Für Menschen, die sich gerne über fermentierte Hefe, Seetang-Velouté oder Perigord-Trüffel unterhalten, die wissen, dass Eckart Witzigmanns Kalbsbries Rumohr nicht nur ein Gericht, sondern ein Stück Haute-Cuisine-Geschichte, ein Klassiker der Nouvelle Cuisine ist, für diese Menschen also ist die Verleihung der Michelin-Sterne in etwa vergleichbar mit der Oscar-Zeremonie. Auf dem roten Teppich: Köchinnen und Köche aus ganz Deutschland, die für ihre Finesse geadelt werden.
Am Dienstagabend wurden die neuen Sterne des Guide Michelin vergeben. Fast 100 gehen nach Bayern. Eines der ausgezeichneten Restaurants, in dem die Champagnerkorken geknallt haben dürften: das "Es:senz" in Grassau in der Nähe des Chiemsees. Das Besondere: Es ist das einzige neue Drei-Sterne-Lokal Deutschlands. Im Freistaat gibt es insgesamt nur zwei Restaurants, die mit der höchsten Auszeichnung des Guide Michelin ausgezeichnet wurden. Neben dem "Es:senz" spielt noch das "Jan" in dieser Liga. Dessen Küchenchef Jan Hartwig war bereits im vergangenen Jahr mit drei Sternen geehrt worden. Damit war Hartwig eine Sensation geglückt, denn sein Restaurant hatte er erst wenige Monate zuvor eröffnet. Quasi aus dem Stand hatte sich Hartwig an die Spitze gekocht. In Gourmetkreisen war er aber freilich schon lange kein Unbekannter mehr. Bevor Hartwig seinen eigenen Laden eröffnete, war er Küchenchef im Gourmet-Restaurant "Atelier" im Münchner Luxushotel Bayerischer Hof.
Zwei neue Zwei-Sterne-Restaurants in Bayern
Auch zwei der bundesweit drei neuen Zwei-Sterne-Restaurants befinden sich im Freistaat: Das "Komu" in München schafft kurz nach seiner Neuaufnahme in den Gourmetführer direkt den Sprung in die zweithöchste Liga. Auch das "Pur" in Berchtesgaden hat jetzt zwei Sterne.
Unter den bundesweit 32 neuen Ein-Sterne-Restaurants heben die Verantwortlichen besonders das Restaurant "Residenz Heinz Winkler" in Aschau im Chiemgau hervor. "Hier führt ein neues Küchenteam einen echten Klassiker der deutschen Gastro-Szene zurück in die Sterne-Liga", heißt es vonseiten des berühmten Restaurantführers. Dem Haus waren nach dem Tod der Haute Cuisine-Legende Heinz Winkler seine zwei Sterne gestrichen worden.
Inspektoren des Guide Michelin testen die Restaurants auf Herz und Nieren
In der Region gibt es mit dem "August" in Augsburg ein Zwei-Sterne-Lokal. Einen Stern haben: "Sartory" und "Alte Liebe" in Augsburg, "Lech-Line" in Landsberg, "Karrisma" und "Villino" in Lindau, "Meyers Keller" in Nördlingen, "Ess Atelier Strauss" in Oberstdorf, "Silberdistel" in Ofterschwang und "Pavo" in Pfronten.
Jahr für Jahr nimmt der Guide Michelin Restaurants unter die Lupe. Sogenannte Inspektorinnen und Inspektoren führen dafür unangekündigte, anonyme und unabhängige Tests durch. Der Restaurantführer arbeitet eigenen Angaben zufolge nur mit festangestellten Fachleuten zusammen, die die Lokale auf Herz und Nieren – manchmal im wahrsten Sinne – testen.
Immer wieder wird ist das harsche Arbeitsklima in der Sterneküche Thema
Seit Langem wird in der Szene aber nicht nur über die Raffinesse der Gerichte diskutiert, sondern auch über das, was hinter den Kulissen stattfindet. Das Arbeitsklima in der Sterneküche sei harsch, heißt es immer wieder – auch, wenn sich die Zustände gebessert haben sollen. Ausreißer gibt es aber immer wieder. Im vergangenen Frühling wurden etwa schwere Vorwürfe gegen Christian Jürgens laut, den damaligen Leiter des Restaurants "Überfahrt" am Tegernsee, das mit drei Sternen ausgezeichnet war. Nachdem der Spiegel über ehemalige Mitarbeiter berichtet hatte, die ihrem Chef unangemessenes Verhalten vorgeworfen hatten, trennte sich das Hotel, in dem das Restaurant untergebracht war, von Jürgens. (mit dpa)