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Gesundheit: Vielen Heimen fehlt das Geld für Hitzeschutz

Gesundheit

Vielen Heimen fehlt das Geld für Hitzeschutz

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    Gerade ältere Menschen sind bei Hitze gesundheitlich gefährdet. Sie haben oft kein Durstgefühl. Doch gerade ein akuter Wassermangel könne einen Hitzschlag auslösen, warnt Altersmediziner Prof. Markus Gosch.
    Gerade ältere Menschen sind bei Hitze gesundheitlich gefährdet. Sie haben oft kein Durstgefühl. Doch gerade ein akuter Wassermangel könne einen Hitzschlag auslösen, warnt Altersmediziner Prof. Markus Gosch. Foto: Jana Bauch

    Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindelgefühle – wenn Menschen bei Hitze diese Symptome bemerken, sei es höchste Zeit zu handeln, betont Prof. Dr. Markus Gosch. Denn Menschen jedes Alters laufen bei hohen Temperaturen Gefahr, einen Hitzeschock zu erleiden, der im schlimmsten Fall tödlich sein kann. Besonders gefährdet seien Seniorinnen und Senioren, sagt der Altersmediziner, der im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie ist. „Doch das gesundheitliche Risiko Hitze wird leider oft nicht ernst genommen.“

    Gefahr bei Hitze: Wenn man älter wird, nimmt die Nierenfunktion ab

    Aber warum sind gerade alte Menschen so stark gefährdet und sind sie genügend geschützt? „Mit zunehmenden Alter verändert sich der Wasserhaushalt des Körpers“, beginnt der Chefarzt am Klinikum Nürnberg zu erklären. „Die Nierenfunktion nimmt ab, was wiederum unter anderem dazu führt, dass zum Gehirn nicht ausreichend Signale für das Durstgefühl gesendet werden.“ Doch zu wenig Wasser ist für unseren Körper höchst bedrohlich, weil unter anderem wichtige Nährstoffe nicht weitergeleitet und Giftstoffe nicht ausgeschieden werden. „Akuter Wassermangel kann einen Hitzschlag auslösen. Und oft merken die Betroffenen ihren Zustand zu spät“, warnt Gosch, der sich deshalb für mehr öffentliche Wasserspender ausspricht.

    Altersmediziner Prof. Dr. Markus Gosch ist im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie.
    Altersmediziner Prof. Dr. Markus Gosch ist im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie.

    Vor allem Menschen, die an Organen erkrankt sind, rät er besonders gut auf sich aufzupassen: „Je mehr Medikamente ich nehmen muss, desto gefährdeter bin ich bei Hitze.“ Denn erschwerend hinzukomme, dass viele Ältere entwässernde Tabletten, zum Beispiel gegen Bluthochdruck, einnehmen. „Sie befördern zusätzlich die Ausscheidung von Wasser, was bei Hitze gefährlich ist. Daher ist eine andere Dosierung, das heißt bei entwässernden Medikamenten eine Reduzierung der Dosis, so wichtig.“ Aber auch die Haut altert, wird dünner, und verringere ihre Funktion, Schweiß abzuleiten.

    Gosch rät Seniorinnen und Senioren Hitze wirklich zu meiden. „Ich erlebe es leider immer wieder, dass Senioren sehr unflexibel an ihrem Tagesprogramm festhalten und selbst Radtouren oder andere Treffen nicht absagen.“ Dabei müssten wir lernen, bei Hitze den Lebensstil anderer warmer Länder zu übernehmen, bei denen teilweise schon ab 11 Uhr bis abends das öffentliche Leben einfach ruht.

    Wenn Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nun einen nationalen Hitzeplan vorlegen will, dann findet Gosch das gut. „Denn wir brauchen konkrete gesetzliche Schutzmaßnahmen. Vor allem aber müssen Gebäude mit Klimaanlagen nachgerüstet werden – in erster Linie Pflegeheime und Kliniken. Es müssen dort an allen Fenstern außerdem Verschattungsmöglichkeiten in Form von Rollläden oder Jalousien angebracht werden.“ Der Altersmediziner hofft aber auch, dass die Technik rasch weiter Fortschritte mache und es bald beispielsweise Uhren gebe, die Senioren alarmieren, wenn sie dehydriert sind. 

    Pflegekräfte brauchen keine neuen Handlungsanweisungen

    Brigitte Protschka betont, dass für die Mitarbeitenden in den 23 Senioreneinrichtungen der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Schwaben Hitzeschutz schon seit vielen Jahren ein Thema sei. „Denn die alten Menschen leiden schon immer sehr unter der Hitze.“ Die Präsidentin der

    Protschka findet auch, dass alle Pflegeeinrichtungen eine Klimaanlage bräuchten, und zwar in allen Räumen. Denn in der Praxis funktioniere es logischerweise nicht, dass alle Bewohnerinnen und Bewohner bei Hitze in die vereinzelt abgekühlten Räume geschoben werden. „Aber die Ausstattung all unserer Häuser mit Klimaanlagen würde sehr viel Geld kosten, das nicht refinanziert werden kann, es sei denn, die Heimkosten würden sich erhöhen. Wir können das deswegen nur Zug um Zug machen.“ Zwar gebe es vom Bundesumweltministerium einen Fördertopf „Klimaanpassung in sozialen Einrichtungen“. Doch dieser sei mittlerweile regional auf Hitze-Hotspots beschränkt, wozu Schwaben nicht zähle. „Auch sind die Antragsverfahren viel zu bürokratisch.“ Daher stelle die AWO Schwaben regelmäßig bei der Glücksspirale Unterstützungsanträge beispielsweise für Sonnensegel oder Sonnenschirme. „Aber wie der Name sagt, muss man dann eben Glück haben, um so eine Maßnahme bezahlt zu bekommen. Hin und wieder haben wir das auch.“ 

    Pflegefinanzierung sieht für alte Menschen nur Tafelwasser vor

    Und auch, wenn es immer wieder heißt, dass die Pflegekräfte dafür sorgen müssten, dass die Heimbewohner genug trinken, ärgert sich Protschka. „Denn unsere Pflegekräfte wissen, dass unsere Bewohnerinnen und Bewohner ausreichend trinken müssen, und achten bereits darauf. Was aber nicht dazu gesagt wird, dass unseren Seniorinnen und Senioren vom Pflegefinanzierungskorsett – und ich nenne die Pflegefinanzierung ganz bewusst so, weil sie uns in so vielen wichtigen Bereichen so massiv einschränkt – lediglich Tafelwasser zugestanden wird. Schon wenn wir eine Apfelschorle oder einen Eiskaffee anbieten, damit unsere Bewohnerinnen und Bewohner mal etwas mit mehr Geschmack erhalten und so auch mehr trinken, treibt uns das entweder ins Defizit, oder wir müssen diese Mehrausgaben an anderer Stelle einsparen.“ Alle Ausgaben gerade auch beim Essen und Trinken seien „auf Kante genäht und lassen keinen Spielraum für gesündere Varianten“. 

    Brigitte Protschka ist die Präsidentin der AWO Schwaben.
    Brigitte Protschka ist die Präsidentin der AWO Schwaben. Foto: Marcus Merk

    Und vor noch einer Herausforderung stehen viele Häuser: Es wurden in den vergangenen Jahren teilweise bewusst große Fenster eingebaut, um mehr Licht und Helligkeit in die Räumlichkeiten zu bekommen. „Genau das fällt uns nun aber auf die Füße. Denn an diesen Glasfassaden Rollläden oder Jalousien anzubringen, kostet sehr viel Geld, weil es sehr aufwendig ist“, sagt Protschka. Daher verwende die AWO manchmal nun Hitzeschutzfolien für große Fenster. 

    Protschka betont, dass Hitzeschutz in allen AWO-Einrichtungen – auch bei denen für Kinder – ganz oben auf der Agenda stehe. Dazu gehöre auch, in Parkanlagen für mehr natürlichen Schatten in Form von Bäumen zu sorgen. Doch die Präsidentin sagt auch: „Wir alle können noch so viel nachrüsten, wenn wir nicht ganz schnell und effektiv gegen den Klimawandel, die Ursache für diese massiven Hitzewellen, aktiv werden, wird uns das alles nichts nützen. Alles Nachrüsten wird nicht reichen.“ 

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