. Die dreiteilige Gefängnis-Doku sehen Sie kostenlos auf YouTube – oder hier auf unserer Internetseite: