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Gesetze: Wie die CSU der Ampel immer wieder in die Quere kommen will

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Wie die CSU der Ampel immer wieder in die Quere kommen will

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    Markus Söder (rechts) im Gespräch mit Olaf Scholz (Mitte) und Christian Lindner.
    Markus Söder (rechts) im Gespräch mit Olaf Scholz (Mitte) und Christian Lindner. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Von Cannabis hält die CSU reichlich wenig, und dass sie die Legalisierung gerne verhindert hätte, daraus hat sie nie einen Hehl gemacht. Doch all das Klagen half nichts: Weil die Union nicht mehr in der Bundesregierung ist, musste sie sich der Gesetzgebung der Ampel beugen, seit 1. April ist

    Wenig später erließ sie ein Gesetz, das Kiffen in Biergärten, der Gastronomie und auf Volksfesten verbot. Manch einer wunderte sich: Kann Bayern einfach eigene Gesetze erlassen, die etwas anderes besagen als das, was der Bund vorgibt? Die einfache Antwort lautet: Nein, natürlich nicht. Und trotzdem ist der bayerische Vorstoß zulässig – zumindest vorerst. Und er ist Teil einer Taktik, die die CSU schon länger verfolgt.

    So stellt sich die CSU gegen die Grünen

    Die Partei geht wie kaum eine andere der etablierten demokratischen Kräfte auf Opposition zu den Ampelparteien, befindet der Politikwissenschaftler Christoph Knill von der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität. Dafür gibt es für ihn mehrere Gründe: Zum einen versuche die Partei, sich stark von den Grünen abzugrenzen und deren Politik vor allem mit Ablehnung zu begegnen. Das habe man etwa erkannt, als der Koalitionspartner, die Freien Wähler, im vergangenen Jahr wegen der Flugblattaffäre um Parteichef Hubert Aiwanger unter Druck stand. Für Knill hätte die CSU hier die Möglichkeit gehabt, sich von Aiwanger zu lösen und auf die Grünen zuzugehen – was sie aber nicht wahrnahm.

    Ein beliebtes Stilmittel der CSU und ihres Chefs Markus Söder sei die "Moralpolitik", wie Knill es nennt. Dabei gehe es weniger um materielle Interessen und Details, sondern um Grundwerte – und ob man dafür oder dagegen ist. Das treffe auf die Cannabis-Legalisierung genauso zu wie auf die Frage, ob man Gendern verbietet oder weiter auf Atomkraft setzt. Letztlich werde aus Politik so ein Kulturkampf, in dem für inhaltlich anspruchsvolle Diskussionen kein Platz ist. Die Annahme liegt nahe: Die CSU versteht sich als Fundamentalopposition, vor allem zu den Grünen – aber weil die durchaus zentralen Projekte der Regierung prägen, auch gleich zur ganzen Ampel. Dass sich dabei vor allem die CSU so hervortut, liegt für Knill nicht zuletzt an deren Parteichef.

    Markus Söder, die Grünen und sein Streben nach dem Kanzleramt

    Für den Politologen ist klar, dass Markus Söder weiterhin Ambitionen hat, einmal Bundeskanzler zu werden. "Deshalb versucht er im extremen Maße, sich als Gegenspieler der Grünen zu profilieren", sagt Knill. Er versuche, aufzufallen und zu polarisieren, um sich selbst stärker ins Zentrum zu rücken. Viele Aussagen Söders nennt Knill "populistisch". Und auch die besondere Position der CSU im Parteienspektrum spielt für Knill eine Rolle.

    Denn die Partei profitiert zwar im Bundestag von den Stimmen der Schwesterpartei CDU und bildet mit ihr so eine größere und schlagkräftigere Fraktion. Doch als Partei kann sie eigenständig agieren und habe so einen größeren Spielraum, polarisierende Positionen zu vertreten, etwa weil sie sich nicht mit CDU-Landesverbänden abstimmen muss. "Und traditionell nutzt die CSU diesen Spielball auch", sagt Knill – etwa in Form von Verordnungen und Gesetzen, die die Staatsregierung in München gemeinsam mit den ähnlich gepolten Freien Wählern durch den Landtag bringen kann. Im Fall des Cannabis-Gesetzes soll damit sogar ganz offensichtlich ein von der Ampel beschlossenes Gesetz auf Länderebene eingeschränkt werden – für Knill ist das ein politisches Signal.

    So soll das Zeichen gesetzt werden, dass man sich gegen das Cannabis-Gesetz und andere Ampelvorhaben wehrt. In Kauf genommen wird dabei sogar, die Legitimität der Bundesregierung infrage zu stellen, auch wenn diese demokratisch gewählt wurde. Erkennbar sind solche Versuche schon in einigen Aussagen Söders, wenn er etwa den Grünen die Regierungsfähigkeit abspricht, das Ende der Koalition fordert oder Bayern als "ampelfreie Zone" bezeichnet. "Was falsch ist, muss auch benannt werden dürfen", kommentiert ein Parteisprecher das Vorgehen der CSU. Die Unzufriedenheit mit der Bundesregierung sei seit Monaten auf einem Rekordhoch, die Ampel sei es, die sich mit ideologischer Klientelpolitik befasse. Währenddessen "bleiben die wichtigen Probleme wie Rezession, Migration und Wirtschafts- wie Energiekrise ungelöst. Auf diese falsche Priorisierung wird die CSU weiter hinweisen", argumentiert der Sprecher. Ein Bundesgesetz nun mit eigenen Landesgesetzen teils umgehen zu wollen, gehört offenbar auch zu diesen Mitteln.

    Cannabis-Gesetz in Bayern: Wo darf die CSU Kiffen verbieten?

    Denn dass es der CSU und dem Freistaat überhaupt zusteht, erweiterte Kiffverbote für Bayern zu erlassen, ist höchst umstritten. Der Würzburger Juraprofessor Kyrill-Alexander Schwarz sieht darin ein "verfassungsrechtliches Risiko" und geht davon aus, dass die Gültigkeit des bayerischen Gesetzes noch gerichtlich geklärt werde. Seiner Einschätzung nach sei nämlich die Frage, wo Kiffen erlaubt und wo es verboten ist, durch das Bundesgesetz bereits abschließend geklärt. Die Regeln würden damit in ganz Deutschland gelten – dass Bayern hier eigene Vorschriften erlassen will, sei demnach gar nicht möglich. Letztlich gehe es hier um eine Kompetenzfrage: Lässt ein Bundesgesetz in einzelnen Punkten Interpretationsspielraum, so dürfen die Länder dazu tatsächlich ergänzende Regeln erlassen. Doch im Cannabis-Gesetz sieht Schwarz diesen Spielraum an dieser Stelle gar nicht.

    Möglich wäre es dem Freistaat jedoch, auf den ihm gehörenden Liegenschaften wie etwa Verwaltungsgebäuden oder Schlössern ein Verbot durchzusetzen – und das mithilfe des Hausrechts. Grundsätzlich auf Volksfesten und in Biergärten Cannabis zu verbieten, nennt Schwarz aber "übergriffig". Dennoch: Bestand haben wird das Gesetz zumindest vorerst. Bis auf Widerruf – wenn es etwa als verfassungswidrig einkassiert würde. Die CSU kann so also öffentlich ihren Widerspruch zeigen – und die Verantwortung abtreten, wenn ihre Gesetze von Gerichten kassiert werden. Und das bei überschaubarem Risiko: Eine Strafe dafür, ein verfassungswidriges Gesetz beschlossen zu haben, gibt es gesetzlich nicht.

    Aus der CSU heißt es zu dem Gesetz auf Anfrage, die Cannabis-Legalisierung der Ampel sei "ein schwerer Fehler". Sie gefährde die Gesundheit und den Jugendschutz massiv und lade Dealer zu neuen Geschäften ein. "Bayern handelt dort, wo es rechtlich möglich ist", sagt ein Parteisprecher. Die Frage, auf welcher Grundlage sich der Spielraum für eine eigene Gesetzgebung auf Landesebene bietet, bleibt in dem Statement unbeantwortet.

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