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Lesetipp: Generation Glimmstängel: Deutlich mehr Jugendliche rauchen

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Generation Glimmstängel: Deutlich mehr Jugendliche rauchen

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    Immer mehr Jugendliche greifen zur Zigarette. Expertinnen und Experten sind deshalb besorgt.
    Immer mehr Jugendliche greifen zur Zigarette. Expertinnen und Experten sind deshalb besorgt. Foto: dpa-tmn / Christin Klose

    Neuseeland ist nicht nur geografisch betrachtet weit weg. Auch was das Rauchen angeht, liegen zwischen dem Inselstaat im Südpazifik und Deutschland Welten. Denn: Wer nach 2008 geboren wurde, darf in

    Derweil plagt man sich in Deutschland gerade mit den Ergebnissen einer Studie herum, die in eine ganz andere Richtung gehen: Es greifen wieder deutlich mehr Jugendliche zur Zigarette – der Anteil der Raucherinnen und Raucher bei den 14- bis 17-Jährigen ist im Jahr 2022 auf 15,9 Prozent gestiegen, wie aus Zahlen der regelmäßig durchgeführten Deutschen Befragung zum Rauchverhalten (Debra) – gefördert vom Bundesgesundheitsministerium – hervorgeht. Im Vergleich zu 2021, wo nur 8,7 Prozent angaben, Zigaretten oder Tabak in anderer Form zu konsumieren, ist das fast eine Verdopplung. Der Schnitt der sechs Vorjahre betrug gut zehn Prozent – ebenfalls deutlich weniger als jetzt.

    Hausarzt Berger: Rauchen schadet dem Immunsystem

    Bei Expertinnen und Experten schrillen deswegen die Alarmglocken. Dr. Jakob Berger etwa, der Sprecher der schwäbischen Hausärzte, warnt eindringlich vor den Gefahren durch den Nikotinkonsum. „Jugendliche, die rauchen, haben öfter Erkältungen, weil das Immunsystem negativ beeinflusst wird“, sagt er. Außerdem hätten sie verstärkt Husten, weil die Flimmerhärchen in der Bronchialschleimhaut gelähmt würden – später könnten sie völlig zerstört werden.

    Angesichts der steigenden Zahlen rauchender Jugendlicher sei er „sehr besorgt“, sagt Berger im Gespräch mit unserer Redaktion. Denn es gebe schließlich nicht nur akute gesundheitliche Beeinträchtigungen, sondern auch langfristige – etwa ein erhöhtes Risiko für Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Durch das Rauchen sinke die Lebenserwartung deutlich, sagt Berger. „81 Prozent der Nichtraucher erreichen das 70. Lebensjahr. Bei den Rauchern sind es nur 58 Prozent. Leider interessiert das viele Jugendliche nur wenig. Man muss dringend mehr Bewusstsein schaffen.“

    Rauchen galt in den vergangenen Jahren als uncool

    Das Bewusstsein scheint sich in der Tat verändert zu haben: In den vergangenen Jahren galt das Rauchen unter jungen Menschen als ziemlich out, wie die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung jahrelang berichtet hatte. Umfragedaten aus dem Jahr 2019 spiegelten sogar den tiefsten Stand seit den 1970er Jahren wider, hieß es. Jetzt scheint der Griff zum Glimmstängel wieder in zu sein.

    Warum das so ist, darauf versucht Dr. Tomasz Jarczok, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie am Josefinum, Antworten zu finden. Die in der Debra-Studie beschriebene Verdoppelung der jugendlichen Raucherinnen und Raucher binnen eines Jahres sei außergewöhnlich, sagt er. So außergewöhnlich, dass man noch einmal genau prüfen müsse, ob das zu einem gewissen Maß auch an der Methodik der Befragung liegen könnte. Auf der anderen Seite räumt Jarczok ein, dass die Corona-Pandemie das Leben junger Menschen so extrem durcheinandergewirbelt habe, dass man sich dadurch einen steigenden Konsum diverser Suchtmittel durchaus erklären könne. „Wenn sich Zahlen so rapide ändern, muss man sich fragen, welches einschneidende Ereignis es gegeben hat. Und dass die Pandemie so ein Ereignis war, das dürfte allen klar sein.“

    Jugendliche sind anfälliger für Suchterkrankungen

    Längst wird nicht nur mehr geraucht. Jarczok zufolge werden auch Beruhigungsmittel wie Valium verstärkt konsumiert. Gleiches gelte für Opiate. Mit ernsten Folgen. „Bei Jugendlichen ist das Gehirn noch in einem Reifungsprozess und somit anfälliger für eine Suchtentwicklung“, erklärt der Experte gegenüber unserer Redaktion. Er sehe in seiner Arbeit immer wieder Jugendliche, die bereits nach einem halben Jahr intensiven Konsums, etwa von Cannabis, abhängig seien. „Jugendliche haben einfach ein höheres Risiko, eine Sucht zu entwickeln als Erwachsene. Und umgekehrt gilt: Die allermeisten Erwachsenen, die süchtig sind, haben bereits im Jugendalter angefangen, etwas zu konsumieren.“ Das gelte für nahezu alle Substanzen. Auch für Nikotin.

    So hören Sie mit dem Rauchen auf

    Nikotinkaugummis und -pflaster: Diese Hilfsmittel sorgen dafür, dass man nicht von Hundert auf Null gehen muss. "Man kann sich erst einmal darauf konzentrieren, seine Gewohnheiten zu ändern, bekommt das Nikotin aber weiter", erklärt Gabriele Bartsch von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS).

    Aber: Auch Kaugummis und Pflaster muss man nach und nach herunterdosieren, mahnt sie. Wie lange die Einnahme höchstens empfohlen wird, steht auf der Packung.

    Weniger rauchen: "Dazu gehört sehr viel Disziplin und sehr viel Motivation", sagt Bartsch. Denn auch beim Reduzieren wird das Suchtgedächtnis immer weiter "gefüttert". "Für die meisten ist es weniger anstrengend, sich einen fixen Schlusspunkt zu setzen und das dann auch durchzuhalten."

    Nicht aufgeben: "Auch ein zeitweiliger Rauchstopp ist gut" betont Bartsch. Wer schon mal für ein halbes Jahr oder auch zwei Jahre aufgehört hat, hat zumindest die Erfahrung gemacht: "Ich kann das". "Dadurch wird die Chance, es wieder zu schaffen, nicht schlechter, sondern besser."

    Positiv denken: Wer gerade die ersten Tage oder auch Wochen nicht mehr raucht, sieht eigentlich nur, was ihm weggenommen wird. Deshalb ist es wichtig, sich immer wieder in Erinnerung zu rufen, was das Aufhören alles Positives bewirkt.

    "Es gibt auch Apps, die einen dabei unterstützen. Allerdings ist bislang keine wissenschaftlich evaluiert", sagt Bartsch. Die Apps senden Push-Mitteilungen, in denen etwa steht, wie sehr sich das Herz schon erholt hat. Oder die App rechnet das bereits eingesparte Geld zusammen.

    Stark bleiben: "Meistens ist es nur ein kurzer Moment, den man überbrücken muss, bis die Motivation wieder einen Push bekommt", sagt Bartsch. Aber in dem kleinen Zeitraum sollte man möglichst nicht das tun, was vorher mit dem Rauchen verbunden war, rät Bartsch.

    Sich ablenken: Was in kritischen Situation hilft, muss jeder für sich herausfinden, betont Bartsch. Manch einer dreht eine Runde um den Block oder den Wald, manche fangen an zu putzen und wieder andere machen zehn Kniebeugen, statt eine zu rauchen.

    Im Freistaat sterben dem bayerischen Gesundheitsministerium zufolge jedes Jahr 16.000 Menschen an den Folgen des Rauchens. „Nur durch konsequenten Rauchverzicht lassen sich diese Todesfälle und viele weitere Erkrankungen vermeiden“, sagt Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) gegenüber unserer Redaktion. Es sei wichtig, insbesondere Kinder und Jugendliche vor den Gefahren des Rauchens zu schützen – das schließe auch Wasserpfeifen und E-Zigaretten ein. Denn insbesondere der Konsum solcher E-Zigaretten werde immer beliebter. „Diese enthalten neben Nikotin zahlreiche andere schädliche Chemikalien und Substanzen, über deren langfristige gesundheitliche Effekte derzeit wenig bekannt ist“, sagt der Minister. Es gebe Hinweise darauf, dass beim Konsum krebserzeugende Stoffe entstünden, die eingeatmet werden, sowie Mikropartikel, die in der Lunge Entzündungsreaktionen auslösen könnten. „Daher müssen wir auch weiterhin über solche Alternativprodukte konsequent aufklären“, sagt Holetschek.

    Bayern will europaweites Verbot von Einweg-E-Zigaretten

    In Bayern gebe es bereits mehrere Präventionsangebote. Doch angesichts der aktuellen Zahlen der aufsehenerregenden Debra-Raucherstudie sei klar: „Wir dürfen nicht nachlassen, sondern müssen das Thema Prävention gerade bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen weiterhin verstärkt in den Fokus nehmen“, wie Holetschek betont. 

    Der Ministerrat habe am Dienstag zudem eine bayerische Bundesratsinitiative zum Verbot von Einweg-E-Zigaretten beschlossen, fügt der Gesundheitsminister hinzu. Das Ziel: ein Verkaufsverbot auf EU-Ebene. „Einweg-E-Zigaretten sind nämlich nicht nur eine Gefahr für die Gesundheit ihrer Konsumenten, sie belasten durch die eingebauten Akkus und elektronische Komponenten auch unsere Umwelt.“ 

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