Martin Neumeyer ist ein Unikum. Seine Inszenierungen beim CSU-Frühschoppen auf dem traditionsreichen Gillamoos-Volksfest im niederbayerischen Abensberg sind unberechenbar. Doch an diesem Montagvormittag übertrifft sich der Landrat von Kelheim und CSU-Kreisvorsitzende selbst. Er lässt zur Begrüßung von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und dessen Amtskollegen aus Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst (CDU), nicht nur den bayerischen Defiliermarsch spielen, sondern gleich danach das umstrittene Partylied „Layla“ und die Titelmelodie der „Winnetou“–Filme. Neumeyers Botschaft: Die CSU ist die Partei der Freiheit, nicht die der „Beschwerdeträger“, denen Verbote und Gendern wichtiger sind, als sich den wirklichen politischen Herausforderungen zu stellen.
Toni Hofreiter ruft den Wahlsieg der Grünen in Bayern aus
Provokationen und Schmähungen des politischen Gegners gehören beim „Gillamoos-Montag“ zum Programm. In Wahlkampfjahren treffen hier die Spitzenkandidaten der Parteien aufeinander. Dieses Jahr wird nicht gewählt. Und so verzichteten Grüne, SPD, FDP und AfD darauf, ihre Bundesvorsitzenden nach Niederbayern zu schicken. Markige Sprüche gibt es in den Bierzelten dennoch.
Toni Hofreiter (Grüne) kündigt schon mal demonstrativ selbstbewusst an: „Nächstes Jahr regieren wir Bayern.“ SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert wirft CSU-Chef Söder vor, sich politisch mit dem Wind zu drehen. Im Sommer sei er gegen Corona-Maßnahmen, im Winter dann wieder dafür. Ähnlich verhalte sich die Union beim Thema Gaslieferungen aus Russland. „So agieren Menschen, die gar keinen politischen Standpunkt haben.“
SPD und FDP verteidigen bei Reden am Gillamoos-Volksfest die Ampel-Koalition
Es sei gut, so Kühnert, „dass sie keine Verantwortung in dieser schwierigen Krisensituation haben.“ Und Bayerns FDP-Chef Martin Hagen spottet über den CSU-Chef: „Söder hat seit Jahresbeginn erst an drei Landtagssitzungen teilgenommen, aber in den letzten fünf Wochen 13 Volksfeste besucht.“ Das sei auch gut so, sagt Hagen: „Im Bierzelt kann er deutlich weniger Schaden anrichten als auf der Regierungsbank im Maximilianeum.“
Der CSU-Chef lässt sich von derlei Kritik nicht beeindrucken – im Gegenteil. Wenn er gefragt werde, warum er immer wieder zu großen Volksfesten gehe, dann antworte er: „Weil ich eine große Freude daran habe, in einem Bierzelt bei vernünftigen Menschen zu sein.“ Auch sein CDU-Kollege aus Nordrhein-Westfalen, der als möglicher nächster Kanzlerkandidat der Union gehandelt wird, umgarnt das Bierzelt-Publikum. „Was für ein schönes Bild, Sie alle hier zu sehen. Dirndl und Lederhosen – eine schöner als die andere“, sagt Wüst und schwärmt: „Der Gillamoos ist mit nichts zu vergleichen in der Welt.“
In ihrer Kritik an der Ampel zeigen Wüst und Söder sich einig. Der CDU-Politiker wirft Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor, bei der Unterstützung der Ukraine zu zögern und zu zaudern. „Da ist keine Richtung, keine Klarheit“, sagt Wüst und nimmt gleich noch die Finanzierung des gerade erst beschlossenen Entlastungspakets über die Besteuerung von Zufallsgewinnen aus der Energiewirtschaft aufs Korn. „Zufallsgewinne – was soll das sein?“, fragt Wüst. Er kenne nur einen Zufallsgewinn. Das sei der Sieg von Scholz bei der Bundestagswahl. Auch Söder teilt kräftig aus. Er nennt die Ukraine-Politik der Ampel „ein Trauerspiel“ und kritisiert in der Corona-Politik „diese ständigen Panikattacken aus Berlin“. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) seien „Ernie und Bert der Bundesregierung. “
Ministerpräsident Söder eher Freund der Grünen als der Freien Wähler?
Beim Entlastungspaket der Bundesregierung allerdings gibt er sich differenzierter. „Da geht vieles in die richtige Richtung“, sagt Söder. Er begrüße vor allem, dass nun auch für Rentnerinnen und Rentner, Studentinnen und Studenten etwas getan werde. „Wir sind froh, dass endlich diese Gerechtigkeitslücke beseitigt ist.“ Allerdings habe die Bundesregierung noch keine Antwort auf die entscheidende Frage, wo die Ersatzenergie für den Winter herkommen soll.
Nebenbei erfährt das Publikum bei der CSU im Bierzelt etwas über Söders persönliche Beziehungen zu Kollegen. Den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) nennt er in seiner Rede zweimal „mein Freund“, über Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger sagt er, er sei „zwar nicht mein Freund, aber mein Koalitionspartner.“ Und über seinen Parteifreund Neumeyer sagt Söder, er sei „der beste Comedy-Landrat, den es gibt in Bayern.“
Neumeyer beschließt den CSU-Frühschoppen mit einem Stadt-Land-Witz, der die Münchner Grünen aufs Korn nimmt: „Was ist der Unterschied zwischen Haidhausen und Obergunzelszell? Wenn einer in Haidhausen drei Weißbier trinkt, ist er Alkoholiker, in Obergunzelszell ist er der Fahrer.“