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Gesundheitsminister Klaus Holetschek über Delta und Omikron: "Ein toxischer Mix"

Interview

Gesundheitsminister Holetschek über Delta und Omikron: "Das ist ein toxischer Mix"

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    Klaus Holetschek setzt sich für eine allgemeine Impfpflicht ein.
    Klaus Holetschek setzt sich für eine allgemeine Impfpflicht ein. Foto: Sven Hoppe, dpa (Archivbild)

    Beginnen wir mit der guten Nachricht: Die Zahl der Erstimpfungen stieg im November in Bayern. Wie erklären Sie sich das?

    Klaus Holetschek: Der Anstieg im November hängt mit vielen Dingen zusammen. Einmal ist die Aufmerksamkeit für das Thema Impfen wieder gestiegen – speziell bei den Booster-Impfungen. Aber auch Themen wie 2G oder 2G-Plus haben den ein oder anderen im November motiviert, impfen zu gehen.

    Seit Dezember lassen die Erstimpfungen wieder nach. Braucht es neue Maßnahmen, um die Impfbereitschaft zu steigern?

    Holetschek: Wir müssen immer wieder neu motivieren, neu aufklären, immer wieder niedrigschwellige Impfangebote machen. Das ist nach wie vor ein wichtiges Thema. Wir sehen aber auch, dass die Diskussion um eine allgemeine Impfpflicht notwendig ist. Weil wir mit den Erstimpfungen nicht mehr so recht vorankommen, wie wir es wollen.

    Bis zu einer Impfpflicht wird noch viel Zeit vergehen. Was kann kurzfristig helfen, die Kurve abzuflachen?

    Holetschek: Die allgemeine Impfpflicht braucht Vorlauf: das Gesetzesvorhaben, die Umsetzung und dann müssen wir den Menschen auch die Chance geben, sich zu impfen. Deswegen müssen wir jetzt mit dem Instrumentenkasten arbeiten, den wir haben. Das Infektionsschutzgesetz wurde noch mal angepasst und das ist jetzt unser Werkzeug, mit dem wir arbeiten: Kontaktbeschränkungen, reduzierte Veranstaltungsgrößen, FFP2-Maske, stringentes Testregime in den Schulen. Und gleichzeitig müssen wir weiter fürs Impfen werben, um eine fünfte oder sechste Welle, die ja möglicherweise auch eine Gefahr darstellt, bewältigen zu können. Wir sollten jetzt das Thema allgemeine Impfpflicht regeln, um dann nicht in einer Endlosschleife vor der nächsten Welle zu stehen.

    Was ist sonst noch wichtig?

    Holetschek: Wichtig ist die Auffrischungsimpfung. Das ist ein zentraler Punkt, dass wir den Schutz weiter erhöhen. Omikron birgt die Gefahr, dass wir wesentlich mehr Neuinfektionen kriegen. In Schottland und England steigen die Raten sehr steil an. Selbst wenn die Verläufe mild sein sollten, bedeutet das letztendlich, dass die hohe Zahl an Neuinfektionen wieder zu vermehrten Hospitalisierungen führen würde. Und das zu einem Zeitpunkt, an dem die Krankenhäuser eh schon voll sind. Das ist dieser toxische Mix: Wir sind schon in einer Welle und müssen alles dafür tun, dass sich die Ausbreitung von

    Bis zur sogenannten Herdenimmunität ist es aber noch ein langer Weg. Wie hoch muss die Impfquote sein – und lässt sie sich erreichen?

    Holetschek: Omikron benötigt wohl eine noch höhere Impfquote als bisher, um einen ausreichenden Schutz der Bevölkerung zu erzielen. Wir führen deswegen auch die Diskussion über eine allgemeine Impfpflicht. Ich war immer einer, der gesagt hat, eigentlich bin ich gegen eine Impfpflicht. Weil ich dachte, wir können die Menschen mit den Argumenten überzeugen – auch die Skeptiker. Aber jetzt ist der Punkt gekommen, an dem wir sehen: Wir stehen in dieser Pandemie immer wieder vor neuen Herausforderungen, es kommen neue Mutationen und wir kommen mit dem Impfen nicht mehr so recht voran. Deswegen werden wir um eine allgemeine Impfpflicht nicht herumkommen.

    Kritiker sagen, der Fortschritt beim Impfen ist auch deswegen ungenügend, weil Impfzentren im Sommer runter- und im Herbst zu spät hochgefahren wurden. Was entgegnen Sie?

    Holetschek: Wir haben immer gesagt: Wir werden die Impfzentren nicht komplett schließen. Ich habe lange dafür gekämpft, weil es auch viele Stimmen in der Bundesrepublik gab, die meinten, dass wir die Impfzentren nicht mehr brauchen, dass alles in der Regelversorgung möglich ist. Für mich war immer klar: Das Thema Impfung muss auf verschiedenen Säulen ruhen. Eine tragende Säule ist die Ärzteschaft, eine weitere sind die Impfzentren. Deswegen haben wir gesagt: Runterfahren, Stand-by-Betrieb, mobile Teams – und immer eine gewisse Zahl von Impfungen gewährleisten. Wir haben die Impfzentren aus meiner Sicht auch sehr schnell wieder hochfahren können. Wir haben 81 Impfzentren sowie rund 80 zusätzliche feste Außenstellen und über 250 mobile Teams, die auch sehr viel impfen. Da sind wir schon wieder auf einem sehr hohen Niveau angekommen. Wir werden auch in Zukunft die Impfzentren brauchen. Wir müssen uns jetzt schon auf das nächste Jahr einstellen. Ich meine: Wir werden wohl auch weiterhin die Impfzentren offen halten und davon ausgehen müssen, dass wir weitere Impfungen auch über die Impfzentren abwickeln. Wir sind hier mit dem Bund im Gespräch.

    Inzwischen ist das Impfniveau hoch. Im November gab es hingegen vielerorts lange Wartezeiten, Menschen wurden abgewiesen. Der Ansturm war zu groß. Offenbar wurde ja doch zu zögerlich gehandelt?

    Holetschek: Wir haben Mitte August mit Booster-Impfungen in Pflegeheimen angefangen. Die Ständige Impfkommission hat im Oktober erst eine Empfehlung für Auffrischungsimpfungen abgegeben. Da waren wir schon lange dabei. Im Übrigen waren wir im Stand-by-Betrieb und sind meiner Meinung nach sehr schnell wieder hochgefahren, zusammen mit den Ärzten. Im Herbst kam der große Schub, das führte dazu, dass es den ein oder anderen Stau gab, dann kam noch die Kontingentierung von Biontech. Wir sind nicht mehr für die Impfstofflieferungen an Impfzentren oder Ärzte zuständig, vielmehr wird der

    Was will Bayern im Hinblick aufs Impfen bis Weihnachten schaffen?

    Holetschek: Die Ärzte und die Impfzentren geben alles, um möglichst viele Menschen in möglichst kurzer Zeit zu impfen. Ich hoffe, dass der Impfstoff in ausreichendem Maße zur Verfügung steht, sodass es kein Argument gibt, dass zu wenig da ist.

    Ist hier ein Vorwurf an den Bund herauszuhören?

    Holetschek: Wir haben eine klare Aufgabenverteilung. Wir stellen Impfzentren zur Verfügung. Beschaffung und Verteilung des Impfstoffs erfolgen über den Bund. Man hat in der Pandemie immer wieder ein Déjà-vu: Wir hatten am Anfang wenig Impfstoff. Dann hatten wir sehr viel Impfstoff und die Gefahr, dass er verworfen werden muss, weil die Impflinge gefehlt haben. Jetzt sind wir im anderen Extrem, dass zu wenig Biontech da war und die Kontingente gemacht wurden. Es hilft nicht, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Aber natürlich ist es so, dass jeder seine Verantwortung hat und die muss man wahrnehmen.

    Was ist beim Impfen mit Blick auf das Jahr 2022 wichtig?

    Holetschek: Jetzt ist es wichtig, dass wir drüber reden: Was kommt im ersten Quartal an Impfstoff? Das ist möglicherweise eine kleine Blackbox, wo wir noch nicht genau sehen, was zur Verfügung stehen wird. Und wir wissen auch: Wir brauchen möglicherweise angepassten Impfstoff wegen Omikron. Deswegen die klare Aussage: Die Impfzentren sollen in voller Kapazität weiterfahren und wir müssen uns jetzt schon auf nächstes Jahr vorbereiten, auch gemeinsam mit Oberbürgermeistern und Landräten. Wenn die Impfpflicht kommt, brauchen wir genügend Impfstoff.

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