Am Tag nach der Bundestagswahl konnte sich Markus Söder einen kräftigen Tritt gegen das Schienbein seines bayerischen Koalitionspartners Hubert Aiwanger nicht verkneifen: „Die Freien Wähler haben ein absolutes Desaster erlebt“, lederte der CSU-Chef los. Abgerutscht „auf die Ebene einer Splittergruppe“ sei die Partei - und auch Aiwanger selbst habe ein „mieses Ergebnis“ eingefahren. Einen vergifteten Rat hatte Söder auch noch parat: Statt „große Weltsprüche“ zu machen, sollten Aiwanger und seine Partei besser „wieder kleinere Brötchen backen“, findet er.
In der Tat hatten die Freien Wähler am Sonntag eine kräftige Klatsche einstecken müssen: Bundesweit versank die Partei im Paket der „Sonstigen“. In Bayern halbierte sich die Zustimmung im Vergleich zu 2021 fast auf 4,3 Prozent. Und auch Aiwangers Strategie, über drei gewonnene Direktmandaten in den Bundestag einzuziehen, scheiterte krachend: Selbst Aiwanger landete im niederbayerischen Rottal-Inn mit 23 Prozent nur auf Platz drei - hinter den Bewerbern von CSU und AfD. In Schwaben holte die Oberallgäuer Landrätin Indra Baier-Müller nur 8,6 Prozent der Erststimmen. Der Gersthofener Bürgermeister Michael Wöhrle kam in Augsburg gar nur auf 3,7 Prozent.
Aiwanger: „Ich wüsste nicht, was wir besser hätten machen können“
Von Selbstkritik wollte Aiwanger bei seiner ersten Wahlanalyse trotzdem nichts wissen: „Ich wüsste nicht, was wir besser hätten machen können in dieser Situation“, sagte er am Sonntagabend vor Parteifreunden bei einer Wahlparty in München. Die Umstände seien schuld am mauen Ergebnis, erklärte der Parteichef: Die Wähler „haben leider Gottes Protest gewählt“. Statt wie bei der Landtagswahl vor eineinhalb Jahren Freie Wähler zu wählen, hätten viele gesagt: „Diesmal wähle ich die AfD“. Auch FW-Generalsekretärin Susann Endres berief sich auf die speziellen Umstände der Wahl: „Wir sind als Partei der Mitte untergegangen in diesem Kampf Rechts gegen Links.“
Doch was heißt dieses Wahlergebnis für die Zukunft der Freien Wähler, etwa mit Blick auf die Kommunalwahlen 2026? Klar scheint, dass der interne Druck auf Aiwanger wächst, die Partei zumindest in Bayern klarer in der politischen Mitte zu positionieren. „Bürgerlich, konservativ und liberal“ seien die Freien Wähler, bekräftigt etwa der schwäbische Bezirkschef Fabian Mehring: „In diese Marktlücke müssen wir stoßen.“ Die Partei müsse sich „mit dem Ergebnis selbstkritisch auseinandersetzen“, fordert auch die Unterfränkin Anna Stolz: „Von uns wird zu Recht eine klare inhaltliche Ausrichtung erwartet.“ Dies sei für die wichtigen Kommunalwahlen „entscheidend“.
Interne Kritik an inhaltlicher Verengung: „Nicht nur die Partei der Bauern und Jäger“
Hinter vorgehaltener Hand wird in der Partei aber auch eine inhaltliche Verengung unter Aiwanger kritisiert: „Wir können nicht nur die Partei der Bauern und Jägern sein“, heißt es etwa. Kompetenzen aus den FW-geführten Landesministerien Bildung, Umwelt, Digitales und Wirtschaft müssten stärker zum Tragen kommen. Freiberuflern, Handwerkern oder Kleinunternehmern müsse wieder ein Angebot gemacht werden. Dazu gehöre auch ein „lösungsorientierter Pragmatismus“, der die Freien Wähler aus der Kommunalpolitik heraus immer ausgezeichnet habe.

Aiwangers Führungsanspruch scheint in der Partei dagegen derzeit nicht infrage zu stehen: „Nichts hassen konservative Wähler mehr als interne Querelen“, warnt ein führender FW-Politiker. Zu sehr hängt der Erfolg der Partei in Bayern wohl immer noch an der Strahlkraft ihres Vorsitzenden.
Söders Ratschlag, sich geschlagen nach Bayern zurückzuziehen, will Aiwanger allerdings nicht befolgen: „Es wird auch der Tag kommen, wo wir im Bundestag sitzen“, bekräftigte er bereits am Sonntagabend: „Schöne Grüße nach Berlin. Irgendwann kommen wir, wenn ihr gar nicht damit rechnet.“
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