Einmal den Hochzeitstag vergessen oder die PIN, das kann passieren. Doch wem häufiger Daten und Zahlen entfallen, die früher präsent waren, oder wer sich schwertut, den Weg nach Hause zu finden, sollte sich testen lassen, erklärt Professor Peter Kolominsky-Rabas. Der Neurologe leitet das Digitale Demenzregister Bayern, kurz digiDEM, das seit 2022 in verschiedenen Regionen Bayerns kostenlose Gedächtnistests, ein Demenz-Screening, anbietet. Am 10. April macht das Team Station in Augsburg. Dann können Menschen aus der Stadt und dem Landkreis ihre geistigen Fähigkeiten überprüfen lassen.
Nach zehn Minuten gibt es die Einschätzung zum Demenzrisiko
Etwa zehn Minuten dauern die standardisierten Tests. Sie beinhalten Fragen, aber etwa auch Rechen- und Malaufgaben. Über 1500 Menschen in 67 Städten und Gemeinden hat das Team um Kolominsky-Rabas in Bayern bereits getestet, war beispielsweise schon in Landshut, in Würzburg und in Memmingen und will bis 2025 weiteren bayerischen Kommunen seinen Dienst anbieten. Bei etwa 30 Prozent der getesteten Menschen seien Auffälligkeiten registriert worden. "Diese große Anzahl hat mich überrascht", sagt Kolominsky-Rabas. Gleichzeitig bestätigt es seine Vermutung, dass die Dunkelziffer bei Demenzerkrankungen sehr hoch ist, viele also bereits erkrankt sind, aber noch keine Diagnose erhalten haben.
Nach Angaben des Gesundheitsministeriums leiden schätzungsweise 270.000 Menschen im Freistaat an Demenz, Tendenz steigend. "Weltweit sind es bereits 55 Millionen Menschen. Wir erwarten, dass sich die Zahl bis ins Jahr 2050 verdreifachen wird", sagt Kolominsky-Rabas und spricht von einem "Tsunami der Demenzen", der vor dem Hintergrund unserer alternden Gesellschaft auf uns zukomme.
Eine frühe Diagnose ist bei Demenz so wichtig
Gerade mit Blick auf die massiv steigenden Zahlen sei es wichtig, so früh wie möglich die Erkrankung festzustellen, um die Betroffenen und ihre Angehörigen zu unterstützen. Das sei das Ziel des digiDEM, das der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg zugeordnet ist. Wichtig zu wissen ist allerdings: "Das Demenz-Screening bietet keine Diagnose, es zeigt nur, dass der geistige Zustand abklärungsbedürftig ist. Daher bekommen all diejenigen, die Defizite haben, eine Liste mit Gedächtnisambulanzen bei ihnen vor Ort mit, wo eine gründliche Abklärung erfolgen kann."
Eine Stelle, die Gewissheit bringt, ist die Gedächtnissprechstunde am Bezirkskrankenhaus (BKH) Augsburg. Dr. Jan Häckert ist der Leiter des Gedächtnis- und Therapiezentrums der psychiatrischen Uniklinik. Bei ihm und seinem Team werden Menschen, die sich ihrer geistigen Leistungsfähigkeit unsicher sind, zunächst auch körperlich gründlich untersucht. Denn auch Durchblutungsstörungen können zu einem Abbau von geistigen Fähigkeiten führen. Werde dies früh erkannt, gelinge es im besten Fall die Schädigung der Gefäße zu stoppen, sagt Häckert. Aber auch Entzündungen im Gehirn, chronische Infektionskrankheiten sowie Schilddrüsen- und Tumorerkrankungen können eine Beeinträchtigung der Gehirnleistung nach sich ziehen. Nicht zu vergessen: "Immer wieder steckt eine Depression hinter Symptomen, die zunächst eine Demenzerkrankung vermuten lassen."
Ein neues Medikament macht große Hoffnung
Wie aber sieht es mit der Behandlung aus? Schon oft hieß es, dass nun endlich mit einem Medikament ein Durchbruch gelungen sei. Kolominsky-Rabas mahnt hier zur Vorsicht. "Demenz ist leider noch immer nicht heilbar", betont er. Und auch zunächst hoch gehandelte Medikamente versprechen oft zu viel, wie man an dem umstrittenen Alzheimer-Medikament Aduhelm sehen kann, das von dem US-Biotech-Unternehmen Biogen mittlerweile aufgegeben wurde. Aktuell zieht das Medikament Leqembi alle Aufmerksamkeit auf sich. Die Europäische Arzneimittelagentur prüft gerade die Freigabe für die EU. Häckert bezeichnet dieses Medikament tatsächlich als "große Hoffnung" und erwartet im zweiten Halbjahr eine Marktzulassung sowie eine sehr hohe Nachfrage. Der Antikörper Lecanemab kann die Bildung der gefährlichen Plaques im Gehirn verringern und so das Fortschreiten der Alzheimer-Demenz verlangsamen – allerdings wirke er nur in einem sehr frühen Stadium der Erkrankung. Das wiederum unterstreicht die Wichtigkeit des Demenz-Screenings und der Gedächtnissprechstunde.
Informationen: Wer seine Gedächtnisleistung am 10. April, 13 bis 17 Uhr, in Augsburg überprüfen lassen will, muss sich telefonisch bei Lisa Schuster, Telefon 0172/846 7228, anmelden oder einen Testtermin per Mail an l.schuster@sic-augsburg.de vereinbaren. Weitere Infos unter www.digidem-bayern.de. Das Gedächtnis- und Therapiezentrum der psychiatrischen Uniklinik Augsburg im BKH erreicht man per Telefon unter 0821/4803-1074 oder Gedaechtnissprechstunde@bkh-augsburg.de