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Lesetipp: Dick und depressiv: So leiden Kinder unter den Folgen der Pandemie

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Dick und depressiv: So leiden Kinder unter den Folgen der Pandemie

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    Wenig Bewegung, schlechte Ernährung: Viele Kinder haben in der Pandemie zugenommen.
    Wenig Bewegung, schlechte Ernährung: Viele Kinder haben in der Pandemie zugenommen. Foto: Markus Scholz, dpa (Symbolbild)

    859 Tage sind vergangen, seit der erste Corona-Fall in Deutschland bestätigt wurde. 859 Tage, in denen das Leben vieler Menschen völlig auf den Kopf gestellt wurde. Jener 27. Januar 2020, an dem bekannt wurde, dass sich ein Mann aus Kaufering mit dem Virus aus Fernost infiziert hatte, war der Anfang einer Pandemie, die gewaltige Folgen hatte. Vor allem Kinder und Jugendliche spüren die Auswirkungen. Und zwar massiv. Körperlich. Und seelisch.

    Es gibt derzeit mehrere Studien und Untersuchungen, die sich mit den Folgen der Corona-Pandemie auf die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen befassen. Darunter eine repräsentative Eltern-Umfrage, die die Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG) und das Else Kröner-Fresenius-Zentrum (EKFZ) für Ernährungsmedizin an der Technischen Universität München eben erst vorgestellt haben. Im Fokus steht dabei das Körpergewicht. Die erschreckende Erkenntnis: Jedes sechste Kind ist seit Beginn der Pandemie dicker geworden, fast die Hälfte bewegt sich weniger als zuvor, etwa ein Viertel isst mehr Süßigkeiten. Für die Studie hatte das Meinungsforschungsinstitut Forsa im März und April 2022 insgesamt 1004 Eltern mit Kindern im Alter zwischen drei und 17 Jahren befragt.

    "Eine Gewichtszunahme in dem Ausmaß wie seit Beginn der Pandemie haben wir zuvor noch nie gesehen"

    Die Ergebnisse überraschen sogar die Experten: „Eine Gewichtszunahme in dem Ausmaß wie seit Beginn der Pandemie haben wir zuvor noch nie gesehen. Das ist alarmierend“, sagt Dr. Susann Weihrauch-Blüher von der DAG. Denn Übergewicht könne schon bei Kindern und Jugendlichen zu Bluthochdruck, einer Fettleber oder Diabetes führen, erklärt die Medizinerin.

    Zudem hat die Pandemie der Umfrage zufolge das gesundheitliche Ungleichgewicht weiter verschärft: Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen Familien sind der Erhebung zufolge doppelt so häufig von einer ungesunden Gewichtszunahme betroffen wie Kinder und Jugendliche aus einkommensstarken Familien. Besonders zugenommen haben auch Kinder, die schon vor der Pandemie mit zu vielen Pfunden zu kämpfen hatten. Bei der Altersverteilung fielen vor allem die Zehn- bis Zwölfjährigen negativ auf.

    Experte fordert Werbebeschränkung für ungesunde Lebensmittel

    Prof. Dr. Hans Hauner, Direktor des EKFZ und Vorstandsmitglied der DAG, ist alarmiert. „Man sieht, dass die Pandemie massive Auswirkungen auf die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen hat“, sagt er bei der Vorstellung der Daten. „Und das scheint nicht temporär zu sein. Das hat sich verfestigt.“ In den nächsten Jahren werde man die Folgen sehen. „Wir haben mehr Krankheiten zu erwarten, die von Übergewicht getriggert werden“, warnt Hauner.

    Die Politik müsse deshalb umgehend mehr Bewusstsein für dieses Thema schaffen, fordert der Münchner Ernährungsmediziner. Dazu gehöre etwa ein Werbeverbot oder zumindest eine Werbebeschränkung für ungesunde Lebensmittel. „Es wäre auch überfällig, Obst und Gemüse von der Mehrwertsteuer zu befreien.“ In anderen Ländern gebe es eine Zuckersteuer, der Konsum sei dort stark gesunken. Außerdem müsse die Finanzierung der Adipositas-Therapie durch die Krankenkassen zur Regel werden. „Wir brauchen ein Paket an Maßnahmen, eine gezielte Ernährungspolitik“, sagt Hauner. „Sonst holen uns die Folgen ein. Es besteht wirklich ernster Handlungsbedarf.“

    Kinder aus einkommensschwachen Familien leiden besonders

    In der Erhebung ging es nicht nur um körperliche Veränderungen, es wurde auch nach der seelischen Stabilität der Kinder gefragt. Das Ergebnis: 43 Prozent der Kinder und Jugendlichen sind durch die Pandemie „mittel“ oder „stark“ belastet. Auch hier stechen Kinder aus einkommensschwachen Familien heraus. Sie sind mehr als doppelt so oft „stark“ belastet wie Kinder aus finanziell gut gestellten Familien.

    Dass sich die Pandemie auf die Psyche von Heranwachsenden ausgewirkt hat, zeigt auch ein Report der DAK, der drittgrößten Krankenkasse Deutschlands. Demnach nahmen 2021 die Behandlungszahlen von Jugendlichen mit Depressionen und Essstörungen im Vergleich zum Vorjahr merklich zu. So kamen im Vergleich zu 2020 28 Prozent mehr 15- bis 17-Jährige mit Depressionen und 17 Prozent mehr ältere Teenager mit

    Mehr Depressionen und Essstörungen bei Kindern und Jugendlichen

    Auch bei emotionalen Störungen – insbesondere Ängste – war ein Plus der Behandlungen zu verzeichnen: 2021 wurden 42 Prozent mehr 15- bis 17-Jährige aufgrund von emotionalen Störungen stationär versorgt als 2020. „Unser aktueller Kinder- und Jugendreport zeigt, wie sehr Jungen und Mädchen in der Pandemie leiden. Der starke Anstieg bei Depressionen oder Essstörungen ist ein stiller Hilfeschrei, der uns wachrütteln muss“, sagt Andreas Storm, Vorstandschef der DAK-Gesundheit, in einem Pressestatement.

    Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) fordert angesichts solcher Daten von der Bundesregierung mehr Tempo beim Umgang mit den Folgen der Corona-Pandemie für Kinder und Jugendliche. Mit Blick auf die vor Kurzem erschienene DAK-Studie betont er: „Der starke Anstieg etwa bei Depressionen zeigt, dass rasch gehandelt werden muss. Die Betroffenen brauchen Unterstützung.“ Es sei deshalb zu begrüßen, dass sich die DAK für die Einrichtung einer Enquete-Kommission einsetze, meint der Minister. Eine solche Kommission habe die Gesundheitsministerkonferenz auch schon im vergangenen Juni vom Bund gefordert, um unter anderem zu den Folgen der Corona-Pandemie einen länderübergreifenden interdisziplinären Sachstandsbericht für ganz Deutschland zu erstellen und Maßnahmenvorschläge zu erarbeiten. „Leider hat die

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