Rund zwei Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer haben laut der UN-Flüchtlingshilfsorganisation UNHCR bisher ihr Heimatland verlassen. Täglich kommen Tausende hinzu, die der Krieg aus ihrer Heimat vertreibt. Darüber, wie viele in Deutschland bisher Zuflucht gesucht haben, gibt es mangels Grenzkontrollen keine offiziellen Zahlen. Das bayerische Innenministerium sprach zunächst davon, dass man 50.000 Geflüchtete in Bayern erwarte, nahm die Zahl jedoch zurück, nachdem bereits allein am Montag rund 10.000 Geflüchtete angereist waren.
Nach der Ankunft können Geflüchtete in staatlichen oder kommunalen Unterkünften unterkommen. Doch auch viele Menschen, die daheim Platz haben, möchten helfen und Ukrainerinnen und Ukrainern ein Zimmer in ihrer privaten Wohnung oder ihrem Haus anbieten. Dem steht nichts im Weg – doch man sollte ein paar Dinge beachten.
Zuallererst: Jede und jeder darf aus rechtlicher Sicht ein Zimmer für Geflüchtete in den eigenen vier Wänden bereitstellen. Ukrainerinnen und Ukrainer dürfen ohne Visum nach Deutschland einreisen und sich 90 Tage lang hier aufhalten. Sind die 90 Tage abgelaufen, so können sie die Aufenthaltserlaubnis für weitere 90 Tage verlängern. Ein Asylverfahren müssen Geflüchtete aus der Ukraine in EU-Ländern nicht durchlaufen. Sie erhalten einen automatischen Aufenthaltsstatus, der „vorübergehender Schutz“ genannt wird und zunächst ein Jahr lang gilt.
Es gibt auch keine Vorgaben, wo Geflüchtete wohnen müssen: Sie dürfen sowohl in staatlichen Unterkünften als auch bei Verwandten oder eben anderen Privathaushalten unterkommen. Lebt man in einer Mietwohnung und möchte Geflüchtete aufnehmen, so geht das für eine Dauer von sechs bis acht Wochen auch ohne die Erlaubnis der Vermieterin oder des Vermieters, teilt der Deutsche Mieterbund mit. Beherbergt man für längere Zeit Geflüchtete in der Wohnung, so muss der Vermieter in jedem Fall in Kenntnis gesetzt werden - und vor allem zustimmen.
Über diese Portale kann man Wohnraum Geflüchteten anbieten
Hat man nun freien Wohnraum, den man anbieten möchte, gibt es zwei Möglichkeiten. Die Erste lautet, sich an die eigene Gemeinde, Stadt oder den Landkreis zu wenden. Viele Kommunen haben Kontaktmöglichkeiten eingerichtet, über die sich Unterkunftsmöglichkeiten melden lassen und dann zentral koordiniert werden. Sie finden sich auf den Seiten der Landratsämter oder der Städte.
Die zweite Möglichkeit, Wohnraum anzubieten, sind übergreifende Portale oder Plattformen. Davon gibt es zahlreiche. Vom bayerischen Innenministerium gibt es eine bayernweite Plattform. Beim vom Bundeswirtschaftsministerium-geförderten Elinor-Netzwerk kann man ebenfalls freie Plätze für bestimmte Zeiträume melden. "Shelter in Bavaria" ist eine Plattform, die von privaten Freiwilligen auf die Beine gestellt wurde. Den Kontakt zu den Suchenden stellen die Betreiber der Plattform dann her. Daneben gibt es auch Space-Eye: Dahinter steckt der gemeinnützige Verein Sea-Eye, der ursprünglich zur Seenotrettung gegründet wurde.
Sowohl Kommunen als auch Vereine koordinieren Zimmer für Ukrainer
Die Entscheidung, Geflüchtete in den eigenen vier Wänden aufzunehmen, ist jedoch nicht nur eine Frage des Platzes. Ukrainerinnen und Ukrainer reisen aus einem Kriegsgebiet an – was genau sie erlebt haben, lässt sich häufig nicht nachvollziehen. Deshalb handelt es sich bei der Aufnahme um eine "verantwortungsvolle Aufgabe", sagt Dr. Guido Terlinden, Kinder- und Jugendpsychiater bei Refugio München, einem Verein für die Beratung und Behandlung Geflüchteter. Er erklärt: "Die Menschen sind noch im Hochstress. Vielleicht sind Angehörige verletzt oder sterben, vielleicht wird das Hab und Gut beschädigt."
Der Psychiater erläutert, dass viele Geflüchtete nicht nur materielle Hilfe benötigten. "Man bietet vielleicht nicht nur einen Schlafplatz an, sondern es kann auch sein, dass die Menschen Aufmerksamkeit und Unterstützung benötigen", sagt der Psychiater. Das sei zwar nicht per se der Fall, doch man sollte sich dessen bewusst sein. Terlinden rät dazu, sich zu überlegen: "Kann ich das machen? Ist es gut überlegt und auch mit der Familie, mit den Kindern abgesprochen?"
Tipps: Wie ist umzugehen mit Geflüchteten in den eigenen vier Wänden?
Entscheidet man sich für die Aufnahme für Geflüchteten, so sollte man laut Terlinden nicht gezielt nach deren Erlebnissen fragen. Dazu gehöre auch der Versuch, die Menschen zum Reden zu ermutigen. "Das kann sogar schädlich sein", sagt Terlinden. "Es kann aber auch sein, dass Leute von sich aus erzählen möchten. Dann ist wichtig, das zu erlauben, und eine Atmosphäre zum Erzählen und Fragen zu schaffen."
Terlinden rät auch dazu, eigene Grenzen zu setzen. Denn es könne vorkommen, dass man in den Gesprächen mit Geflüchteten möglicherweise Belastendes aushalten muss. Er empfiehlt, mit Freunden und Familie zu sprechen. Hilft das nicht, könne man sich auch an Beratungsstellen wenden. Solche sind etwa die Caritas vor Ort, die Diakonie oder auch Refugio München (telefonisch unter 089/98295711 oder per E-Mail: info@refugio-muenchen.de).
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