Herr Schneider, Ihre gleichnamige Weißbier-Brauerei ist international unterwegs. Liefern Sie noch Bier nach Russland?
Georg Schneider: Wir können kein Bier mehr nach Russland liefern.
Haben Sie den Export nach Russland von sich aus gestoppt?
Schneider: Nein, wir bringen einfach logistisch kein Bier mehr nach Russland, was für uns hart ist, denn Russland war bislang nach der Schweiz und noch vor den USA unser zweitwichtigster Exportmarkt. Von Russland aus hat unser Importeur auch die Ukraine bedient, die jetzt auch keine Schneider Weisse mehr bekommt. Die Lieferung von Bier nach Russland scheitert schlicht daran, dass wir keine Lkw und Fahrer bekommen, die das Bier in das Land bringen. Unser russischer Importeur ist traurig. Dabei hat er sich immer mit seinem Kollegen aus den USA gut verstanden, wenn beide von uns zu Treffen in Deutschland eingeladen waren.
Bier kann helfen, ideologische Gräben zu überwinden.
Schneider: Wenn man bei einem Bier zusammensitzt, kommt man sich näher. Menschen verstehen sich dann besser.
Dann müsste der russische Diktator Putin mal ein Bier mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj trinken.
Schneider: Bei einem Bier würden sie sich besser verstehen. Das ist sicher eine steile These, aber als Optimist und bayerischer Brauer-Präsident glaube ich, dass sie sich beim Bier näherkommen könnten. Ich würde Putin und Selenskyj jedenfalls bei uns in Kelheim oder im Weissen Bräuhaus in München gerne zum Bier einladen. Das Oktoberfest in München zeigt ja, dass Menschen unterschiedlicher Nationalitäten und Ideologien sich beim Bier zusammen harmonisch entspannen können.
Bier wäre demnach auch ein politisches Entspannungsmittel. Doch ob das Oktoberfest nun wirklich stattfindet, wenn die Corona-Zahlen weiter stark steigen, steht noch nicht fest.
Schneider: Die Wiesn wird und muss stattfinden.
Warum eigentlich?
Schneider: Weil die Wiesn eine so lange Vorlaufzeit hat, von den Reservierungen der Tische über die Hotelbuchungen bis hin zum Aufstellen der Zelte und Fahrgeschäfte. Angesichts der jetzigen Corona-Lage kann man die Wiesn einfach nicht absagen.
Doch Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat Zweifel, ob das Oktoberfest so wie früher stattfinden kann. Schon kursiert der böse Scherz: „Oans, zwoa, Covid“.
Schneider: Aber wir sind doch heute in der Lage, ganz anders mit Corona umzugehen als noch vor zwei Jahren. Viele Menschen sind geimpft, die Krankheit verläuft deutlich milder und viel weniger Menschen kommen ins Krankenhaus. Corona entwickelt sich zu einer lästigen, aber überschaubaren Krankheit wie die Grippe.
Doch Corona ist hoch ansteckend.
Schneider: Das ist so. Doch auch vor Corona waren viele Besucherinnen und Besucher nach der Wiesn krank, ob sie sich Erkältungen oder andere Krankheiten eingefangen haben. Natürlich ist es für die Politiker nicht einfach, abzuwägen, ob sie die Wiesn stattfinden lassen oder doch noch absagen. Doch sie werden sich für die Wiesn entscheiden, schon deshalb, weil nach einer Absage des Oktoberfestes andere Volksfeste abgesagt würden. Die Wiesn ist so etwas wie die Leitkuh der Volksfeste.
Die Menschen sind auf alle Fälle in Feierlaune, als ob es kein Corona gäbe.
Schneider: Die Menschen sind nach der langen Corona-Zeit nicht mehr zu halten. Ich besuche viele Feste und sehe dort ganz klar: Die Menschen wollen sich wieder in den Armen liegen. Gerade die jungen Leute sind nicht mehr zu halten. Sie wollen raus, feiern und auch Bier trinken.
Der Bierkonsum ist in der Corona-Zeit weiter zurückgegangen. Gibt es jetzt Licht am Boden der Maßkrüge? Zieht der Konsum im heißen Sommer wieder an?
Schneider: Leider bin ich hier skeptisch. Der Bierkonsum wird weiter zurückgehen. Die Menschen treiben viel Sport, sind figurbewusst und trinken weniger Bier. Und die Zeiten sind vorbei, wo ein schwer arbeitender Bauarbeiter einen Kasten Bier pro Tag getrunken hat. Heute ist der Beruf hoch technisiert. Da können es sich die Menschen nicht leisten, Alkohol zu trinken. Und bei uns leben immer mehr Menschen muslimischen Glaubens, die überhaupt keinen Alkohol trinken. Die Gesellschaft ist nüchterner geworden.
Und viele trinken gerne alkoholfreies Bier.
Schneider: Das hilft uns als Branche. Jedes achte verkaufte Bier ist schon ein alkoholfreies. Was auch positiv ist: Das Brauereisterben gehört der Vergangenheit an. Immer mehr junge Leute brauen Bier, viele davon Craft-Biere. Bier ist wieder sexy geworden.
Doch gerade mittelständische Brauereien sehen sich einem harten Preiswettbewerb mit den Konzernen ausgesetzt. Discounter drücken die Bierpreise. Das ist maximal unsexy.
Schneider: Leider können wir mittelständischen Brauereien keine höheren Preise am Markt durchsetzen. Doch eigentlich müsste der Kasten Bier nicht wie heute 14 bis 15 Euro, sondern 20 bis 25 Euro kosten.
Diese Preisspannen haben Sie schon 2018 so genannt.
Schneider: Der Wettbewerb ist unverändert heftig. Es hat sich leider wenig getan. Wir müssen damit auskommen.
Wenn das Oktoberfest stattfindet, kostet dort eine Maß Bier zwischen 12,60 und 13,80 Euro, also fast so viel wie ein Kasten Ihres Hauses im Handel. Ist das nicht unanständig?
Schneider: Das ist nicht unanständig.
Weshalb denn?
Schneider: Weil der Aufwand, bis jemand eine Maß Bier auf der Wiesn bekommt, groß ist. So muss auch der Auf- und Abbau der Festzelte bezahlt werden, also Arbeitszeiten, in denen kein Umsatz gemacht wird. Hinzu kommt die Musik in den Zelten. Das muss alles bezahlt werden.
Und wer bezahlt dem Brauereigewerbe die explodierenden Rohstoff- und Energiepreise?
Schneider: Natürlich müssen wir die Preissteigerungen irgendwann weitergeben. Sonst würden wir ja draufzahlen. Aber noch steigen die Bierpreise wegen des hohen Wettbewerbs in Deutschland nicht. Das kann sich aber noch in diesem Jahr ändern.
Sie rechnen also damit, dass Bier in diesem Jahr teurer wird?
Schneider: Ja, das ist unvermeidlich.
Welche Kostensteigerungen setzen den Brauereien am meisten zu?
Schneider: Alles wird derzeit teurer, von der Gerste über das Glas für die Flaschen, die Etiketten bis zum Leim für die Etiketten und die aus Stahl bestehenden Kronkorken. Der Preis für Gerste hängt am Weizenpreis, der international an den Warenmärkten ermittelt wird. Weil die Ukraine als einer der wichtigsten Exporteure kaum noch Weizen liefern kann, steigt auch der Preis für Gerste. So ist die Logik der Märkte. Unser Unternehmen bekommt zwar ausreichend Gerste, weil wir sie regional aus dem bayerischen Gäuboden beziehen, doch sie wird teurer.
Und wie sieht es mit den Hopfenpreisen aus?
Schneider: Entspannter, weil Hopfen nur für die Bierproduktion und medizinische Anwendungen angebaut wird. Hier hängt der Preis anders als beim Weizen nicht so sehr vom weltweiten Ernährungsfaktor und damit von der Ukraine ab. Die Welt der Rohstoffe ist komplex.
Und was passiert, wenn Putin uns das Gas abdreht?
Schneider: Dann hat vor allem die Glasindustrie als Lieferant unserer Flaschen ein immenses Problem. Das bereitet auch mir große Sorgen. Schließlich arbeiten alle Glashütten mit Gas. So eine Glaswanne hält rund 20 Jahre, wenn sie einmal hochgefahren ist. Wird die Wanne aber kalt, weil es kein Gas mehr gibt, ist sie kaputt. Dann wäre die Existenz der Glashersteller ruiniert. Und wir hätten ein Problem, weil wir Glas auch aus Deutschland beziehen.
Dann müssen wir wegen Putin Bier aus Plastikflaschen und Tetrapaks trinken.
Schneider: Plastikflaschen sind keine wirkliche Alternative, weil sie aus dem Rohstoff Öl hergestellt werden und für die Produktion viel Energie aufgewandt werden muss. Und Bier aus Plastikflaschen schmeckt einfach nicht so gut.
Wenn uns Putin das Gas abdreht, darf keine Flasche Bier mehr kaputtgehen.
Schneider: Ganz so eng wird es auch nicht. Denn wir profitieren dann immer noch von unserem ausgefeilten Mehrwegsystem. Eine Flasche Bier ist bis zu 80 Mal im Umlauf. Mit der Zeit schauen die Flaschen aber nicht mehr so schön aus. Sie bekommen dann diesen weißen Rand. Aber auch das Mehrwegsystem leidet unter den steigenden Energiepreisen. Denn die Flaschen müssen gewaschen werden, und das geht nicht ohne Energie. Und manche Brauereien setzen hier Öl und Gas ein, sind also wiederum von Putins Politik abhängig. Unsere Brauerei heizt zum Glück mit Holzhackschnitzeln.
Hatten Sie eine Vorahnung?
Schneider: Das hat nichts mit meiner Weitsicht zu tun. Unsere Brauerei in Kelheim liegt schlicht in einer waldreichen Gegend. Wir können Holz mit jedem Feuchtigkeitsgehalt verheizen. Wenn der Borkenkäfer zuschlägt und die Bauern ihr Holz schnell loswerden wollen, nehmen wir es ab. Für dieses Holz zahlen wir dann weniger Geld.
Dann sind Sie zumindest auf der sicheren Seite.
Schneider: Leider nicht. Denn unsere Vorlieferanten, wie etwa die Malzproduzenten, sind meist von Gas abhängig. Bierbrauen ist eine energieintensive Tätigkeit, vom Kochen des Biers bis hin zum Waschen der Flaschen. Und auch die Kühlung des Biers geht nicht ohne Energie.
Zur Person: Georg Schneider, 56, geschäftsführender Gesellschafter der Schneider Weisse G. Schneider & Sohn GmbH, ist seit 2016 Präsident des Bayerischen Brauerbundes. Der Vater von vier Kindern ist mit einer Journalistin verheiratet und entspannt gerne beim Malen. Die mittelständische Brauerei hat ihren Sitz im niederbayerischen Kelheim an der Donau und in München. Früher hat das Unternehmen auch in München gebraut. Doch die Sudstätte wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. In München betreibt die Familie aber noch zwei Wirtshäuser, darunter das berühmte Schneider Weisse Bräuhaus im Tal. In diesem Jahr feiert die Brauerei ihr 150-jähriges Bestehen.