Der Mann hat es einfach drauf. Keiner hat ein ausgeprägteres Gefühl für bayerische TV-Themen als Franz Xaver Bogner. Der Kultregisseur hat mit Serien wie „Irgendwie und Sowieso", „Zur Freiheit" oder „München 7“ Klassiker für die Ewigkeit geschaffen. Im vergangenen Jahr drehte der 73-jährige Regisseur eine neue Serie, die alle Chancen hat, sich dort einzureihen: „Himmel, Herrgott, Sakrament“. Als Vorlage diente ihm die Geschichte des umtriebigen, unkonventionellen Geistlichen Rainer Maria Schießler, der durch seine katholisch-anarchistische Amtsausübung weit über die Grenzen Münchens hinaus bekannt geworden ist.
Es ist wie immer bei Bogner: Die liebevollen kleinen Momente prägen die Episoden. Als etwa eine Frau den neuen Pfarrer bei einer unkonventionellen Taufe sieht, fragt sie ihn aufbrausend: „Wer glauben Sie eigentlich, wer Sie sind?“ Und der als Eberhofers Leberkäs-Verkäufer „Simmerl" und als ehemaliger Nockherberg-Söder bekannt gewordene Schauspieler Stephan Zinner, der die Hauptrolle spielt, antwortet trocken: „Reiser, heiß ich. Hans Reiser.“ Und schon ist man mittendrin in Münchens anarchistischer Pfarrgemeinde Sankt Maximilian in der Isarvorstadt, in der auch in Zeiten leerer Kirchen das Gotteshaus proppenvoll ist.
Pfarrer Schießler segnet homosexuelle Paare und Tiere
Schießler alias Reiser segnet homosexuelle Paare genauso wie Tiere, er bedient auf der Wiesn und spendet die Einnahmen für einen wohltätigen Zweck. Der Mann ist nah dran an den Menschen – und lebt selbst als katholischer Geistlicher mit einer Frau zusammen. Sein ungewöhnliches Lebens- und Arbeitsmodell macht Schießler bekannt wie einen bunten Hund. Er wird im Handumdrehen der beliebteste Pfarrer der Stadt – zumindest beim Kirchenvolk. Schießler ist Priester mit Leib und Seele, er ist für die Menschen da und verkündet die frohe Botschaft. Man könnte sagen, auch wenn der Vergleich hinkt, er ist eine Art moderner bayerischer Don Camillo.
Bogner sagt über sein neuestes Werk gegenüber unserer Redaktion: „Das ist eine spezielle Serie für mich, weil das Grundthema sozial tief verankert ist. Es ist einfach ein Problem, dass viele aus den Kirchen austreten und die Religion keine Rolle mehr spielt.“ Der Schießler habe es aber geschafft, dass die Leute in die Kirche rein- und nicht rausgehen. Das sei ein Phänomen, das mit einer hohen Begabung zu tun habe. Die Serie behandelt übrigens nicht nur Vordergründiges: Der Film gestattet auch Einblicke ins Persönliche des Geistlichen. Es geht auch um unerfüllte Liebe und Sexualität, um Einsamkeit, Zweifel und einen drohenden Burn-out.
Bogner: Pfarrer im Film ist eindeutig eine fiktive Person
Bogner sagt dazu: „Es gibt viele Dinge, die Schießler erzählt und die wir aufgegriffen haben.“ Der Pfarrer im Film sei aber eine eindeutig fiktive Person. Ob er selbst gläubig ist, will der Regisseur übrigens nicht sagen: „Darauf gebe ich schon seit hundert Jahren keine Antwort. Das geht nur mich selber was an.“
Der Kultregisseur verfilmt zum ersten Mal einen Stoff, den jemand anders geschrieben hat. Er und seine Drehbuch-Mitautoren Marcus Pfeiffer und Stefan Betz haben die Dialoge bewusst frei nach Schießlers Buchvorlage gestrickt. Dabei knüpft der neue Pfarrer Reiser schnell Kontakt zu seiner Nachbarin, die mit der Kirche eigentlich nichts am Hut hat. Es kommt aber anders, als man denkt: Die beiden befreunden sich. Die Romantik bleibe dennoch geerdet und realistisch, verrät Anne Schäfer, die die Freundin darstellt. Auch Produzent Philipp Kreuzer stellt klar, dass die Sache nicht in Richtung „Dornenvögel" geht.
So entstand der Buchtitel "Himmel, Herrgott, Sakrament"
Muss sie auch gar nicht. Die Serie entstand 2022 im Münchner Schlachthofviertel. Schießler hat Bogner dazu ein „Füllhorn lustvollen Katholizismus“ mit auf dem Weg gegeben, mit all den aktuellen Krisen der katholischen Kirche. Auch das Thema Zölibat fehlt nicht. Pfarrer Reiser selbst ist denn auch "nicht nur rein komödiantisch geschrieben", beschreibt Darsteller Zinner die Rolle.
Schießler selbst sagt: „Klar war, da wird nicht mein Buch verfilmt, sondern es ist quasi nur die Basis für die Filmgeschichte.“ Und es sei auch von Anfang an klar gewesen, dass er selbst keine Rolle übernehme. Zweimal sei er trotzdem persönlich am Set gewesen. „Wichtig war mir am Ende, dass mein Betrieb positiv ankommt. Und mir war schnell klar: Das wird gut! Die Serie wird schön. Ich freue mich drauf“, sagt der Pfarrer, schränkt aber ein: Ihm gehe es nicht darum, immer wichtiger zu werden, „sondern, weil ich weiß, der Film wird den Menschen guttun“.
Sein Verlag habe schon 2017 die Filmrechte verkauft. „Dann wussten wir, irgendwann kommt etwas. Denn allein der Titel ist so gut.“ So kam es auch. Zum Titel gibt es noch eine Anekdote:
, aber es habe keinen Titel gegeben. „Wir waren damals der Verzweiflung nahe. Und dann hat einer vor sich hingeflucht: Himmel, Herrgott, Sakrament. Und wir wussten sofort: Das ist der Buchtitel!“ Und, sagt Schießler in seiner ganz eigenen Art, die Dinge auszulegen, im Grunde sei das auch kein Fluch, sondern der Ausruf beschreibe wichtige Elemente im Leben eines katholischen Christen. Was er mit seinem Buch bisher verdient hat? „Ich weiß nur, dass es ein Jahr unter den Top Ten war. Um die Einkünfte kümmere er sich selbst nicht. „Das macht mein Steuerberater.“Bogner hat das Drehbuch übrigens nicht wie früher in aller Herrgottsfrühe um 4 Uhr begonnen, sondern sich inzwischen auf christlichere Zeit verlegt. „Ich schreibe nicht mehr nur frühmorgens, sondern nur mehr am Vormittag“, erzählt er. Er hat keine Lust mehr, so früh aufzustehen. Aber mittags muss die Arbeit abgeschlossen sein: „Nachmittags wird die Welt außen so laut, da mag ich nicht mehr. Außerdem habe ich engen Kontakt zu meinen Enkelkindern, die ab Mittag aus ihren Institutionen kommen.“ Eine seiner Töchter wohnt nur 100 Meter von seinem Haus entfernt. „Da habe ich drei Enkel praktisch täglich.“
Die sechsteilige Serie soll im Laufe dieses Jahres im BR-Fernsehen ausgestrahlt werden.