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Gesundheit: Holetschek warnt vor Kahlschlag durch die Krankenhausreform

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Holetschek warnt vor Kahlschlag durch die Krankenhausreform

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    Holetschek sieht im Zuge der geplanten Krankenhausreform dramatische Einschnitte auf die medizinische Versorgung in Bayern zukommen. Er droht mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht.
    Holetschek sieht im Zuge der geplanten Krankenhausreform dramatische Einschnitte auf die medizinische Versorgung in Bayern zukommen. Er droht mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Foto: Marijan Murat

    Die Behandlung von Patientinnen und Patienten in Krankenhäusern soll künftig mehr nach medizinischen und weniger nach ökonomischen Kriterien erfolgen. Das empfiehlt die 17-köpfige "Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung" – für den Laien klingt das erst einmal gut. Doch die vorliegenden Vorschläge der Kommission lassen nach Einschätzung von Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek Schlimmes befürchten: "Mit dem derzeitigen Konzept drohen drastische Einschnitte in der bayerischen Krankenhauslandschaft", warnt der CSU-Politiker. "Wenn Bundesgesundheitsminister Lauterbach an den Plänen festhält, werden bewährte Strukturen zerstört, die wir weiterhin dringend benötigen. Das belegen die Ergebnisse des von mir in Auftrag gegebenen Gutachtens."

    Gerade die Versorgung im ländlichen Raum sei in Gefahr

    Auch der CSU-Gesundheitspolitiker Stephan Pilsinger hat "eine erste Grobeinschätzung", wie er sagt, auf Basis der Vorschläge der Regierungskommission in Verbindung mit dem aktuell gültigen Krankenhausplan des Freistaates Bayern erstellt und kommt ebenfalls zu dem Schluss, dass gerade für die Versorgung im ländlichen Raum große Gefahren drohen. 

    Wissen muss man dazu, dass die Krankenhäuser im Zuge der Reform in drei Levels eingeteilt und entsprechend gefördert werden sollen: Häuser mit dem Level I sollen die Grundversorgung gewährleisten, Häuser mit dem Level II die "Regel- und Schwerpunktversorgung", das sind Krankenhäuser, die im Vergleich zur Grundversorgung noch weitere Leistungen anbieten. Und dann gibt es auf Level III noch die Maximalversorger, beispielsweise die Universitätskliniken. Aus Pilsingers „Grobeinschätzung“ ginge hervor, dass ein Großteil der heute in Versorgungsstufe 1 zugeordneten bayerischen Regel- und Schwerpunktversorger mit bis zu 300 Betten in das künftige bundesweite Level I eingestuft würden und dass die betroffenen Häuser viele ihrer Leistungen und damit ihrer Fachabteilungen schließen müssten. Zugespitzt ausgedrückt wären die künftigen Level-1-Krankenhäuser laut Pilsinger „erweiterte Pflegeheime mit rudimentärer Basis- und Notfallversorgung“.

    Holetschek: 53 der 400 bayerischen Krankenhäuser würden herabgestuft

    Das Gutachten von Holetschek wiederum habe ergeben, dass 53 der rund 400 bayerischen Krankenhäuser (13 Prozent) herabgestuft würden und nur noch eine ambulant-stationäre Basisversorgung anbieten könnten, zum Beispiel bei Diabetes- und Kreislaufproblemen. „An diesen Häusern könnten keine Notfallversorgung und keine reguläre stationäre Versorgung mehr stattfinden.“ Mehr als 50 Krankenhäuser in Bayern "wären also keine vollwertigen Krankenhäuser mehr". Und auch bei den Häusern mit einem breiteren Versorgungsangebot würde sich das Angebot nach den Berliner Plänen verschlechtern. "Knapp 100 Krankenhäuser würden künftig nur noch eine stationäre Basisversorgung anbieten." Zahlreiche andere auch in der Fläche relevante Angebote würden nach der Konzeption des Bundes an diesen Häusern laut Holetschek wegfallen, "ein besonders gravierendes Beispiel ist die Geburtshilfe".

    Holetschek betont: "Eine gute Krankenhausversorgung darf nicht ein Privileg der Ballungsräume werden. Auch auf dem Land muss es erreichbare Angebote geben." Zwar sagt auch er klar: "Wir brauchen eine Krankenhausreform. Aber es darf kein Diktat der Wirtschaftlichkeit zulasten der Strukturen vor Ort geben." Er habe sich von Anfang an dagegen ausgesprochen, "eine so grundlegende Reform vom grünen Tisch aus im Blindflug zu beraten oder gar zu beschließen". Daher fordert er die Einberufung eines Krankenhaus-Gipfels mit den Ländern, mit dem Bundesfinanzminister und mit Klinikvertretern. "Ich werde es nicht hinnehmen, wenn die Planungshoheit der Länder durch die Reform ausgehebelt wird. Notfalls bin ich auch bereit, dafür nach Karlsruhe zu gehen und vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen."

    Krankenhausgesellschaft: Vorschläge hätten "dramatische Folgen"

    Wie schätzt aber nun die Bayerische Krankenhausgesellschaft die ganze Debatte ein? Roland Engehausen, Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft, sagt: "Würden die Vorschläge so, wie sie jetzt vorliegen, 1:1 umgesetzt werden, hätte das in der Tat dramatische Folgen für die bayerische Krankenhauslandschaft und damit auch für die medizinische Versorgung der Menschen. Doch ich bin überzeugt davon, dass dies so nicht realisiert wird. Denn das, was jetzt auf dem Tisch liegt, sind Vorschläge, Ideen der Regierungskommission. Diese Vorschläge müssen jetzt mit den Ländern erst einmal diskutiert werden." Auch dass eine Reform nötig ist. Und sie wird, wie er im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt, dazu führen, dass manche Klinikstandorte auch in Bayern zu ambulanten medizinischen Versorgungszentren umgebaut werden. Gleichwohl muss infolge der Reform eine gut erreichbare und qualitätsvolle medizinische Versorgung garantiert sein

    Was Engehausen momentan auch Sorge bereitet: Geht es nach Bundesgesundheitsminister Lauterbach, soll die Reform zu keinen Mehrkosten führen, das Geld soll nur umverteilt werden. Nun gebe es aber sogar Stimmen aus der Regierungskommission selber, die davon ausgehen, dass die Reform doch 70 bis 100 Milliarden Euro zusätzlich kosten wird. „Woher soll dieses Geld kommen?“, fragt Engehausen.

    Und ein weiterer Punkt treibt Engehausen um: der eklatante Pflegekräftemangel. Lauterbach geht davon aus, dass bei einer Reduzierung der Krankenhäuser und bei verstärkten ambulanten Behandlungen, weniger Pflegekräfte künftig gebraucht werden. Was er nach Einschätzung von Engehausen dabei übersieht, ist die mangelnde Mobilität von Pflegekräften: "Wir wissen aus Umfragen, dass Pflegekräfte um die 20 Kilometer als Arbeitsweg in Kauf nehmen. Auch dies muss bei einer Reform berücksichtigt werden."

    Allgäuer Klinikchef fühlt sich im Stich gelassen

    Wie aber beurteilen die Betroffenen vor Ort die Reformvorschläge? Andreas Ruland ist Geschäftsführer des Klinikverbunds Allgäu, zu dem Häuser in Immenstadt, Kempten, Mindelheim, Oberstdorf, Ottobeuren und Sonthofen gehören. Er kann die Bedenken von Bayerns Gesundheitsminister nachvollziehen: "Das Problem ist: Die Deutsche Krankenhausgesellschaft sagt, die Vorschläge sind nur eine Diskussionsgrundlage. Doch Bundesgesundheitsminister Lauterbach spricht bereits von einem guten Ergebnis, das Kosten spart und medizinische Qualität sichert. Ich frage mich: Was stimmt jetzt?"

    Was Ruland vor allem kritisiert: "Wir vor Ort wissen gar nicht, was die Vorschläge der Reformkommission, also die Einordnung in Level, ganz konkret für uns bedeuten. Welche konkreten Folgen hat das für uns? Das ist doch kein vertrauensvolles Vorgehen vonseiten des Bundesgesundheitsministers, wenn er uns so im Regen stehen lässt." Zumal die Kliniken erst vor kurzem schlechte Erfahrungen mit finanziellen Zusagen vonseiten des Bundesgesundheitsministers gemacht haben: "Von den Energiehilfen kam in unserem Klinikverbund null Komma null an", sagt Ruland. "Und als Inflationsausgleich gerade einmal drei Millionen Euro, das ist ein Tropfen auf dem heißen Stein. So schafft man kein Vertrauen in die Gesundheitspolitik."

    Lauterbach spricht von unnötiger Panikmache

    Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach wies jegliche Vorwürfe zurück und wandte sich gegen Panikmache. "Ziel der Krankenhausreform ist es, unnötige Klinikschließungen zu vermeiden und flächendeckend eine qualitativ hochwertige Versorgung auch in ländlichen Regionen sicherzustellen", erklärt der SPD-Politiker. Das System der Fallpauschalen habe die Krankenhäuser zu stark ökonomischen Zwängen ausgesetzt. "Viele Krankenhäuser sind von der Schließung bedroht, wenn sich nichts ändert. Jetzt hat die Regierungskommission Vorschläge erarbeitet, die jetzt von Bund und Ländern in einem vereinbarten Verfahren konkretisiert werden.

    Ziel ist es, den Krankenhäusern Pauschalen für die Vorhaltung einer guten Versorgung zu geben." Die Länder könnten dann besser planen, wo Krankenhäuser gebraucht werden. "Insofern ist es reine Panikmache, bereits jetzt konkrete Krankenhäuser zu benennen, die aufgrund der Reform von Schließung bedroht sind oder gar von einem 'Kahlschlag' zu sprechen. Fest steht: Ohne Reform würden viele Krankenhäuser ungesteuert Insolvenz anmelden müssen." Mit der Reform bekämen Krankenhäuser wieder eine Perspektive.

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