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Gendern: Verbände kritisieren Genderverbot in Bayern massiv

Gendern

Verbände kritisieren Genderverbot in Bayern massiv

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    "Gendern", hier die Anrede "Mitarbeiter*innen" in einem digitalen Informationsblatt, ist umstritten.
    "Gendern", hier die Anrede "Mitarbeiter*innen" in einem digitalen Informationsblatt, ist umstritten. Foto: Sebastian Gollnow, dpa (Symbolbild)

    Nach dem Verbot geschlechtersensibler Gendersprache an Bayerns Schulen, Hochschulen und Behörden üben mitgliederstarke Verbände im Freistaat scharfe Kritik an der Staatsregierung. Am Mittwoch äußerte sich etwa der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB) Landesverband Bayern: Es gelte, mit Ideen zu punkten, anstatt mit Verboten.

    "Das Verbot ohne konstruktive Alternativen zur Förderung der Gleichberechtigung ist ein bedauerlicher Rückschritt", kritisierte die Vorsitzende des nach eigenen Angaben mit rund 135.000 Mitgliedern größten Frauenverbandes in Bayern, Birgit Kainz. "Ein ausdrückliches Verbot des Genderns an Schulen und staatlichen Behörden ohne jede Form der Klarstellung zur Bedeutung von gendersensibler Sprache und Gleichberechtigung ist enttäuschend", so die KDFB-Vorsitzende. Sie betonte: Dabei müssten Sichtbarkeit, Vielfalt und Toleranz "gerade in der jetzigen Zeit gestärkt werden".

    "Genderverbot der Staatsregierung ist fadenscheinig begründet"

    Massive Kritik am Genderverbot, das Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im Dezember in einer Regierungserklärung angekündigt hatte, übte ebenfalls der BDKJ Bayern – der Dachverband katholischer Jugendverbandsarbeit im Freistaat. Man nehme das von der Staatsregierung beschlossene Genderverbot "schockiert" zur Kenntnis, erklärte er am Mittwoch. "Die Ausdrucksweise des Genderns gleichsam per Dekret für Beamte zu verbieten, schädigt das Leben unzähliger betroffener queerer Menschen", sagte die geistliche Verbandsleiterin Maria-Theresia Kölbl. "Auch unzählige katholische Heranwachsende werden nach Ostern in die Schulen und Universitäten gehen und sich mit einem Lehrbetrieb konfrontiert sehen, in dem ihre eigene Queerness nicht mehr frei als Lebenswirklichkeit thematisiert wird." 

    Der BDKJ-Landesvorsitzende Florian Hörlein reagierte mit völligem Unverständnis: "Echter, freier politischer Diskurs ist nur mit uneingeschränkten Ausdrucksmöglichkeiten, dem konstanten Bemühen um Aufklärung und dem Ringen um die besten Argumente möglich. Das Genderverbot der Staatsregierung bewirkt das exakte Gegenteil: Es ist fadenscheinig begründet und schüttet das Kind mit dem Bade aus."

    Während sich in einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für unsere Redaktion im Dezember noch drei Viertel der Menschen in Bayern für ein Genderverbot ausgesprochen hatten, zeigen sich die jetzt unmittelbar betroffenen Schülerinnen und Schüler entsetzt. Der bayerische Landesschülerrat (LSR), Bindeglied zwischen den 1,6 Millionen Schülerinnen und Schülern im Freistaat und der Politik, schreibt auf der Plattform X: "Wie Diskursräume in einer Gesellschaft offengehalten werden durch ein allgemeines Genderverbot, ist uns schleierhaft. Der bayerische LSR stellt sich gesammelt gegen das Genderverbot der bayerischen Regierung." Die Schülerinnen und Schüler beziehen sich auf eine Äußerung des Staatskanzleichefs Florian Herrmann (CSU) vom Dienstag: Es gehe mit dem Verbot auch darum, die "Diskursräume in einer liberalen Gesellschaft offenzuhalten", sagte der Politiker. Eine ideologisch geprägte Sprache etwa beim Gendern habe dagegen eine exkludierende Wirkung.

    Kritik kommt auch von Beamtenseite

    Ähnlich argumentiert Stefan Düll, Präsident des Deutschen Lehrerverbands. Er begrüßt das Verbot der Genderzeichen in Behörden, Schulen und Hochschulen. Im gesamten amtlichen Sprachgebrauch gehe es immer auch darum, deutlich zu machen, dass alle Menschen gemeint seien und nicht nur einzelne Gruppen, sagte der Schulleiter aus Neusäß im Kreis Augsburg nach der Entscheidung. "Missverständliche Formulierungen sind daher grundsätzlich zu vermeiden. Es geht um respektvolle Formulierungen, die damit auch gendersensibel sind, ohne es als solche zu markieren. Auch das Sternchen kann schließlich ausgrenzend verstanden werden." Wie genau ein solches Zeichen ausgrenzt, dazu sind keine Aussagen Dülls öffentlich geworden.

    Obwohl die Staatsregierung nicht näher benannte Konsequenzen bei Verstößen gegen die neuen Sprachregeln angekündigt hat, kommt auch von Beamtenseite Gegenwind – zumindest aus München. Florian Kraus (Grüne), Stadtschulrat der Landeshauptstadt, schreibt in einer Stellungnahme, dass für die städtische Verwaltung, also auch für städtische Schulen, außerhalb des Unterrichts die Allgemeine Geschäftsanweisung der Stadt München relevant sei - und die legt fest, auf eine geschlechterdifferenzierte Sprache zu achten. "Vor diesem Hintergrund", so Kraus, "möchte ich die städtischen Schulleiter*innen ermutigen, weiterhin den Gedanken von Toleranz und Antidiskriminierung in ihre Sprache und in den Unterricht aufzunehmen."

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