Hubert Aiwanger, so beschreiben es Weggefährten aus seiner Partei, wirkt derzeit wie elektrisiert. Der Grund: Der Freie-Wähler-Chef wittert die Chance, seine Partei bei den urplötzlich näher gerückten Wahlen erstmals in den Bundestag zu führen – mit ihm an der Spitze. Jetzt muss Aiwanger nur noch seiner Truppe Begeisterung einhauchen. Beim Parteitag am Wochenende im unterfränkischen Geiselwind besteht die Möglichkeit. Dort wird der Niederbayer seinen Plan präsentieren, wie es für die Freien Wähler trotz mauer Umfragewerte klappen kann. Das Zauberwort lautet dabei „Grundmandatsklausel“.
Hinter dem sperrigen Begriff verbirgt sich eine Sonderregel im Wahlrecht, die das Bundesverfassungsgericht im Sommer vor dem von der Ampel geplanten Exitus bewahrt hat. Nach wie vor genügen einer Partei drei direkt gewonnene Bundestagsmandate, um die Fünf-Prozent-Hürde zu umgehen. Zuletzt profitierte die Linke davon, sie erhielt 2021 dank dreier Direktmandate und 4,9 Prozent der Zweitstimmen insgesamt 36 Sitze im Bundestag. Nun wollen die FW dieses Kunststück wiederholen und glauben, dafür das richtige Personal gefunden zu haben. Neben Parteichef Aiwanger selbst sollen Bürgermeister und Landräte als Zugpferde dienen.
In Schwaben gehen für die FW die Oberallgäuer Landrätin Indra Baier-Müller (53) und der Gersthofer Bürgermeister Michael Wörle (57) ins Rennen. . Das kündigte der bayerische Wirtschaftsminister in München an, einen Tag vor dem Bundesparteitag. „Das dürfte nach allen Einschätzungen gelingen: drei plus X an Direktmandaten“, argumentierte er. Aiwanger träumt seit langem von einem Einzug in den Bundestag und einer gemeinsamen Regierungskoalition unter Unions-Führung.
So wollen die Freien Wähler der CSU Bundestags-Mandate abjagen
Baier-Müller und Wörle sollen zwei CSU-Abgeordneten das Direktmandat streitig machen. Im Bundestagswahlkreis Oberallgäu, zu dem auch die Stadt Kempten und der Kreis Lindau gehören, ist das Mechthilde Wittmann (56). Die frühere Landtagsabgeordnete aus München wurde vor drei Jahren erstmals in den Bundestag gewählt. Der Gersthofer Rathauschef Wörle soll dagegen in der großen Nachbarstadt Augsburg sein Glück versuchen. Dort ist der CSU-Mann Volker Ullrich seit elf Jahren direkt gewählter Abgeordneter.
Baier-Müller und Wörle sind Teil eines mehrköpfigen Teams, das Parteichef Aiwanger an diesem Freitag in München präsentieren wird, ehe es am Samstag zum Parteitag nach Geiselwind geht. Diesen ausgesuchten Kandidaten trauen es die Freien Wähler zu, direkt Wahlkreise zu gewinnen. Dazu zählt der Landshuter Landrat Peter Dreier, der nun dort für den Bundestag kandidiert. Diese Personalie ist keine Überraschung – in der CSU hatte man schon länger mit Dreier als direktem Konkurrenten gerechnet. Der aus dem Kreis Landshut kommende Aiwanger geht dagegen im benachbarten Wahlkreis Rottal-Inn ins Rennen, wo er hohe Sympathien genießt.
Gegenüber unserer Redaktion zeigte sich Aiwanger optimistisch: „Ich habe die ernsthafte Erwartung, dass es klappt.“ Er halte es sogar für möglich, dass seine FW auf über fünf Prozent kommen könnten, weil mithilfe der Direktmandate der Einzug in den Bundestag wahrscheinlicher werde. FW-Wähler müssten keine Angst haben, ihre Stimme zu verschenken. Auch der schwäbische FW-Chef Mehring zeigt sich zuversichtlich, dass dieses Manöver gelingen könnte: „Wir haben zum ersten Mal die reelle Chance, in den Bundestag einzuziehen.“
Drei Direkt-Mandate genügen für den Bundestag
Der Trend war zuletzt ein anderer. Nachdem die Aiwanger-Partei bei den Wahlen zum bayerischen Landtag vor gut einem Jahr ein Rekordergebnis erzielt hatte, blieb sie bei Europa- und Landtagswahlen in diesem Jahr hinter den eigenen Erwartungen zurück. Aiwanger - nach Flugblatt-Affäre und Bauernprotesten eine Zeit lang eine überregional beachtete Reizfigur - tut sich wieder schwer, bundesweit Aufmerksamkeit zu erregen. Jetzt erhofft er sich vom Wahlprogramm Aufwind. Dieses setzt auf die Themen Wirtschaft und Migration. Bei bundesweiten Umfragen rückte das Erreichen der Fünf-Prozent-Hürde zuletzt in weite Ferne – deswegen soll es jetzt mit den Direktmandaten funktionieren.
„Wir wollen der Union helfen, nicht im schwarz-grünen oder schwarz-roten Nest liegen zu müssen“, sagte Aiwanger. Er würde sich deshalb über eine entsprechende Koalitionsaussage von CDU-Chef Friedrich Merz zugunsten der FDP und der Freien Wähler freuen - die es aber nicht geben dürfte, weil die Freien Wähler bei Bundestagswahlen die CSU als Gegner hat.
Bundestagswahl 2025: So will Aiwanger die CSU ärgern
CSU-Chef und Ministerpräsident Markus Söder hatte den FW mehrfach öffentlich den „guten Rat“ erteilt, ihre bundespolitischen Ambitionen zu beenden und sich auf Bayern und die Kommunalwahlen zu konzentrieren. FW-Chef Aiwanger hatte dies stets zurückgewiesen. Sein Traum ist es, in Berlin eine bürgerliche Regierungskoalition zu ermöglichen und dort als Wirtschaftsminister zu amtieren. Voraussichtlich am 23. November fährt der Niederbayer bereits in die Hauptstadt. An diesem Tag demonstrieren Mittelständler vor dem Brandenburger Tor - diese Bühne will Aiwanger nutzen. (mit dpa)
Aiwanger bringt schon in Bayern nichts auf die Reihe als Minister, glaubt er wirklich, dass er das Zeug zum Bundesminister hat? Aber einen Vorteil hat seine Strategie: Jede Stimme für die FW fehlt der Aufsprecher-CSU, aber drei Direktmandate für die FW werden es sicher nicht. Und Volker Ullrich fehlen die Stimmen im Wahlkreis, die an Wörle gehen. Durch das neue Wahlgesetz könnte das dann auch das Aus für ihn bedeuten, denn bekanntlich ist ein gewonnener Wahlkreis keine Garantie mehr für einen Sitz im Bundestag. Was dem Möchtegern-Kanzler Söder natürlich nicht gefällt.
Um Gottes Willen, lasst Hubert Aiwanger in Bayern, der Rest darf, ja muss nach Berlin.
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