"Holy Shit - Let us dance!" Pünktlich zur Karwoche wird wieder Kritik am Tanzverbot für Stille Tage laut. Warum sollen denn diejenigen sich ruhig verhalten müssen, die an Gott nicht glauben und auch nicht an den Gottessohn am Kreuz?
Das fragt sich auch Assunta Tammelleo, Vorsitzende des religionskritischen Bundes für Geistesfreiheit (bfg) München. "Das ist doch hanebüchen", sagt sie und zitiert Zahlen, wonach nur noch 24,7 Prozent der Münchner der katholischen Kirche angehören und 9 Prozent der evangelischen.
Zwei Drittel der Bewohner der Landeshauptstadt haben mit der Kirche also demnach - zumindest auf dem Papier - wohl nicht (mehr) viel am Hut. Vor Ostern, wenn endlich mal viele frei haben, dürfen sie aber trotzdem nicht tanzen.
Aus Protest gegen diese Regelung und zur Forderung nach einer Trennung von Kirche und Staat hat der bfg nun aufgerufen zu einer Demonstration an Gründonnerstag unter dem oben genannten Motto "Holy Shit - Let us dance!" und außerdem zum Protest-Tanzen in Clubs in München, Nürnberg und Regensburg.
Möglich macht das eine Ausnahmeregelung, die das Bundesverfassungsgericht 2016 formuliert hat. "Demnach sind an Karfreitag und allen anderen acht Stillen Tagen Ausnahmen möglich, wenn Feste und Feiern Ausdruck einer weltanschaulichen Abgrenzung gegenüber christlichen Glaubensbekenntnissen sind", betont Tammelleo. "Das trifft auf die Veranstaltungen und Partys des bfg München zu."
In Bayern sind neun Tage im Jahr als sogenannte Stille Tage bestimmt: Aschermittwoch, Gründonnerstag, Karfreitag, Karsamstag, Allerheiligen, Volkstrauertag, Totensonntag, Buß- und Bettag und der Heilige Abend. In den anderen Bundesländern variiert die Anzahl nach Angaben des bayerischen Innenministeriums zwischen drei und sieben.
Auf die Frage, ob diese Regelung in Zeiten massenhafter Kirchenaustritte noch zeitgemäß ist, heißt es aus dem Ministerium: "Christen gedenken am Karfreitag des Leidens und Sterbens Jesu Christi am Kreuz. Der Tag ist damit einer der wichtigsten christlichen Feiertage. In der katholischen Kirche ist der Karfreitag ein strikter Fast- und Abstinenztag." Und: "Stille Tage bieten jedem eine wichtige Möglichkeit der inneren Einkehr, der Besinnung und des Gedenkens. Die Beschränkungen an den Stillen Tagen stehen mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang und belasten Veranstalter und Bürger nicht über Gebühr."
Ein sogenanntes Tanzverbot bestand in Bayern nach Ministeriumsangaben mindestens seit der "Verordnung über Tanzlustbarkeiten" vom 31. Oktober 1921, ausdrücklich gesetzlich verankert wurde es dann nach 1945. Zwischenzeitlich - in den 1970er Jahren - galten in Bayern sogar 13 Tage als Stille Tage.
Heute sind die Ordnungsämter zuständig dafür, durchzusetzen, dass es an Stillen Tagen still bleibt. Geldbußen von bis zu 10 000 Euro sind nach Angaben des Innenministeriums möglich.
2021 waren die Stillen Tage nach Angaben einer Ministeriumssprecherin zum letzten Mal Thema im bayerischen Landtag. Damals wurde ein Gesetzentwurf abgelehnt, der vorsah, dass sämtliche Kulturveranstaltungen und Veranstaltungen in Live-Musikstätten und Clubs an allen Stillen Tagen erlaubt sind - mit Ausnahme des Karfreitags und des Buß- und Bettages. Der Landtag lehnte den Gesetzentwurf damals mehrheitlich ab.
Mit der vom Bundesverfassungsgericht formulierten Ausnahmeregelung soll nun aber doch getanzt werden - zumindest in München und Regensburg. Die Stadt Nürnberg hat das geplante Protest-Feiern verboten. Die Anträge des bfg auf Ausnahmegenehmigungen für 14 Lokale unter dem Motto "Nürnberg will tanzen" wurden abgelehnt, wie der stellvertretende Leiter des Ordnungsamtes, Robert Pollack, der Deutschen Presse-Agentur sagte.
Die Anträge in Nürnberg seien zu pauschal gewesen. "Wir haben einfach nur für 14 Locations, für 14 Clubs, einen pauschalen Antrag bekommen, aus dem nicht zu entnehmen ist, warum eine Befreiung begründet ist", sagte Pollack. Darum haben man keine Genehmigungen erteilen können.
Tammelleo kündigte an, juristisch gegen die verweigerte Genehmigung in Nürnberg vorzugehen. Dann wäre das Verwaltungsgericht Ansbach am Zug und müsste zügig entscheiden.
(Von Britta Schultejans, dpa)