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Häusliche Gewalt: Diese Statistiken zu häuslicher Gewalt sollten Sie kennen

Häusliche Gewalt

Diese Statistiken zu häuslicher Gewalt sollten Sie kennen

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    Jede dritte Frau wird mindestens einmal in ihrem Leben Opfer häuslicher Gewalt.
    Jede dritte Frau wird mindestens einmal in ihrem Leben Opfer häuslicher Gewalt. Foto: Maurizio Gambarini, dpa, AZ-Infografik (Symbol)

    Vielleicht kennen Sie die Situation aus der Uni: In manchen Studiengängen raten die Professoren während der Einführungsphase einmal nach links und rechts zum jeweiligen Sitznachbarn zu schauen, gefolgt von der Aussage "Nur einer von Ihnen wird das Studium zu Ende bringen."

    Sofern Sie gerade nicht allein im Raum sind, schauen Sie sich doch einmal um: Sehen Sie drei Frauen? Wenn ja, dann ist rein statistisch gesehen die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass eine von ihnen mindestens einmal in ihrem Leben körperliche oder sexualisierte Gewalt erlebt.

    Ex-

    Partnergewalt

    Das Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend schreibt ergänzend: "Etwa jede vierte Frau wird mindestens einmal (in ihrem Leben, Anm. d. Red) Opfer körperlicher oder sexueller Gewalt durch ihren aktuellen oder früheren Partner. Betroffen sind Frauen aller sozialen Schichten."

    Dass die Anzahl der Fälle häuslicher Gewalt steigt, muss nicht zwingend bedeuten, dass die Gewalt wirklich zunimmt. In der polizeilichen Kriminalstatistik zu Partnerschaftsgewalt (PKS), in der die deutschlandweiten Straftaten ausgewertet werden, heißt es: "Die PKS bildet ausschließlich das polizeiliche Hellfeld ab und wird somit stark vom Anzeigeverhalten der Bevölkerung beeinflusst."

    Zahl der Fälle häuslicher Gewalt in der Region steigt

    Darauf weist auch Sabine Rochel, Kriminalhauptkommissarin beim Polizeipräsidium Schwaben Nord hin. Das Präsidium registriert im polizeilichen Erfassungssystem die Fälle häuslicher Gewalt in der Region. Im Laufe der vergangenen Jahre ist dabei eine Steigerung erkennbar. Dies bedeutet aber nicht zwingend, dass die Gewalt steigt - "sondern die Anzeigenbereitschaft der Opfer zunimmt", wie Rochel erklärt.

    Der Frauenanteil unter den Opfern häuslicher Gewalt lag in Nordschwaben in der Vergangenheit konstant bei knapp 80 Prozent. Die Zahlen für das Jahr 2020 werden aktuell noch ausgewertet und können daher noch nicht veröffentlicht werden. Der häufigste Straftatbestand war vorsätzliche Körperverletzung, gefolgt von Bedrohung und gefährlicher Körperverletzung. In der Statistik zu häuslicher Gewalt erfasst das Polizeipräsidium Schwaben Nord Gewalttaten durch Partner und Ex-Partner, nicht aber Gewalttaten gegen Kinder. Es wird aber festgehalten, in wie vielen Fällen häuslicher Gewalt Kinder anwesend waren: Diese Zahl lag in den vergangenen Jahren stets bei etwa 35 Prozent - also bei rund jedem dritten Fall.

    Ein ähnliches Bild zeigt sich im Süden der Region: Hier waren in knapp 40 Prozent der der Polizei bekannten Fälle häuslicher Gewalt Kinder anwesend, erklärt Petra Tebel, die Beauftragte der Polizei für Kriminalitätsopfer (BPfK) beim Polizeipräsidium Schwaben Süd/West ist und zuständig für die Opferberatung im Bereich häusliche Gewalt und Sexualdelikte.

    Die aktuellen Zahlen für das Jahr 2020 sind beim Polizeipräsidium Schwaben Süd/West ebenfalls noch in der Auswertung. Auch hier war im Verlauf der letzten Jahre eine Steigerung zu erkennen, die sich auch 2020 fortsetzt und etwa 0,4 Prozent beträgt, wie Tebel vorab verraten kann. Sie betont aber, dass die Zahlen im Allgemeinen sehr dynamisch und schwankend seien, "da bei dem Entschluss der Anzeigenerstattung oft lange Tatzeiträume angegeben werden, die die Statistik im Nachhinein noch verändern".

    Mit einer nachträglichen Veränderung der Statistik ist auch durch die Corona-Pandemie zu rechnen: "Während der Lockdownzeiten haben wir stets niedrige Aufnahmezahlen verzeichnet, im Nachhinein wurde aber 'nachgemeldet'", erklärt Tebel. "Letztlich haben wir keine sehr deutliche Steigerung der häuslichen Gewalt in den Lockdownzeiten in 2020. Ein endgültiges Bild wird sich hier voraussichtlich erst in mehreren Monaten zeigen. Eine konkrete Auswertung ist also schlichtweg noch nicht möglich."

    Tebel verweist zudem auf eine Studie aus Mecklenburg-Vorpommern aus dem Jahr 2017, die besagt, dass die Dunkelziffer - also nicht angezeigte Taten - bei häuslicher Gewalt bei 98,4 Prozent liegt.

    "Häusliche Gewalt findet in jeder Altersklasse statt"

    Sie betont: "Insgesamt kann man sagen, dass häusliche Gewalt in jeder Altersklasse und schichtenübergreifend stattfindet" - also unabhängig von Alter, Bildung, sozialer Stellung, Nationalität oder Religion.

    Der Anteil der männlichen Opfer liegt auch in Südschwaben bei circa 20 Prozent. Tebel sieht den Grund darin, dass Männer einerseits größere Scham empfänden, Anzeige zu erstatten, und zeitgleich die Angst vor schwerwiegenden Verletzungen niedriger sei.

    Auch im deutschlandweiten Überblick überwiegt der Frauenanteil unter den Betroffenen deutlich. Im Jahr wurden 2019 insgesamt 141.792 Menschen Opfer von Partnerschaftsgewalt. Knapp 115.000 Opfer waren weiblich, was einem prozentualen Anteil von 81 Prozent entspricht.

    Die häufigsten Delikte waren deutschlandweit vorsätzliche einfache Körperverletzung (69.012 Fälle), Bedrohung (28.906 Fälle) sowie gefährliche Körperverletzung (11.991 Fälle).

    In Deutschland gibt es nicht genügend Frauenhausplätze

    Hilfe finden Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt geworden sind, unter anderem in Frauenhäusern. Dort können sie Beratung sowie vorübergehend eine geschützte Unterkunft finden. In der sogenannten Istanbul-Konvention, ein Vertrag des Europarats, der regelt, wie Frauen vor Gewalt geschützt werden sollen, ist folgendes festgehalten: Auf 10.000 Einwohner sollte ein Platz in einem Frauenhaus kommen. Deutschland hat diesem Vertrag zugestimmt.

    Um dieser Richtlinie des Europarates zu erfüllen, müsste Deutschland insgesamt 8302 Frauenhausplätze aufweisen (Stand: 2019). In einer anderen Empfehlung des Europarats ist sogar von einem Platz pro 7500 Einwohnern die Rede. Demzufolge wären in Deutschland sogar 11.069 Plätze vonnöten.

    Doch die Realität sieht anders aus. Nur zwei Bundesländer schaffen es, die Vorgabe des Europarats zu erfüllen: Berlin und Bremen. Dort stehen 1,57 beziehungsweise 1,34 Frauenhausplätze pro 7500 Einwohner zur Verfügung. Der Rest - auch Bayern - weicht deutlich von der Quote ab.

    Hier bekommen von Gewalt Betroffene Hilfe:

    Bundesweites Hilfstelefon Gewalt gegen Frauen: 08000116016

    Hilfetelefon Gewalt an Männern: 08001239900

    Nummer gegen Kummer für Kinder und Jugendliche: 116111

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