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Kommentar: Gendern in Bayern seit einem Jahr verboten – das ist reine Symbolpolitik

Kommentar

Ein Jahr Genderverbot: Söders Erlass war reine Symbolpolitik

Sarah Ritschel
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    Vor allem an Hochschulen gab es Widerstand gegen das Verbot von Sonderzeichen für geschlechtergerechte Sprache.
    Vor allem an Hochschulen gab es Widerstand gegen das Verbot von Sonderzeichen für geschlechtergerechte Sprache. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Es war Frühjahr 2024. Die Nachrichten waren voll mit brisanten Themen. Die Kitas klagten über chronische Unterfinanzierung. Die bayerischen Hausärzte fürchteten Engpässe in der medizinischen Versorgung. Kommunen berichteten von milliardengroßen Haushaltslücken. Und Markus Söder (CSU) führte ein Genderverbot ein. Vor genau einem Jahr hat die Staatsregierung Behörden und Schulen öffentlichkeitswirksam verboten, bei der schriftlichen Kommunikation geschlechtergerechte Sprache zu verwenden. Tabu sind etwa das sogenannte Binnen-I, das Gendersternchen und der Doppelpunkt innerhalb eines Wortes. Zeichen, die verdeutlichen, dass es Menschen gibt, die sich weder eindeutig als Mann noch als Frau identifizieren.

    Ein Jahr später ist klar: Das Genderverbot ist unnötig, es war reine Symbolpolitik. Weder gab es an den Verwaltungsgerichten Verfahren gegen Beamte, die unzulässig genderten, noch musste sich die Landesanwaltskammer mit Verstößen befassen. Das Kultusministerium meldet „keine besonderen Auswirkungen“ an den Schulen.

    Verstöße gegen das Genderverbot sind nicht bekannt

    Das ist nicht verwunderlich: Die Genderdebatte war ein populistisches Schein-Getöse. Bayern untersagte, was ohnehin nicht zulässig war. Sonderzeichen in der Verwaltungssprache waren in Dienstbehörden auch vor dem 1. April 2024 schon nicht vorgesehen. Vielerorts wurde diese Richtlinie still und selbstverständlich umgesetzt. Darüber hinaus, für das alltägliche Gespräch oder die Bewertung von gendernden Schülerinnen und Schülern, hatten Schulen und Hochschulen unkomplizierte und faire Lösungen gefunden.

    Verstöße gegen Söders Erlass werden gar nicht systematisch dokumentiert oder sanktioniert. Die Umsetzung seines groß zelebrierten Verbots kümmerte den Ministerpräsidenten nicht. Ihm ging es nur um den großen Knall - genauso wie 2018 beim „Kreuzerlass“. Auch damals ging niemand durch die Amtsstuben und prüfte, ob wirklich ein christliches Kreuz aufgehängt ist.

    Übrigens hat niemand auf politischer Seite je eine Pflicht zur geschlechtergerechten Sprache gefordert. Söder selbst war es, der das Gendern zu einem Aufreger aufbauschte, tatkräftig unterstützt von seinem Vize Hubert Aiwanger und dessen Parole vom „Gendergaga“.

    Wozu das führen kann, sieht man an Donald Trump

    Der Kabarettist Maxi Schafroth hatte recht, als er in seiner an vielen Stellen sehr klugen Fastenpredigt auf dem Nockherberg Söders politische Methode mit dem Satz beschrieb: „Präsentiere dich als Erlöser eines selbstgeschaffenen Problems.“ Söder hat mit dem Genderthema einen Keil in die Gesellschaft getrieben und ein Problem konstruiert, wo gar keines war.

    Das Genderverbot mag in der Praxis keine Auswirkungen haben, trotzdem bleibt ein Spaltpilz zurück: der Argwohn in konservativen Schichten, gegenüber gesellschaftlichen Minderheiten benachteiligt zu werden. Wozu das führen kann, sieht man in den USA, wo Donald Trump nach und nach alle Errungenschaften bei der Gleichstellung zurückdreht.

    Die Aufregung ums Genderverbot hat sich gelegt. Die wahren Probleme, der Ärztemangel etwa oder die Finanznot bei Kitas und Kommunen, sie sind bis heute real.

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    3 Kommentare
    Inge Brenner

    Karl Brenner Danke, Frau Ritschel - sehr, sehr guter Kommentar.

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    Peter Zimmermann

    Jetzt müssen es nur noch auch diejenigen lesen (und verstehen) die ihm immer noch auf den Leim gehen.

    Raimund Kamm

    Söder als Löser der von ihm konstruierten Probleme. Wenn sich der Ministerpräsident wenigstens um die realen Probleme kümmerte. Frau Ritschel hat wichtige in ihrem Kommentar benannt. In diesen Tagen erfahren wir, dass die Landwirtschaftsverwaltung nicht in der Lage ist, die Tierquälereien auf manchen Bauernhögen zu beenden. Vor Wochen sahen wir, dass die Justizverwaltung bei der Aufsicht über die Gefängnisse versagt hat. Söder kümmert sich viel zu wenig um die realen Aufgaben und lenkt dafür mit Showpolitik ab. Raimund Kamm

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