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Grundwasser in Bayern: "Der Kampf ums Wasser wird zunehmen"

Klimawandel

Grundwasser-Probleme in Bayern: "Der Kampf ums Wasser wird zunehmen"

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    Es regnet immer weniger. Und es wird immer wärmer. Beim Deutschen Wetterdienst hat man „den zwölften zu warmen Winter in Folge“ registriert, zudem gab es zu wenig Niederschläge.
    Es regnet immer weniger. Und es wird immer wärmer. Beim Deutschen Wetterdienst hat man „den zwölften zu warmen Winter in Folge“ registriert, zudem gab es zu wenig Niederschläge. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Der Ort, an dem man dem Wasser auf den Grund gehen kann, könnte unscheinbarer nicht sein. Kein Schild, kein Hinweis führt zur Messstelle Scheuring 983. Wer den Fleck hier im nördlichen Landkreis Landsberg finden will, braucht GPS-Koordinaten und ruckelt dann über den Schotterweg, der hinter dem Dorf beginnt, immer weiter hinaus aufs Feld. Zwischen den Hecken und Bäumen fällt das gut einen Meter hohe Rohr mit dem Deckel darauf kaum auf. Karlheinz Daamen – graue Haare, Bart, kariertes Hemd unter der leuchtend gelben Schutzjacke – hat es ja schon vorher gesagt. Dass das, was unter der Erde im Verborgenen liegt, nicht nur unscheinbar ist, sondern sich auch kaum veranschaulichen lässt. 

    Also hat Daamen, der beim Wasserwirtschaftsamt in Weilheim unter anderem für die Grundwassermessstellen zuständig ist, ein Lichtlot mitgebracht. Der 62-Jährige öffnet den Deckel, dreht eine Schraube auf und lässt das Kabel immer weiter durch das Rohr hinab – so lange, bis es ein Geräusch ertönt. „Wenn es piepst und leuchtet, haben wir Wasserkontakt.“ An diesem kalten Maitag, an dem der Regen unablässig vom Himmel fällt, beginnt das Noch nie war der Grundwasserpegel in Bayern zu dieser Zeit so niedrig, bedingt durch den erneut zu trockenen und zu warmen Winter. 

    Söder schreibt auf Instagram: "Das Regenwetter hat auch etwas Gutes!"

    Und jetzt? Nach diesen vielen Regentagen, nach diesen ersten Frühlingswochen, die sich so wenig nach Frühling anfühlten, nach diesem April, der erstmals seit 15 Jahren in Deutschland wieder zu nass war? Die Karte des LfU, die Anfang März noch mit roten Punkten übersät war, weil das Grundwasser an vielen Messstellen neue Niedrigstwerte erreicht hatte – zeigt nun wieder grüne Punkte. Und auf Instagram hat Ministerpräsident Markus Söder zuletzt ein Bild von Enten im Regen gepostet, dazu diese Worte: „Das Regenwetter hat auch etwas Gutes. Die Grundwasserspeicher in Bayern erholen sich wieder.“ 

    Also, alles wieder im grünen Bereich? 

    Ganz so euphorisch ist Karlheinz Daamen nicht. „Der Regen hilft“, sagt der Geograf und es klingt nach einem großen Aber. „Doch eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Und ein nasses Frühjahr macht noch keine Grundwasserprobleme zunichte.“ Daamen zieht ein Blatt hervor, darauf eine blaue Zickzacklinie – der Grundwasserspiegel in Scheuring seit 1984. Die Kurve geht nach oben und nach unten, aber insgesamt ist sie immer weiter abgerutscht. „Das ist das Problem, in den letzten gut zehn Jahren ist das Grundwasser insgesamt immer weniger geworden.“ 

    Andreas Schechinger (links) und Karlheinz Daamen vom Wasserwirtschaftsamt Weilheim bei der Grundwassermessung in Scheuring.
    Andreas Schechinger (links) und Karlheinz Daamen vom Wasserwirtschaftsamt Weilheim bei der Grundwassermessung in Scheuring. Foto: Sonja Dürr

    Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Es regnet immer weniger. Und es wird immer wärmer. Beim Deutschen Wetterdienst (DWD) in München hat man „den zwölften zu warmen Winter in Folge“ registriert, zudem gab es zu wenig Niederschläge. Auch in den Bergen lag zu wenig Schnee. Dabei sorgt eigentlich die Schneeschmelze mit dafür, dass die Grundwasserspeicher im Frühling gefüllt sind. Und ein heißer Sommer reihte sich an den nächsten – 2015, 2018, 2019, 2020, 2022. Hinzu kommt: Der Klimawandel verändert auch die Jahreszeiten, der Winter wird immer kürzer, der Frühling beginnt eher. Die Pflanzen benötigen also mehr Wasser. Und weil es aufgrund des Klimawandels insgesamt wärmer ist, gibt es auch mehr Verdunstung. Für die Böden bleibt damit immer weniger Feuchtigkeit – und letztlich auch weniger Grundwasser. 

    Trinkwasser wird in Bayern zu 90 Prozent aus Grundwasser gewonnen

    Seit 2003, so haben es die Expertinnen und Experten am Landesamt für Umwelt dokumentiert, bildet sich in Bayern weniger Grundwasser neu. Das jährliche Defizit beträgt ungefähr ein Sechstel. Dem Grundwasser in Bayern fehlen inzwischen mehr als drei Neubildungsjahre. Das hat auch Auswirkungen auf die Trinkwasser-Versorgung. Denn Trinkwasser wird in Bayern zu rund 90 Prozent aus Grundwasser gewonnen. 

    Auch ein paar regenreiche Monate reichen nicht aus, um das Grundwasserdefizit auszugleichen, betont man am LfU. Bis Wasser im Boden versickert, kann viel Zeit vergehen. Erst recht, wenn die Böden ausgetrocknet sind, erst recht dort, wo man wie im Norden Bayerns seit Jahren auf dem Trockenen sitzt. Andreas Schechinger, Daamens Kollege am Wasserwirtschaftsamt in Weilheim, versucht es mit einem Beispiel zu erklären. „Das ist wie bei einem Blumentopf. Ist der komplett ausgetrocknet, hilft es auch nichts, wenn man auf einen Schlag viel Wasser darauf kippt. Am meisten nimmt er auf, wenn er nach und nach immer gegossen wird.“ 

    In Scheuring rollt Karlheinz Daamen das Lichtlot auf und sagt: „Wir haben große Grundwasservorhaben in Bayern. Unsere Wasserversorgung ist gut aufgestellt.“ Angst, dass das Wasser zum Trinken, Duschen oder Kochen ausgeht, müsse niemand haben. „Aber wir müssen anfangen umzudenken.“ 

    In Teilen Spaniens ist der Boden ausgedörrt, Stauseen sind trocken.
    In Teilen Spaniens ist der Boden ausgedörrt, Stauseen sind trocken. Foto: Emilio Morenatti/AP, dpa

    Vielleicht ist das genau eines der Probleme. Dass Wasser ja selbstverständlich ist. Dass es immer da ist. Und es sich, heimlich, still und leise, unter der Erdoberfläche neu bildet. Ein Blick nach Südeuropa aber reicht, um zu verstehen, dass das längst nicht mehr selbstverständlich ist. Spanien etwa leidet seit Monaten unter einer der schlimmsten Dürreperioden der Geschichte. Seit Februar hat es im Süden des Landes nicht geregnet. Und der April war mit Spitzentemperaturen von knapp 40 Grad der wärmste und trockenste aller Zeiten. Stauseen sind nahezu ausgetrocknet. Und in der Provinz Córdoba kommt in 43 Ortschaften kein Tropfen Wasser mehr aus dem Hahn. Seit Wochen pilgern die 72.000 Einwohner der Gemeinden mit Flaschen und Kanistern zu den Dorfplätzen, um sich an Tankwagen ihre Ration Wasser abzuholen – fünf Liter pro Tag für jeden und jede. In Frankreich kämpft man nach einer historischen Wintertrockenheit mit historisch niedrigen Grundwasserspiegeln. Und in Italien war man nach Monaten ohne Niederschläge dankbar über den Regen. Bis das Wetter ins andere Extrem kippte: In der Emilia-Romagna fiel mancherorts innerhalb von eineinhalb Tagen so viel Regen wie normalerweise in einem halben Jahr. Katastrophale Überschwemmungen waren die Folge, mindestens 15 Menschen starben, Tausende mussten ihre Häuser verlassen. 

    In Dresden sitzt Andreas Hartmann in seinem Büro an der Technischen Universität und sagt: „Es ist nicht absehbar, dass wir in Deutschland Zustände bekommen werden wie in Südeuropa.“ Und doch, betont der Grundwasserforscher, ist es auch hierzulande an der Zeit zu reagieren. Schließlich sehe man den deutlichen Trend, dass es mit den Grundwasserpegeln seit Jahren steil bergab gehe. Andererseits werde aber nicht weniger Wasser verbraucht. „Wir müssen lernen, effizienter mit dem Wasser umzugehen“, sagt Hartmann. Es geht ihm gar nicht so sehr um die Privatleute, um die Diskussionen um Rasensprenger oder vollgefüllte Pools in den Hitzesommern. „Die Menschen sind doch sehr vernünftig“, sagt Hartmann. Vor allem die Industrie müsse sich darauf einstellen, Wasser nachhaltiger zu nutzen, also etwa Wasser zur Kühlung wiederzuverwenden. „Doch im Moment ist Wasser noch so günstig, dass es sich für viele Firmen nicht lohnt, in effizientere Systeme zu investieren, auch wenn diese technisch verfügbar sind“, sagt Hartmann. 

    In Bayern ist Wasser nicht nur günstig, sondern kostenlos. Wer Grundwasser entnimmt oder Oberflächenwasser aus Seen und Flüssen, braucht dafür nichts zu bezahlen. Ein Umstand, der längst für Diskussionen sorgt. Denn in 13 von 16 Bundesländern gibt es ein sogenanntes Wasserentnahmeentgelt. Auch in Bayern hat Ministerpräsident Söder eine solche Abgabe zur Finanzierung des Wasserschutzes vor zwei Jahren angekündigt – passiert ist allerdings nichts. Jetzt soll der „Wassercent“ nach der Landtagswahl kommen – auch, um zu zeigen, wie wertvoll Wasser sei, betont der CSU-Chef. Wegen der Krisen und anhaltender Inflation sei die Einführung aber zurückgestellt worden. „Aber er wird kommen, vor allem zum Schutz des Tiefengrundwassers, das uns eine heilige und eiserne Wasserreserve sein muss“, sagte Söder unlängst. Wie viel Wasser dann kosten soll? Und ob die Abgabe nur die Industrie trifft? Im Umweltministerium von Thorsten Glauber hält man sich dazu bedeckt. Ein Sprecher sagt: „Diese Einnahmen sollen in die Wasserinfrastruktur in Bayern investiert werden.“ 

    Rund 30 Millionen Kubikmeter Wasser werden im Wasserwerk Genderkingen (links einer der drei Brunnen) jährlich für den Großraum Nürnberg gewonnen. Die Fördermenge wird eher noch zunehmen.
    Rund 30 Millionen Kubikmeter Wasser werden im Wasserwerk Genderkingen (links einer der drei Brunnen) jährlich für den Großraum Nürnberg gewonnen. Die Fördermenge wird eher noch zunehmen. Foto: Adalbert Riehl

    Geht es nach Leonhard Schwab, dann ist der „Wassercent“ längst überfällig – schon, weil Wasser im Freistaat eben ungleich verteilt ist. Schwab ist Bürgermeister in Genderkingen im Landkreis Donau-Ries, gemeinsam mit 15 anderen Bürgermeistern hat er zuletzt einen offenen Brief an Ministerpräsident Markus Söder geschrieben. Die Kommunalpolitiker fordern darin einen „fairen Ausgleich für Leistungen der wasserliefernden Kommunen in Bayern“, für die Kommunen aus dem wasserreicheren Süden, die den trockeneren Norden Bayerns versorgen. 

    Genderkingen versorgt zehn Prozent der Bürger Bayerns mit Wasser

    Genderkingen liegt, genauso wie der Nachbarort Niederschönenfeld, an der Lech-Donau-Mündung, einer der wasserreichsten Regionen im Freistaat. Seit 50 Jahren wird der Grundwasserstrom, der den Lech begleitet, bei Genderkingen gefasst und über eine Fernleitung gepumpt– 100 Kilometer weit in den Großraum Nürnberg/Fürth, wo 1,2 Millionen Menschen so mit Wasser versorgt werden. „Das sind fast zehn Prozent der Einwohner Bayerns“, sagt Schwab, nur um die Dimension klarzustellen. 

    Ende des Jahres läuft der Vertrag mit dem Zweckverband Wasserversorgung Fränkischer Wirtschaftsraum (WFW) aus. Nun wollen die Franken deutlich mehr Wasser als bisher. Statt bisher knapp 30 Millionen Kubikmeter sollen künftig gut 52 Millionen Kubikmeter pro Jahr durch die Leitung fließen. Der Genderkinger Bürgermeister Schwab ist alles andere als begeistert. Er sorgt sich, dass die Kommune irgendwann Probleme mit ihrer eigenen Trinkwasser-Versorgung bekommt. „Auch bei uns wird das Wasser weniger. Was weiß ich, was in zehn Jahren ist?“ 

    Für das Wasser, das über die Fernwasserleitung nach Franken geht, bekommen die Genderkinger kein Geld. Wasser ist ein Allgemeingut. Der Zweckverband beteiligt sich jedoch an den Kosten für den Abwasserbetrieb, so sieht es eine Vereinbarung vor. Schwab will, dass das weiterhin so ist. Und dass auch die bisherige jährliche Fördermenge bestehen bleibt. „Wir wollen den Status quo festgeschrieben haben“, sagt der Freie-Wähler-Mann. 

    Und es soll, das wünschen sich Kommunen, wenigstens einen finanziellen Ausgleich für die Kommunen geben – etwa aus dem geplanten „Wassercent“. Denn Genderkingen muss hohe Auflagen einhalten, um die Trinkwassersicherheit zu gewährleisten. Die Dichtigkeit der Kanäle etwa muss häufiger geprüft werden. Und weil Genderkingen komplett in einer Wasserschutzzone liegt, heißt das: kein Sickerschacht, kein Brunnen darf geschlagen werden, keine Erdwärmepumpe ist zulässig. Die Materie, macht Schwab klar, ist komplex. Allein der Antrag des Zweckverbands auf Wasserentnahmeerlaubnis umfasse elf Ordner. Und sollten die Franken diese bekommen, mehr Wasser zu pumpen, werde auch in Genderkingen der Grundwasserspiegel sinken – in den Brunnen, unter den Feldern, im Wald. „Und das, wo es ohnehin jedes Jahr weniger regnet.“

    Beim letzten Mal haben die Verhandlungen mit der Wasserversorgung Fränkischer Wirtschaftsraum (WFW) sieben Jahre gedauert. Heute sagt Bürgermeister Schwab: „Der Kampf ums Wasser wird zunehmen.“ Er hat bereits begonnen. Nicht nur in Genderkingen.

    Hören Sie sich dazu auch unseren Podcast "Wem gehört das Wasser?" an. Die erste Folge können Sie sich hier anhören. Wöchentlich folgt eine neue Folge exklusiv für Plus-Abonnentinnen und Abonnenten. Mehr Infos finden Sie hier.

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