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Flüchtlingskrise: Die bayerische Wirtschaft sieht die Grenzkontrollen mit Sorge

Flüchtlingskrise

Die bayerische Wirtschaft sieht die Grenzkontrollen mit Sorge

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    Wenn ein Lkw-Fahrer wegen der Wartezeiten an der Grenze zu lange unterwegs ist, kommt er unter Umständen nicht mehr ohne Pause an sein Ziel.
    Wenn ein Lkw-Fahrer wegen der Wartezeiten an der Grenze zu lange unterwegs ist, kommt er unter Umständen nicht mehr ohne Pause an sein Ziel. Foto: Armin Weigel (dpa)

    Nein, sagt Richard Hawlitschek, einfach sei das nun wirklich nicht. Da ist zum einen der große Strom von Flüchtlingen, der kontrolliert werden müsse. Völlig nachvollziehbar, betont er, keine Frage. Anderseits ist Hawlitschek aber auch Spediteur, Geschäftsführer des Transportunternehmens Luible Logistik aus Leipheim. Als solcher schaut er mit Sorge auf die im Herbst wieder eingeführten Kontrollen an der Grenze zwischen Deutschland und Österreich – die noch dazu bald verlängert und ausgeweitet werden könnten. Denn Länder wie Österreich oder auch Italien haben eine große Bedeutung für die bayerische Wirtschaft. Österreich ist der Industrie- und Handelskammer (IHK) Schwaben zufolge gar der wichtigste Abnehmer bayerischer Waren,

    Je länger aber ein Lastwagen am Grenzübergang in Kiefersfelden oder Passau steht, desto mehr Geld geht dem Transportunternehmen verloren. Das können an einem Tag schnell ein paar hundert Euro werden, sagt Richard Hawlitschek. Wie viel Geld sein Unternehmen insgesamt einbüßen könnte, kann er aber noch nicht sagen. Denn dafür sei die Situation an der Grenze zu unberechenbar. Manchmal warten die Fahrer nur 20 Minuten, erzählt Hawlitschek. Manchmal aber auch zwei Stunden. Das sei von Tag zu Tag und auch von Grenzübergang zu Grenzübergang unterschiedlich.

    "Eine Branche, die immer mehr von punktgenauer Lieferung lebt"

    Steht ein Fahrer im Stau und kommt erst spät am Abend an seinem Zielort an, kann er seine Ware häufig nicht vor dem nächsten Morgen abladen. Verspätungen wie diese können schwerwiegende Folgen haben. Denn für die Spediteure heißt das: Sie müssen nicht nur mehr Lohn zahlen und die Ruhezeiten verlängern, sondern in ihrer Planung von vorneherein große Zeitpuffer berücksichtigen. Und das in einer Branche, die immer mehr von punktgenauer Lieferung lebt, wie Peter Lintner von der IHK Schwaben sagt. Besonders in der Automobilindustrie arbeiten viele Unternehmen nach dem Just-in-time-Prinzip. Zubehör und Teile werden nicht vor Ort gelagert, sondern pünktlich zur Verarbeitung vom Transportunternehmer ans Werk geliefert. Das spart Lagerplatz und somit Kosten. Verzögert sich allerdings die Lieferung, droht ein kostspieliger Produktionsstopp.

    Verschärfte Grenzkontrollen treffen deshalb nach Ansicht Lintners nicht nur die regionale Transportbranche, sondern alle Unternehmen, „die Güter aus dem Ausland bekommen oder versenden“. Auch der Einzelhandel in den Grenzgebieten gehöre zu den Leidtragenden. Denn wer möglicherweise mehrere Stunden an der Grenze warten muss, überlegt es sich zweimal, ob er zum Einkaufen nach Deutschland kommt. Nicht zuletzt sind Lintner zufolge auch die Pendler massiv betroffen: 1100 Österreicher arbeiten seinen Informationen nach in schwäbischen Unternehmen.

    Durch die Grenzkontrollen kommen auf die Wirtschaft hohe Kosten zu

    Werden die Grenzen dauerhaft kontrolliert, sehen sich vielleicht viele dieser Fachkräfte wieder in ihrem Heimatland nach einem Job um. „Für Geschäftsleute, Dienstleister, Handwerker oder Touristen sind Staatsgrenzen derzeit wie eine Kreisgrenze“, ließ auch DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben in einer Pressemitteilung verlauten. „Sie alle profitieren von offenen Grenzen ebenso wie der lokale Einzelhandel.“ Durch die Grenzkontrollen könnten der Wirtschaft nach Wanslebens Einschätzung schnell Kosten von zehn Milliarden Euro pro Jahr entstehen.

    Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft plädiert deshalb dafür, die Kontrollen so schnell wie möglich an die Außengrenzen der EU zu verschieben. „Die jetzigen Grenzkontrollen müssen als Notmaßnahme ein Einzelfall bleiben“, betont Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. Denn die bayerische Wirtschaft sei „auf einen unbeeinträchtigten Warenverkehr über Ländergrenzen hinweg angewiesen“.

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