Muss der Freistaat Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Landtagsabgeordneten und Fraktionen bezahlen, selbst wenn sie eine offensichtlich extremistische Gesinnung aufweisen? Um das zu klären, hat Landtagspräsidentin Ilse Aigner ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, auf dessen Ergebnis, so Aigner, auch andere Bundesländer „elektrisiert“ gewartet hätten. Jetzt ist es da. Rein verfassungsrechtlich betrachtet kann der Landtag demnach demokratiefeindlichen Angestellten Parlamentsgelder verweigern - allerdings müssten für eine solche „Extremismusklausel“ drei bestehende Gesetze gründlich reformiert werden. Aigner ließ keinen Zweifel daran, dass sie die Klausel auf den Weg bringen will: „Wir möchten solche Gelder nicht auszahlen.“
Derzeit muss der Staat das zähneknirschend sehr wohl tun. Dem Landtag sind vier Mitarbeiter bekannt, die Verbindungen zu extremistischen Organisationen aufweisen - allesamt Angestellte von AfD-Abgeordneten. Zwei sind Mitglieder der als rechtsradikal eingestuften Burschenschaft Danubia München, die beiden anderen sind Aktivisten der Identitären Bewegung. Für wen sie arbeiten, hält der Landtag unter Verschluss. Um die Jahreswende hatte das Landtagspräsidium entschieden, dreien dieser Mitarbeiter vorerst keine Gehälter auszuzahlen, die Bezahlung aber später wieder aufgenommen - aus dem Bewusstsein heraus, dass die rechtliche Grundlage nicht ausreichen könnte.
Der Jurist Tristan Barczak, Professor am Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Sicherheitsrecht der Universität Passau, untersuchte dann im Auftrag des Landtags, wie eine Extremismusklausel umsetzbar wäre und wann Gelder einbehalten werden könnten. Eine extremistische Gesinnung allein reiche dafür nicht, sagte Barczak am Montag in München. Solange die Mitarbeiter „nur“ in nicht verbotenen Parteien, Vereinigungen oder Organisationen Mitglied seien, dürften deren Verträge nicht aufgekündigt werden.
AfD sieht die Pläne als „Angriff“
Eine Erstattung des Gehalts für Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Abgeordneten oder der Fraktionen kann laut dem 233-Seiten-Gutachten nur dann verweigert werden, wenn sie in verbotenen Organisationen aktiv sind oder waren - oder wenn sie „Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung verfolgen oder verfolgt haben“. Dafür brauche man Anhaltspunkte, etwa durch eine anlassbezogene Abfrage beim Verfassungsschutz. In solchen Fällen könnte man den betreffenden Fraktionen auch die Mittel kürzen. Wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Spione für andere Staaten auffallen, könne man die Erstattung der Gehälter ebenso verweigern oder Fraktionsmittel kürzen.
Um eine solche Extremismusklausel einzuführen, müssten aber das Abgeordnetengesetz, das Fraktionsgesetz und das Verfassungsschutzgesetz überarbeitet werden. „Jetzt liegt der Spielball bei den Fraktionen“, sagte die Landtagspräsidentin. Die nämlich können eine solche Gesetzesänderung auf den Weg bringen, wenn sie entsprechende Anträge einreichen. Aigner will nicht untätig warten, ob und wann das passiert. Sie werde mit den Fraktionen reden. Sie schätzt, dass die Extremismusklausel im Laufe des Jahres verabschiedet werden könnte.
Die AfD sieht die Pläne als Angriff auf sich und „Angriff auf der Demokratie“. Das werde man sich nicht gefallen lassen, schrieb der parlamentarische Geschäftsführer Christoph Maier auf der Fraktions-Homepage. Die CSU-Fraktion kündigte an, alle rechtlichen Möglichkeiten nutzen zu wollen, um die Klausel einzuführen. Der SPD-Rechtsexperte Horst Arnold betonte: „Auch wir wollen keine Verfassungsfeinde mit Steuermitteln finanzieren. Wir warnen allerdings vor rechtlichen Schnellschüssen, um der AfD keine Möglichkeit zu geben, ihr primitives Opferrollenspiel zu inszenieren.“ (mit dpa)
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