Eine junge Frau steigt aus der U-Bahn, schaut sich auf dem Bahnsteig um und sagt dann zu ihren Freundinnen: "Wenn jetzt schon Fans da sind, kommen wir sicher nicht mehr rein." Dann läuft das Grüppchen eilig los, zusammen mit etwa 70 anderen, die aus der U-Bahn kommen. Sie alle haben ein Ziel: Bayerns größten Public-Viewing-Treffpunkt, die Fanzone im Münchner Olympiapark.
Es ist früher Mittwochnachmittag, die Sonne scheint vom wolkenlosen Himmel und die Fans können es gar nicht eilig genug haben, in den eingezäunten Bereich am See im Olympiapark zu kommen. Denn an diesem Tag um 18 Uhr findet für das deutsche Team das zweite von drei Spielen in der Gruppenphase der Europameisterschaft statt. Im Public-Viewing-Bereich sind viele junge Männer und Frauen in Grüppchen unterwegs, später kommen noch Ältere dazu. Sie tragen fast allesamt weiße, vereinzelt auch grüne und pinkfarbene Trikots. Am Nachmittag sind zunächst auch rot-schwarze albanische Flaggen und kroatische Fan-Utensilien zu sehen. Spätestens ab 17 Uhr gehen sie aber in der Masse der Deutschland-Trikots unter.
Festival-Feeling auf der Fanzone im Münchner Olympiapark
Die junge Frau und ihre Freundinnen sind bereits kurz nach dem Eingang in der Menge verschwunden. Denn wer es in die Fanzone geschafft hat, fühlt sich wie auf einem Festival. Auf drei großen Bildschirmen wird entweder ein Fußballspiel übertragen, es läuft Musik oder lautstark Werbung. In einer Ecke des Geländes können die Besucherinnen und Besucher selbst Fußball spielen, verschiedene Firmen haben Stände, an denen sie für sich werben oder Verlosungen anbieten.
Die Stimmung ist entspannt, als das erste Spiel um 15 Uhr beginnt. Einige albanische Fans haben sich vor dem 120 Quadratmeter großen Bildschirm zusammengefunden, immer wieder stimmen sie Fangesänge an. Unweit davon entfernt sind kroatische Fans, sie jubeln ihrem Team zu. Drum herum stehen Fans mit Deutschlandtrikots und fiebern ebenfalls mit. Es wirkt alles in Ordnung. Oder täuscht der Eindruck? "Es ist überwiegend friedlich", bestätigt Oliver Barnert, Polizeisprecher des Polizeipräsidiums München. "Die Leute sind gut drauf und wollen Fußball schauen."
Freiwillige Helfer berichten: Gute Stimmung bisher bei jedem Spiel
Während des Spiels von Albanien gegen Kroatien wird es langsam voll auf der Fanmeile, an den Essens- und Getränkeständen bilden sich immer länger werdende Schlangen. Bis zu einer halben Stunde müssen die Gäste warten, um sich ein kühles Bier zu holen. Eine junge Frau an einem Getränkestand erzählt, sie habe an diesem Tag schon viele Maß verkauft. "Man merkt schon, dass die Deutschen mehr Bier trinken", sagt die Frau und lacht.
In einem weißen Zelt mit einem einfachen Tresen stehen Margit und Rainer in grünen T-Shirts. Die beiden sind zwei von rund 1400 Freiwilligen, die in München während der Europameisterschaft helfen. An ihrem Zelt schieben sich Menschenmengen vorbei, immer wieder bleibt jemand stehen und spricht sie an: "Wo ist denn die Toilette?" oder "Wo gibt's Wasserspender?" sind die häufigsten Fragen. Margit war die letzten Tage schon am Infopoint im Einsatz: "Wenn Deutschland nicht spielt, ist auf jeden Fall weniger los", erzählt sie. Trotz der Mengen sei es in der Fanzone aber immer entspannt geblieben, berichtet die Freiwillige: "Man merkt, dass Freunde hier zusammenkommen. Das ist wirklich bemerkenswert." Rainer hat dies ähnlich beobachtet: "Das gab's bisher nicht, dass der Sieger den anderen verhöhnt. Es ist eher ein Miteinander-Feiern." Im Olympiapark komme eine "sehr bunte Masse an Fans" zusammen.
Eingänge der Fanzone kurz vor Deutschlandspiel erneut zu
Kurz vor dem Deutschlandspiel ist dann die maximale Anzahl an Gästen in der Fanzone erreicht. Knapp 25.000 Menschen verteilen sich vor den drei Bildschirmen, die Eingänge werden – wie beim Eröffnungsspiel am Freitag – geschlossen und das Sicherheitspersonal lässt keine weiteren Besucher auf das Gelände. Am beliebtesten ist der 120 Quadratmeter große Bildschirm, der von der Größe her einer luxuriösen Münchner Stadtwohnung entsprechen könnte, und um den sich immer mehr Menschen drängen. Auch dort schreiten die Sicherheitsleute ein, es dürfen keine weiteren Gäste mehr auf die bereits volle Wiese.
Während des Spiels ist es dann überraschend leise in der Fanzone, abseits der Bildschirme ist das Gelände wie ausgestorben. Alle blicken gebannt auf den Bildschirm. Der deutsche Fan ist ganz offensichtlich so ein konzentrierter Fußballgucker, dass er dann auch nicht zum Anfeuern kommt. Nur bei verpassten Torchancen kommt aus Zehntausenden Mündern ein kollektiv bedauerndes "Ouh", viele schlagen die Hände über dem Kopf zusammen. Als die Tore fallen, bricht die Menge dann doch in Torjubel aus. Dieser hält aber nicht lange, auch nach den etwas mehr als 90 Minuten freuen sich die Fans eher still.
Bereits eine halbe Stunde nach Spielende sind viele Besucherinnen und Besucher dann auch schon wieder weg. Auf der Wiese in der Fanzone ist beim letzten Anpfiff des Tages noch etwa ein Drittel der deutschen Fans geblieben. Davon lassen sich die Fans von Schottland und der Schweiz aber nicht verunsichern. Sie feiern und singen bereits in den ersten Minuten.