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Freiwillig in den Knast: Dennis Zimmermann betreut Gefangene in der JVA Memmingen

Freiwillig in den Knast

Dennis Zimmermann betreut Gefangene in der JVA Memmingen

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    Dennis Zimmermann (links) betreut ehrenamtlich Gefangene in der Justizvollzugsanstalt Memmingen.
    Dennis Zimmermann (links) betreut ehrenamtlich Gefangene in der Justizvollzugsanstalt Memmingen. Foto: Brigitte Hefele-Beitlich

    Bedroht gefühlt hat sich Dennis Zimmermann noch nie von den Männern, mit denen er ehrenamtlich zu tun hat – obwohl jeder von ihnen etwas auf dem Kerbholz hat. Der 45-Jährige betreut seit ein paar Jahren ehrenamtlich Straffällige in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Memmingen. „In Gefängnissen sitzen ja nicht nur Berufsverbrecher und Leute, die von Grund auf böse sind“, sagt er. Ihnen will er helfen, wieder „in die richtige Spur zu kommen“.

    In der JVA in Memmingen sitzen keine Schwerverbrecher

    Denn dass man schnell in die falsche schlittern kann, ist Dennis Zimmermann bewusst. „Auch in meinem Leben gab es einige Stolpersteine“, sagt er. „Ich hatte Glück, nicht auf die schiefe Bahn zu geraten und bin sehr dankbar dafür.“ Andere hätten vielleicht mehr Pech gehabt im Leben und „in der Not“ die falsche Entscheidung getroffen. Zum Beispiel wenn sie in einer persönlichen Notlage schnell viel Geld gebraucht hätten und dann in Drogengeschäfte gerutscht seien.

    Mit Schwerverbrechern hat es Zimmermann ohnehin nicht zu tun. Zum einen, weil in Memmingen nur U-Häftlinge und Verurteilte mit Strafen bis zu sechs Monaten sitzen; zum anderen, weil die Gefängnisleitung sehr genau auswählt, mit wem die Ehrenamtlichen Kontakt aufnehmen, um sie nicht zu gefährden.

    Leiterin der JVA Memmingen ist dankbar für die Unterstützung

    Psychisch auffällige oder psychisch kranke Gefangene etwa kommen von vorn herein nicht in Frage, betont Anja Ellinger, die Leiterin der Justizvollzugsanstalten Memmingen und Kempten. Etwa 15 Ehrenamtliche kommen regelmäßig in die JVA Memmingen, in der rund 85 Männer und 20 Frauen ihre Strafen absitzen, berichtet sie. Sie leiten entweder Gruppen mit mehreren Häftlingen – vor allem christlich orientierte. Oder sie betreuen – wie Dennis Zimmermann – einzelne Häftlinge, unterstützen sie bei der Arbeits- oder Wohnungssuche und hören sich vor allem an, was ihnen auf dem Herzen liegt.

    „Die Ehrenamtlichen sind nicht Bestandteil der Justiz“, erklärt Ellinger einen wichtigen Unterschied zum herkömmlichen Personal, zu dem ja auch Sozialarbeitende oder Gefängnispsychologen gehören. „Deshalb können die Gefangenen da auch mal ein Ventil öffnen und Dampf ablassen.“ Sie ist sehr dankbar, dass schon seit Jahrzehnten so viele Personen bereit sind, den Gefangenen dabei zu helfen, „wieder auf die Füße zu kommen“. Vermittelt und beraten werden die wertvollen Helfer und Helferinnen vom SKM (Katholischer Verein für soziale Dienste).

    Im Umgang mit den Gefangenen Skepsis bewahren

    Zufällig ist irgendwann Dennis Zimmermann, der Standortleiter einer Rastanlage ist, auf diese Möglichkeit gestoßen, sich einzubringen. Unheimlich spannend sei das, erzählt er, weil er dabei Einblick in Bereiche bekomme, zu denen man normalerweise keinen Zugang habe – und die Welt ein kleines Stückchen besser machen könne. Wichtig sei dabei, dass man selbst als Person gefestigt und geübt im Umgang mit Menschen ist und sich bei allem Vertrauen, das man im Laufe der Gespräche aufbaut, eine gesunde Skepsis bewahrt, sagt Zimmermann. „Die Leute sitzen ja nicht nur wegen Diebstahl.“

    Er muss wie jeder andere, der das Gefängnis betritt, die Sicherheitsschleuse passieren und wird dann für alle Fälle mit einem Personennotrufgerät ausgestattet, ehe er seinen Schützling trifft. Er vergleicht diese Besuche mit einem Dompteur, der in den Tierkäfig steigt: Der eigentliche Schutz sei das Auftreten, es müsse selbstbewusst wirken, aber nicht bedrohlich, sonst könnte es provozieren. Doch auslösen musste Zimmermann den Notruf noch nie. Im Gegenteil, er berichtet von sehr offenen Gesprächen, die aber nie länger als zwei Stunden dauern.

    „Wenn die Zeit begrenzt ist, nutzt man sie besser“, ist er sicher. Denn er sieht seine Aufgabe keinesfalls darin, die Leute nur zu bespaßen. „Ich bin kein TV-Ersatz, dafür wäre mir meine Zeit zu schade.“ Stattdessen hört er zu, baut Vertrauen auf und horcht nach, wo er Hilfestellung geben kann.

    Hilfe im Gefängnis: Nicht zurück ins alte Milieu

    „Die Leute sind aus ihrem gewohntem Umfeld herausgerissen, manche sind völlig überfordert in der JVA oder haben niemanden, mit dem sie reden können“, sagt Zimmermann. Die seien schon froh, wenn sie offen über ihre Nöte sprechen könnten. Einmal in der Woche trifft er sich normalerweise mit einem Häftling – er betreut immer nur einen – „so bleibt man in Kontakt und er hat trotzdem genug Zeit, über die Gespräche nachzudenken.

    Offen ist dabei, ob er auch ganz konkret etwa beim Bewerbung schreiben oder der Wohnungssuche hilft. Da organisiert er dann schon mal ein Zimmer für jemanden, für den es besser ist, nicht zurück ins alte Milieu zu kommen. Immer mit dem Ziel, „vielleicht ist ja noch etwas zu retten, wenn man jemanden an der Hand nimmt und mit der Stimme der Vernunft zu ihm spricht“. Wenn jemand wieder draußen ist, bleibt manchmal ein sporadischer Kontakt – andere verschwinden einfach.

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