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Großprojekt: "Typisch München" - Bürger sind über Hiobsbotschaften zur Stammstrecke sauer

Großprojekt

"Typisch München" - Bürger sind über Hiobsbotschaften zur Stammstrecke sauer

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    Züge der S-Bahn München fahren an der Baustelle der zweiten S-Bahn-Stammstrecke durch die Münchner Innenstadt. Der Bau der Stammstrecke wird wohl teurer und kommt Jahre später als geplant.
    Züge der S-Bahn München fahren an der Baustelle der zweiten S-Bahn-Stammstrecke durch die Münchner Innenstadt. Der Bau der Stammstrecke wird wohl teurer und kommt Jahre später als geplant. Foto: Matthias Balk, dpa

    Die Hiobsbotschaften zur zweiten Stammstrecke für die Münchner S-Bahn sorgen für massive Verärgerung im Rathaus der Landeshauptstadt und für Frust bei den Bürgern. Einen Tag nach Bekanntwerden der angeblich zu erwartenden Kostenexplosion und der massiven Zeitverzögerung bei dem Mega-Verkehrsprojekt übte Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) scharfe Kritik an der Deutschen Bahn. Bürger und Geschäftsleute rund um den Marienhof, die bereits seit Jahren eine Baustelle vor der Tür haben, vergleichen das Projekt schon mit dem Berliner Flughafen.

    Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter ist sauer. Er könne sich nicht erklären, wie es zu der Kostenexplosion und der mutmaßlich jahrelangen Verspätung bei dem Projekt kommen könne. „Das Schlimme ist doch, dass uns die Bahn ja auch gar nichts sagt dazu, das ist das absolut Ärgerliche daran. Wir sind alle davon ausgegangen, dass die Stadt München als Betroffene informiert wird“, so Reiter am Freitag in einem Interview auf Bayern 2. Bis heute gebe es keine Information an die Stadt München, das sei erschreckend, sagt der Oberbürgermeister.

    Stammstrecke in München soll doppelt so viel kosten wie geplant

    Am Tag zuvor war bekanntgeworden, dass sich die Inbetriebnahme der zweiten zentralen S-Bahn-Strecke von 2028 auf 2037 verzögern könnte. Zudem geht das bayerische Verkehrsministerium von einer Steigerung der Kosten von 3,85 Milliarden auf bis zu 7,2 Milliarden Euro aus. Allerdings beklagten die Projektbetreuer des Ministeriums, dass sie die aktuelle Kalkulation der Bahn nicht kennen würden und es sich bei den Angaben deshalb um Schätzungen handele. Eine Sprecherin der Deutschen Bahn wiederum betonte: „Wir stehen im regelmäßigen Austausch mit unseren Projektpartnern. Dies umfasst auch die Zeit- und Kostenpläne des Projekts, die wir aktuell überprüfen.“

    Gerade am Münchner Marienhof wird das Ausmaß des Bauprojekts deutlich. Hier soll künftig eine neue S-Bahn-Station entstehen. Was aber genau künftig heißt, ist den Münchnerinnen und Münchnern noch unklar, wie eine kurze Umfrage unserer Redaktion vor Ort. „Das ist typisch München. Es wird alles immer viel teurer. Die zweite Stammstrecke hätte schon längst gebaut werden sollen", sagt eine Passantin. Eine andere Frau kritisiert: "Es ist doch immer so, dass ein solches Projekt so teuer wird und doppelt so lange dauert. Das geht in Richtung des Berliner Flughafens, überrascht mich aber überhaupt nicht."

    Ladenbesitzer sehen Baustelle am Marienhof überraschend gelassen

    Einige der Geschäftsleute rund um den Marienhof sind von der Dauerbaustelle zwar auch nicht begeistert, sehen die Situation aber überraschend gelassen. Peter Thallmayr von der Galerie Otto sagt zum Beispiel: "Dass das Projekt auf einmal so viel länger dauern und so massiv mehr kosten soll, ist schon fragwürdig. Auf der anderen Seite werden wir von Lärm und Dreck gut abgeschirmt."

    Ähnliches bestätigt auch Martin Schaffelhofer, Filialleiter im Musikgeschäft Bauer & Hieber: "Wir haben das Glück, dass uns die Baustelle nicht auf die Pelle rückt. Zunächst kommen die Fahrradständer, dann der U-Bahn-Abgang, bis dahin ist für uns erst einmal alles frei. Die Kunden können problemlos in den Laden, da der Bauzaun nicht direkt am Geschäft ist. Deshalb ist es für uns kein Drama."

    Wer die Mehrkosten für die Stammstrecke in München trägt, ist noch unklar

    Förderlich für die Lebensqualität ist die Lage am Marienhof aber keineswegs. Das weiß auch Oberbürgermeister Reiter und pocht auf Alternativvorschläge der Bahn, was den Abtransport des Bauschutts vom Marienhof betrifft. Außerdem befürchtet er Auswirkungen auf Projekte der Stadt in unmittelbarer Nähe – etwa die geplante Erweiterung der Fußgängerzone. „Die Münchnerinnen und Münchner wollen jetzt mehr Lebensqualität, nicht erst irgendwann in zehn oder 15 Jahren.“

    Politisch umstritten ist, wer die zusätzlichen Kosten für das Projekt tragen wird. Wie berichtet, war dazu für Donnerstag ein Treffen mit Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) in der Münchner Staatskanzlei geplant. Wissing sagte den Termin jedoch ab. Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) zeigte sich verärgert und warf Wissing „schlechten Stil“ vor. Vonseiten des Bundes hieß es, dass die Verantwortung für die Gesamtfinanzierung des Vorhabens beim Freistaat Bayern liege. Bund und Freistaat hatten 2016 eine gemeinsame Finanzierung vereinbart. Der Bund sollte danach 60 Prozent der Kosten übernehmen. Als Grundlage galten damals von der Bahn errechnete Gesamtkosten von 3,85 Milliarden Euro. (mit dpa)

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