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Gesundheit: Neuer Höchststand bei Krankschreibungen in Bayern

Gesundheit

Neuer Höchststand bei Krankschreibungen in Bayern

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    Auch Muskel- und Skeletterkrankungen nehmen massiv zu und führen dazu, dass sich immer mehr Menschen krankschreiben lassen.
    Auch Muskel- und Skeletterkrankungen nehmen massiv zu und führen dazu, dass sich immer mehr Menschen krankschreiben lassen. Foto: Alliance, Adobe.stock.com

    Der Krankenstand in Bayern ist in den ersten sechs Monaten auf einen neuen Höchststand geklettert. Das meldet die Krankenkasse DAK. Demnach gab es 45 Prozent mehr Fälle als im Vorjahreshalbjahr. Fast die Hälfte der Beschäftigten habe bis Ende Juni 2023 bereits mindestens eine Krankschreibung gehabt. DAK-Landeschefin Sophie Schwab spricht von einem enormen Anstieg.

    Dabei seien vor allem kurze Erkrankungsfälle häufiger gewesen als sonst: „Das sehen wir daran, dass die Beschäftigten nur 9,7 Tage krankgeschrieben sind. Die Falldauer in früheren Halbjahren war immer wesentlich höher.“ 

    Atemwegserkrankungen sind die häufigste Ursache

    Ausgewirkt auf die Fehlzeiten haben sich nach Angaben der DAK vor allem die häufigen Atemwegserkrankungen. So habe es bei den Krankschreibungen wegen Husten, Schnupfen und anderer Infekte 78 Prozent mehr Fälle gegeben. Ein starker Anstieg sei aber auch bei den Muskel- und Skeletterkrankungen zu beobachten. Hier sei die Anzahl der Fälle bei 100 Beschäftigten von sieben auf knapp zwölf Fälle hochgegangen, ein Plus von 52 Prozent. Bei Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen stiegen die Fallzahlen um 58 Prozent von 2,5 auf vier Fälle je 100 Beschäftigte.

    Dr. Jakob Berger überraschen diese Zahlen nicht. Doch den erfahrenen Hausarzt, der in Wemding im Donau-Ries seine Praxis hat und 24 Jahre schwäbischer Bezirksvorsitzender des Bayerischen Hausärzteverbandes war, erfüllt die Entwicklung mit großer Sorge.

    Die Zunahme der Atemwegserkrankungen könne seines Erachtens zu einem Teil noch als Nachwehen der Corona-Pandemie erklärt werden. Die stark steigende Zahl der psychischen, aber auch der Muskel- und Skeletterkrankungen sind seiner Meinung nach aber wiederum zu einem überwiegenden Teil „Folgen einer gesamtgesellschaftlichen katastrophalen Entwicklung“. So ist der Mediziner überzeugt davon, dass viele Menschen längst zu viel vor Bildschirmen, und hier insbesondere vor ihrem Smartphone, sitzen: „Dies hat gravierende gesundheitliche Auswirkungen – sowohl auf die Psyche, aber auch auf den Körper.“ Schließlich sei längst bewiesen, dass immer mehr Menschen viel zu lange sitzen und der daraus resultierende massive Bewegungsmangel unter anderem zu Muskel- und Skeletterkrankungen führe. 

    Berger sagt: "Dieser Medienkonsum macht uns krank"

    Aber auch die Zunahme von psychischen Erkrankungen wie beispielsweise Depressionen sieht Berger in Zusammenhang mit dem übermäßigen Gebrauch sozialer Medien, bei dem menschliche Kontakte bisweilen zu sehr auf der Strecke blieben: „Wir Menschen brauchen den persönlichen Kontakt, das richtige Gespräch, gerade auch in der Familie, auch um Sorgen oder Probleme zu besprechen. Wenn wir aber zunehmend nur noch über Kurznachrichten kommunizieren, geht etwas verloren. Auf Dauer macht uns dieser Medienkonsum krank.“ So sehe er es auch mit großer Sorge, dass schon kleine Kinder stundenlang vor einem Smartphone sitzen, „die gesundheitlichen Gefahren gerade auch im Kindesalter sind enorm“. 

    Dr. Jakob Berger hat seine Hausarztpraxis in Wemding im Donau-Ries.
    Dr. Jakob Berger hat seine Hausarztpraxis in Wemding im Donau-Ries. Foto: Wolfgang Widemann (Archivbild)

    Was der Hausarzt in seiner Praxis aber auch beobachtet: „Immer mehr Patientinnen und Patienten kommen zu uns mit Befindlichkeitsstörungen oder Schnupfen und wollen eine Krankmeldung.“ Die Anspruchshaltung diesbezüglich sei deutlich gestiegen. „Dies ist aber in Zeiten, in denen die Arbeitslosigkeit niedrig ist und Arbeitskräfte händeringend gebraucht werden, keine seltene Erscheinung, weil die Sorge geringer ist, dass infolge einer Krankmeldung der Arbeitsplatz in Gefahr ist“, erklärt Berger. Hinzu käme: „Auch der Wunsch nach einer raschen Gabe von Antibiotika wächst. Oft fühlen wir Ärzte uns nur noch als Erfüllungsgehilfen.“

    Dabei habe es fatale Folgen, wenn zu leichtfertig Antibiotika gegeben werden: „Schließlich nehmen die Resistenzen zu und damit schwindet die Wirkmöglichkeit bei aggressiven Bakterien.“ Doch Berger merkt im Gespräch mit seinen Patientinnen und Patienten immer wieder, wie er erklärt, „dass Selbstaktivität in den meisten Fällen nicht gefragt ist, sondern der Wunsch nach Tabletten“. Allerdings sieht der Kneipparzt hier auch die Gesundheitspolitik in der Pflicht: „Präventivmedizin ist bei uns leider kein Thema, nur Reparaturmedizin – wir werden erst aktiv, wenn der Mensch schon krank ist.“ In diesem Zusammenhang kann Berger auch nicht die Freigabe von Cannabis verstehen: „Ich verurteile die Freigabe aufs Schärfste, denn die Gefahren für die psychische Gesundheit gerade junger Menschen steigen damit stark an.“ 

    Zu dem Ergebnis, dass die Krankenstände steigen, kommt indes nicht nur die DAK. Bereits für das Jahr 2022 meldete die AOK Bayern eine „drastische“ Erhöhung und sprach vom höchsten Krankenstand seit 25 Jahren. Und auch die Betriebskrankenkassen (BKK) in Bayern stellten einen starken Anstieg im vergangenen Jahr fest. 

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