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Flugblatt-Affäre: So reagiert Polit-Deutschland auf Söders weitere Zusammenarbeit mit Aiwanger

Flugblatt-Affäre

So reagiert Polit-Deutschland auf Söders weitere Zusammenarbeit mit Aiwanger

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    Weiterhin Gesprächsthema in ganz Deutschland: Bayerns Freie-Wähler-Chef, Vize-Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger.
    Weiterhin Gesprächsthema in ganz Deutschland: Bayerns Freie-Wähler-Chef, Vize-Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger. Foto: Peter Kneffel, dpa (Archivbild)

    Die Flugblatt-Affäre um Bayerns stellvertretenden Ministerpräsidenten, Wirtschaftsminister und Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger fand am Sonntagvormittag ihren Höhepunkt in der öffentlichkeitswirksamen Entscheidung des Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU), an Aiwanger festzuhalten. Doch auch im Nachhinein bleibt Aiwanger Gesprächsthema – und nicht nur er wird teils heftig kritisiert.

    FW-Chef Aiwanger selbst bezeichnete die Vorwürfe im Zuge der Flugblatt-Affäre am Sonntag bei einem Wahlkampfauftritt in einem Bierzelt in Grasbrunn (Landkreis München) als gescheiterte politische Kampagne gegen ihn. "Das war ein schmutziges Machwerk", sagte Aiwanger. "Die Freien Wähler sollten geschwächt werden." Doch die Partei sei durch die Vorwürfe "gestärkt worden", sagte Aiwanger. "Wir haben ein sauberes Gewissen." Seine Gegner seien mit ihrer "Schmutzkampagne gescheitert". Von dieser "Kampagne" würden sich später noch einige Beteiligte distanzieren müssen, sagte er.

    Noch während der anberaumten Pressekonferenz stellte Ministerpräsident Markus Söder fest, dass Aiwangers "Krisenmanagement der letzten Woche nicht sehr glücklich" war. Er hätte angesichts des Vorwurfs des Antisemitismus früher, entschlossener, umfassender aufklären müsse: "Erst alles abzustreiten, teilweise Dinge zuzugestehen, manche Widersprüche – das hat die Glaubwürdigkeit in dieser Woche nicht erhöht." Dennoch: Vor allem die Beantwortung eines 25 Fragen umfassenden Kataloges und ein "langes persönliches Gespräch" am Samstagabend habe laut Söder den Ausschlag gegeben, Aiwanger in seinem Amt zu belassen. Aiwanger habe sich entschuldigt, Reue gezeigt und die Angelegenheit sei "immerhin 35 Jahre her. Deshalb ist eine Entlassung aus meiner Sicht nicht verhältnismäßig."

    Bayerische Opposition greift auch Söder für seine Entscheidung an

    In eine ähnliche Richtung schlug auch Söders Parteikollegin Ilse Aigner: "Die Entscheidung des Ministerpräsidenten ist richtig – eine Entlassung wäre unverhältnismäßig gewesen. Ich hätte mir eine deutlich bessere Krisenkommunikation von Hubert Aiwanger gewünscht", ließ die CSU-Politikerin mitteilen. "Zeitnahe, klare, ehrliche Aussagen – auch zu einer noch so dünnen Verdachtsberichterstattung – und eine schnellere Distanzierung von diesem ekelhaften Pamphlet hätten nicht zu dieser unsäglichen Hängepartie geführt, die Bayern insgesamt geschadet hat."

    Aus der Fraktion des Koalitionspartners, den Freien Wählern, waren erwartungsgemäß ausschließlich positive Rückmeldungen zu hören. "Wir sind froh, dass die Bayernkoalition für unser Land stabil und in Einmütigkeit weiterarbeiten wird", sagte Freie-Wähler-Fraktionschef Florian Streibl am Sonntag laut einer Mitteilung. "Wir sind der Auffassung, dass Hubert Aiwanger für das unverantwortliche und vollkommen inakzeptable Handeln eines Familienmitglieds vor mehr als drei Jahrzehnten keinerlei politische Verantwortung trägt."

    Harte Kritik aus der bayerischen Landtagsopposition schlug dabei nicht nur Aiwanger entgegen. Bayerns Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann warf Ministerpräsident Markus Söder in der Aiwanger-Entscheidung Taktik vor Haltung vor. "Er hat heute einen schlechten Deal für unser schönes Bayern gemacht", sagte der Spitzenkandidat für die bayerische Landtagswahl der Deutschen Presse-Agentur (dpa). "Die schwerwiegenden Vorwürfe sind nicht ausgeräumt." Markus Söder toleriere weiterhin einen stellvertretenden Ministerpräsidenten, an dessen demokratischer Gesinnung Zweifel bestünden. "Diese Koalition steht für alles außer Bürgerlichkeit und Anstand."

    Bayerischer SPD-Chef von Brunn: Aiwanger "Schande Bayerns"

    Bayerns SPD-Chef Florian von Brunn bezeichnete den Verbleib von Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger im Amt als "traurigen Tag für das Ansehen von Bayern in Deutschland und der Welt". "Dass die CSU unter Markus Söder einen aktiven Rechtspopulisten und früher auch rechtsradikal tätigen Aktivisten als Stellvertreter in der Regierung akzeptiert, ist ein negativer Höhepunkt in der Geschichte von Nachkriegsdeutschland", teilte der SPD-Spitzenkandidat für die Landtagswahl mit. Die Bedingungen von Markus Söder seien klar gewesen: "Es muss ein Einzelfall sein. Die letzten Tage zeigen jedoch keinen Einzel-, sondern einen Regelfall." Die Entschuldigungen von Herrn Aiwanger seien zu spät, zu unvollständig und auch zu uneinsichtig gewesen. Die Angriffe und Vorwürfe gegen die Medien seien unvereinbar mit der Pressefreiheit und mit der bayerischen Verfassung. "So jemand ist kein Stellvertreter, sondern eine Schande Bayerns."

    Und auch die bayerische FDP kritisierte in Person von Fraktionschef Martin Hagen die bayerische Staatsregierung und sah diese durch Hubert Aiwangers Umgang mit der Flugblatt-Affäre "schwer beschädigt". Die Antworten des Freie-Wähler-Politikers zu den Vorwürfen überzeugten nicht, sagte Hagen. Für Wähler werde die Landtagswahl am 8. Oktober nun eine Haltungsfrage. "Unser Land verdient einen Wirtschaftsminister, der über jeden Zweifel erhaben ist. Mit Blick auf die NS-Vergangenheit und die Shoah darf es in Bayern keine Zweideutigkeit geben." Weiter sagte

    Aus der Bundesregierung gab es im Laufe des Sonntags ebenfalls Reaktionen zur Söder-Entscheidung, an Aiwanger festzuhalten. Vizekanzler Robert Habeck (Bündnis 90/Grüne) kritisierte die Entscheidung des bayerischen Ministerpräsidenten scharf. "Sich als Jugendlicher möglicherweise zu verlaufen, ist das eine, sich als verantwortlicher Politiker zum Opfer zu machen und der Inszenierung wegen an den demokratischen Grundfesten zu rütteln, ist das andere", sagte der Grünen-Politiker der dpa in Berlin. "Da ist eine Grenze überschritten."

    Habeck, Faeser, Antisemitismusbeauftragter: Auch Bundesregierung reagiert auf Aiwanger

    Vor diesem Hintergrund sei die Entscheidung Söders "leider keine gute", erklärte Habeck. "Es geht hier nicht um Jugendsünden seines Koalitionspartners, sondern am Ende um den Grundkonsens dieser Republik, den jede Regierung in Bund und Ländern voll und ganz schützen muss." Bei allen Unterschieden in der Sache habe sich die CSU immer als eine staatstragende Partei der Mitte verstanden, die den Grundkonsens dieser Republik wahre, so Habeck. "Zu ihm gehört, dass die Erinnerung an den Holocaust zentral ist und wir sie nicht relativieren dürfen. Genau das aber hat Herr Aiwanger getan und sich als Opfer inszeniert."

    Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bezeichnete die Söder-Entscheidung als "Schaden für das Ansehen Deutschlands". Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) sagte sie: "Herr Söder hat nicht aus Haltung und Verantwortung entschieden, sondern aus schlichtem Machtkalkül." Der Umgang mit Antisemitismus dürfe keine taktische Frage sein, sagte Faeser und fügte hinzu: "Herr Aiwanger hat sich weder überzeugend entschuldigt noch die Vorwürfe überzeugend ausräumen können." Stattdessen erkläre er sich "auf unsägliche Weise" selbst zum Opfer. Dabei denke er "keine Sekunde an diejenigen, die noch heute massiv unter Judenfeindlichkeit leiden. So verschieben sich Grenzen, die nicht verschoben werden dürfen." Faeser weiter: "Dass Herr Söder dies zulässt, schadet dem Ansehen unseres Landes."

    Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, legte Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger einen Besuch der KZ-Gedenkstätte Dachau nahe. "Es wäre jetzt ein gutes Zeichen, wenn er nicht nur das Gespräch mit den jüdischen Gemeinden, sondern auch mit den Gedenkstätten in Bayern sucht und deren wichtige Arbeit stärkt, etwa durch einen Besuch in Dachau. Damit käme er seiner Vorbildfunktion als verantwortlicher Politiker nach." (mit dpa)

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