Bayern möchte keine Schüler:innen, keine Student_innen und keine Dozent*innen in seinen Bildungseinrichtungen und Behörden. Der Ministerrat hat am Dienstag offiziell ein Verbot der gendersensiblen Sprache in der dienstlichen Kommunikation beschlossen. Lehrkräfte etwa müssen sich auch bei Schreiben an Eltern und im Unterricht an die Vorgaben halten.
Erkennbar nur wenig Lust, zu dem Votum Stellung zu nehmen, gab es am Dienstag in der Opposition. Die Grünen reagierten erst auf Anfrage. „Reden und reden lassen, schreiben und schreiben lassen. So sehen wir Grüne das. Wir trauen den Menschen in Bayern zu, dass sie selbst wissen, wie sie ihre Sprache verwenden. Dafür braucht’s weder Zwang noch ein weiteres Verbot der CSU“, erklärte die Abgeordnete Julia Post und fügte hinzu: „Als Sprecherin für Gleichstellung wundere ich mich schon sehr über die Prioritätensetzung der Söder-Regierung.“ Die Zahl der Gewalttaten an Frauen etwa bleibe einer aktuellen Grünen-Anfrage zufolge in Bayern alarmierend hoch. „Dazu hätte das Kabinett heute auch konkrete Maßnahmen auf den Weg bringen können.“ SPD-Fraktionschef Florian von Brunn sagte nur: „Die Menschen sollen sprechen, wie sie wollen.“ SPD-Bildungsexpertin Nicole Bäumler fügt hinzu: „Gerade an den Schulen sollten CSU und Freie Wähler lieber den eklatanten Lehrkräftemangel angehen.“ Die AfD hingegen begrüßt die Entscheidung gegen – wie sie es nennt – „ideologische Sprachverhunzung“. "Linksgrüne Sprach- und Sprechvorgaben" würden Bürger bevormunden und die Gesellschaft spalten.
Genderverbot in Bayern: Genderzeichen zählen nicht als Fehler in der Schule
Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands, hätte sich „mehr Freiheiten für die Schulen gewünscht“. Gleichzeitig aber hatte ihr Verband befürchtet, dass die Regierung auch in den mündlichen Sprachgebrauch an Schulen eingreifen könnte. Fleischmann ist froh, dass solche Verbote ausgeblieben sind. „Schülerinnen und Schüler müssen nicht um ihre Noten fürchten, wenn sie sich um eine geschlechtergerechte Sprache bemühen.“ Dem Vernehmen nach werden Genderzeichen nur angestrichen, aber nicht als falsch gewertet. Fleischmann und ihre 68.000 Verbandsmitglieder müssen sich übrigens nicht umstellen: Die Schreibweise „Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband“ ist auch künftig erlaubt.
Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) begründete die Entscheidung vom Dienstag damit, dass Sprache „klar und verständlich sein muss“. Außerdem gebe es „in bestimmten gesellschaftlichen Milieus viele missionarische Nutzer bei der Verwendung von Sprache“. Das sei nicht mit einer offenen Gesellschaft vereinbar. Das Kabinett wolle sicherstellen, dass niemand benachteiligt wird, wenn er oder sie auf geschlechtersensible Sprache verzichte. Bei der Mehrheit der Menschen in Bayern dürfte der Beschluss gut ankommen. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für unsere Redaktion hatten zuletzt drei Viertel ein Genderverbot befürwortet. Die Staatsregierung folgt damit dem Rat für deutsche Rechtschreibung. Das Gremium empfiehlt keine Sonderzeichen im Wortinneren, weil sie die Verständlichkeit beeinträchtigen könnten.
Von den Hochschulen waren am Dienstag noch kaum Reaktionen zu bekommen, sie erfuhren teils erst durch die Presse von dem Beschluss. Die Julius-Maximilians-Universität Würzburg verweist auf ihren bislang gültigen Sprach-Leitfaden. Gendersensible Sprache ist demnach ein Zeichen „höflicher und respektvoller Sprachverwendung“, die Variantenvielfalt sei zu respektieren. Denn: „Die deutsche Sprache gehört allen Menschen, die sie verwenden.“ In offiziellen Schreiben sind und waren Hochschulen bisher schon verpflichtet, auf Genderzeichen zu verzichten.
Verbot von Gendersprache trifft auf Unverständnis an Unis
In einem offenen Brief hatten im Dezember mehrere Tausend Hochschulangestellte und -gruppierungen gefordert, es den Hochschulen selbst zu überlassen, „wie sie in ihrer Sprache Gleichbehandlung ausdrücken wollen“. Einer der Unterzeichner ist Simon Goebel, Professor für Soziale Arbeit und Diversität an der Technischen Hochschule Augsburg. „Das Verbot geschlechtergerechter Sprache ist blanker Populismus“, sagte er jetzt unserer Redaktion. „Es schließt Teile der Gesellschaft aus, steht also gegen Vielfalt und gegen Inklusion. Damit werden in Schulen die Kinder und Jugendlichen mit rückwärtsgewandter Ideologie konfrontiert. Insbesondere im Bildungskontext solche Verbote durchzusetzen, schadet einer vorurteilsfreien Bildung und Erziehung.“