Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat am Dienstag die 2020 vom Kultusministerium verordnete Mehrarbeit für Grundschullehrkräfte mangels ausreichender Begründung für unwirksam erklärt. Völlig überraschend kam das Urteil zwar nicht. Die Folgen für den Unterricht an Bayerns Grundschulen sind dennoch bisher nicht abzusehen.
Objektiv kommt zum bestehenden Lehrkräftemangel an den Grundschulen nun auch noch eine riesige Zahl an unrechtmäßigen Überstunden dazu, die zeitnah kompensiert werden müssen. Denn jede Grundschullehrkraft musste nach dem sogenannten „Piazolo-Paket“ seit 2020 eine Stunde mehr pro Woche unterrichten - für Vollzeitkräfte 29 statt zuvor 28 Stunden. Diese Mehrarbeit wurde in ein Arbeitszeitkonto einbezahlt - und sollte eigentlich erst von 2028 an durch eine reduzierte Arbeitszeit von dann 27 Stunden wieder abgebaut werden.
Grund für diesen Zeitplan war die Annahme des Kultusministeriums, dass sich ab 2026 die Personallage an den Grundschulen langsam verbessern wird, weil ab dann durch einen Ausbau der Studienplätze für das Grundschullehramt wieder mehr qualifizierte Absolventen zur Verfügung stehen.
Können sich Lehrkräfteverband und Ministerium auf eine gemeinsame Lösung einigen?
Ob diese erhoffte Entspannung durch das höchstrichterliche Urteil nun wieder infrage steht, hängt wohl nicht zuletzt davon ab, ob der Lehrkräfteverband BLLV, der die Klage einer betroffenen Lehrerin unterstützt hatte, und das Kultusministerium sich auf eine einvernehmliche Lösung einigen. Beide Seiten haben Gesprächsbereitschaft signalisiert, wollen sich derzeit zu Details aber nicht äußern.
Doch wo könnte eine Lösung liegen? „Letztendlich geht es nur über Zeit oder Geld“, heißt es dazu im Landtag. Die angehäuften Überstunden könnten ausbezahlt werden - was für das Ministerium den Charme hätte, dass damit keine neuen Unterrichtslücken aufgerissen werden. Alternativ wäre ein vorgezogener Abbau der Überstunden schon ab 2025 denkbar - entweder beschleunigt mit vier Unterrichtsstunden weniger in nur einem Schuljahr - oder gestaffelt über mehrere Schuljahre.
Man darf wohl davon ausgehen, dass der BLLV auf eine flexible Lösung mit Auswahlmöglichkeiten für die betroffenen Lehrkräfte dringen wird. Es werde aber keinesfalls eine Lösung auf Kosten der Schüler geben, beteuert Verbandschefin Simone Fleischmann. Denkbar wäre zudem ein Gesamtpaket zur Unterrichtsversorgung. Denn diese soll nach dem Willen von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) künftig auch mit freiwilliger Mehrarbeit von Teilzeitkräften sichergestellt werden. Auch hier ist der BLLV offen für Gespräche - der Preis für ein Entgegenkommen des Verbandes dürfte allerdings durch den Sieg vor Gericht gestiegen sein.
Erhöht das Urteil den Druck zu einer Reduzierung der Teilzeitquote an den Schulen?
Trotz der juristischen Klatsche hat das Kultusministerium jedoch mit dem Teilzeit-Thema zumindest ein Druckmittel in der Hand: Denn ebenfalls am Dienstag hatte Söder vor dem Hintergrund zunehmend leerer Kassen einen Einstellungsstopp für zusätzliche Lehrkräfte in allen Schularten ab 2026 angekündigt und eine Reduzierung der hohen Teilzeitquote bei Lehrkräften angemahnt - rund zwei Drittel der Grundschullehrkräfte arbeiten aktuell in Teilzeit. Sollte es nicht zeitnah zu einer freiwilligen Lösung mit ausreichend Mehrarbeit von Teilzeit-Lehrern zur Kompensation von alten und möglichen neuen Unterrichtslücken kommen, scheint Söder gewillt, die Teilzeitmöglichkeiten notfalls auch gegen Widerstände aus der Lehrerschaft gesetzlich einzuschränken.
Könnte der Erfolg vor Gericht für den BLLV damit am Ende gar zum Pyrrhus-Sieg werden? Weder Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) noch der BLLV scheinen aktuell an einer Eskalation interessiert. Eine schnelle Einigung ist dennoch alles andere als sicher. Gespräche hinter verschlossenen Türen sollen dem Vernehmen nach bereits in wenigen Tagen beginnen.
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