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Evangelischer Kirchentag: Kirche, Klimakleber, Bratwürste: So läuft der Evangelische Kirchentag

Evangelischer Kirchentag

Kirche, Klimakleber, Bratwürste: So läuft der Evangelische Kirchentag

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    Markus Söder, Bayerns Ministerpräsident, steuerte unter anderem eine Bibelarbeit zum 38. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Nürnberg bei.
    Markus Söder, Bayerns Ministerpräsident, steuerte unter anderem eine Bibelarbeit zum 38. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Nürnberg bei. Foto: Daniel Karmann, dpa

    Wie soll man nur bei mehr als 2000 Veranstaltungen auf dem am Sonntag zu Ende gehenden Deutschen Evangelischen Kirchentag in Nürnberg den Überblick behalten? Das evangelische Online-Magazin Sonntagsblatt versucht es mit Empfehlungen der Art "Diese fünf Kabarett-Veranstaltungen dürft ihr nicht verpassen" oder "Die 10 spannendsten Veranstaltungen für junge Menschen". Überfordert bleibt dabei selbst, wer den Kirchentag online verfolgt. Immerhin: Das erspart einem ausgetretene Sandalen, Sonnenbrand und "Klimakleber".

    Die nämlich, "Letzte Generation"-Aktivisten, kleben am Freitagvormittag vorm Nürnberger Hauptbahnhof. Nachzulesen ist das zum Beispiel im Sonntagsblatt-"Newsticker" um 10.45 Uhr: "Die mit Warnwesten bekleideten Blockierer*innen hielten Plakate mit Slogans wie ... 'Wir sind auf dem Highway zur Klimahölle' hoch."

    Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder mache sich "als Prediger nicht schlecht"

    Der Eindruck, dass auf dem Kirchentag die Hölle los sein könnte, stellt sich zuvor schon bei den Nürnberger Nachrichten ein. Auf deren Internetseite berichtet ein Live-Kommentator von einer (überlebensgroßen) Moses-Figur, die Kirchentagsbesucher mit dem elften Gebot empfängt: "Du sollst deinen Kirchentag selbst bezahlen!" Später solle "eine sich entblößende Luther-Statue aufgebaut werden". Gut, dass Markus Söder da ist und nicht allein den Kommentator zu begeistern weiß, der schreibt: Der bayerische Ministerpräsident mache sich "als Prediger nicht schlecht in der nicht ganz vollen Halle 4a der Messe". Der gebürtige Nürnberger Söder sagt bei seiner Bibelarbeit, die Heilige Schrift sei ein "sehr politisch unkorrektes Buch". Er sagt noch allerlei mehr, auch beim anschließenden "Das Rote Sofa"-Talk, und macht damit Schlagzeilen. Besonders mit dem Satz: "Ich höre im Auto bei langen Fahrten gerne aus der Bibel, aber eher das Neue Testament. Audio-Bibel."

    Das Sonntagsblatt informiert um 11.15 Uhr zudem: Söder treffe auf seinen alten Lateinlehrer und müsse zugeben, er sei ziemlich schlecht in Latein gewesen. Söder, "protestantischer Christ mit Leib und Seele", habe auch alle Pfarrbriefe in seiner alten Gemeinde abonniert. Und: "Sein Klassiker darf auch nicht fehlen: 'Ein Leben ohne Nürnberger Bratwürste ist zwar möglich, aber sinnlos.'" Politisch ist der Prediger-Söder hiermit im Wahlkampfmodus angekommen, Stichworte: "Wurstverbot" und "Woke-Wahnsinn". Oder hat der Ministerpräsident ein anderes Karriereziel? Ein Liveticker-Reporter zumindest findet, sein "flammendes Bekenntnis: Was gebe es Schöneres als den christlichen Glauben", habe "manchmal wie eine Bewerbung für ein Bischofsamt" geklungen.

    Am Nürnberger Hauptbahnhof kleben Klimakleber der "Letzten Generation". Robert Habeck kritisiert sie scharf

    Keine Zeit, darüber nachzudenken, denn der grüne Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ist eingetroffen und muss "für gefühlt hunderte Selfies herhalten". Wie Söder darüber denken mag? Am Hauptbahnhof bei den Klimaklebern derweil: "Mit Steinschneider, Presslufthammer und Lösungsmittel möchte die Polizei die jungen Menschen vom Straßenbelag befreien." Die Letzte Generation twittert zu der gemeinsamen Störaktion ihrer Aktivisten mit "Menschen, die in kirchlichen Berufen & Ämtern tätig sind" und als Kommentar dazu: "Nein und Amen!"

    "Wer hat's verbockt?" Darüber diskutierte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen am Freitag mit Carla Hinrichs, Sprecherin der Letzten Generation.
    "Wer hat's verbockt?" Darüber diskutierte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen am Freitag mit Carla Hinrichs, Sprecherin der Letzten Generation. Foto: Daniel Karmann, dpa

    Es ist erst Kirchentags-Mittag und einem schwirrt der Kopf, aus dem das zur Kirchentags-Losung "Jetzt ist die Zeit" passende Lied – eines katholischen Liedtexters und früheren Bamberger Generalvikars – nicht mehr herauswill: "Jetzt ist die Zeit, jetzt ist die Stunde. Heute wird getan oder auch vertan, worauf es ankommt, wenn er kommt." Wahrscheinlich schwirrt auch Habeck (mit Kirchentagsschal) der Kopf, als er während einer Podiumsdiskussion zur Frage "Wer hat's verbockt?" neben der Sprecherin der Letzten Generation, Carla Hinrichs (ohne Kirchentagsschal), sitzt und sein typisch missmutig-genervtes Habeck-Gesicht zeigt. "Wenn wir die Klimafrage über alles stellen – wozu führt das denn?", fragt er. Die Nürnberger Nachrichten registrieren das Zitat: "Ihr Protest verpufft und macht viele Menschen zornig und ärgerlich. Er treibt die Leute weg vom Klimaschutz." Die Klebeaktion vorm Hauptbahnhof treffe die Falschen. Applaus im Saal. Den vermerkt das Sonntagsblatt auch für Hinrichs, die sagt, sie werde sich nicht abhalten lassen, ihre Forderungen weiter zu formulieren.

    Und dann gibt es am Freitag auch noch einen Gottesdienst, den eine KI gestaltet hat

    So ist das zur Halbzeit des fünftägigen Kirchentags, auf dem am Freitag obendrein ein von Künstlicher Intelligenz gestalteter Gottesdienst gefeiert wird. Die Deutsche Presse-Agentur nennt ihn "eine ziemlich emotionslose Angelegenheit". Was man von der Gesamtveranstaltung nicht sagen kann. Am Sonntag also wird es enden, dieses Gewimmel aus mehr als 2000 Einzelveranstaltungen. Kirchentagspräsident Thomas de Maizière sagte, er wäre "sehr zufrieden, wenn uns eine gemeinsame Form von Zeitendeutung gelänge".

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