Die ÖDP in Bayern setzt in ihrem Europawahlkampf auf das Thema neue Gentechnik und hat dazu eine Petition gestartet. Mehreren CSU-Europaabgeordneten wirft die Ökopartei vor, auf EU-Ebene gegen das bayerische Naturschutzgesetz zu agieren, indem sie letztlich für Deregulierungen bei neuer Gentechnik gestimmt hätten.
Die CSU-Europaabgeordnete Marlene Mortler entgegnete auf dpa-Anfrage, dass es auf die Unterscheidung zwischen traditioneller Gentechnik (GVO) und neuer Gentechnik ankomme. "Wenn beide Methoden miteinander in denselben Topf geworfen werden, bringt uns das nicht weiter und ist fachlich falsch."
Hintergrund sind Abstimmungen zum Thema Deregulierung bei neuer Agrar-Gentechnik im EU-Parlament Anfang des Jahres. Befürworter sehen darin die Chance, schneller an neue Züchtungen zu kommen, die etwa mit den Folgen des Klimawandels besser zurechtkommen oder weniger Pestizide benötigen. Zu den Kritikern der Deregulierung zählen auch EU-Abgeordnete von SPD und Grünen sowie Bio-Bauern.
Die ÖDP kritisiert mehrere CSU-Europaabgeordnete dafür, teils gegen die Kennzeichnungspflicht bei Produkten aus neuer Gentechnik, gegen eine Umweltverträglichkeitsprüfung und gegen eine Sicherheitsbewertung gestimmt zu haben. Damit würde sie auf EU-Ebene das bayerische Naturschutzgesetz aushebeln wollen.
Die bayerische ÖDP-Chefin Agnes Becker verweist auf Artikel 11b des bayerischen Naturschutzgesetzes, der besagt: "Der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen ist in Bayern verboten." Und Manuela Ripa, einzige Europaabgeordnete der ÖDP, wirft der Fraktion von Manfred Weber (CSU) vor, die bayerische Gesetzgebung auf EU-Ebene zu verraten.
CSU-Politikerin Marlene Mortler teilte dazu auf dpa-Anfrage mit: "Um seine internationale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, die Resilienz unserer Gesellschaft zu stärken und unsere Wirtschaftskraft auszubauen, sind wir als Standort Europa auf Forschung und Innovation angewiesen. Das gilt auch für die Pflanzenzüchtung."
Mehrheitlich hatte das EU-Parlament im Februar für das Deregulierungs-Vorhaben votiert. Anders als es die EU-Kommission zuvor vorgeschlagen hatte, wollen die EU-Parlamentarier allerdings, dass alle Produkte aus Gentechnik künftig im Supermarkt gekennzeichnet werden müssen - eben auch, wenn sie mit modernen Gentechnikmethoden gezüchtet wurden. Die Kommission hatte vorgeschlagen, dass dies dann nicht nötig sei, wenn eine Züchtung auch durch herkömmliche Methoden wie Auslese hätte entstehen können.
Auf die Unterscheidung bei den Methoden komme es an, so Mortler gegenüber der dpa. Das Bayerische Naturschutzgesetz beziehe sich ausschließlich auf den traditionellen gentechnischen Anbau.
Bei den neuen Züchtungsmethoden würden im Gegensatz zur Gentechnik (GVO) keine Fremdgene eingebracht, so Mortler, sondern kleine Mutationen im Genom erzeugt. Das passiere auch in der herkömmlichen, also traditionellen Züchtung. Das bedeute, dass vorteilhafte Mutationen isoliert, vermehrt und miteinander kombiniert würden. Damit seien neue Züchtungsmethoden nicht unterscheidbar von der herkömmlichen Züchtung. "Dagegen sind gentechnisch veränderte Pflanzen leicht unterscheidbar und leicht nachweisbar. Dies ist und bleibt wichtig. Wenn beide Methoden miteinander in denselben Topf geworfen werden, bringt uns das nicht weiter und ist fachlich falsch."
Definitionsfragen zu Gentechnik und neuer Gentechnik hatte Agnes Becker jüngst beim Landesparteitag als juristische Spitzfindigkeiten bezeichnet. Die ÖDP spricht bei der neuen Agrar-Gentechnik von unüberschaubaren Risiken und sieht insbesondere die Öko-Landwirtschaft gefährdet.
Die Partei startete eine Petition zur Verteidigung des Bayerischen Naturschutzgesetzes. Darin fordert sie die Staatsregierung auf, alles daranzusetzen, um "die Einhaltung bayerischer Gesetze sicherzustellen und die Zulassung der neuen Gentechnik doch noch abzuwenden". Mit der Petition will die ÖDP an den Landtag herantreten.
Im Zentrum neuer Gentechnik steht die Genschere Crispr/Cas, deren Entdeckerinnen 2020 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurden. Die Genschere steuert gezielt Gene an, die für eine bestimmte Eigenschaft verantwortlich sind. Der Genstrang wird an einer konkreten Stelle geschnitten und vom zelleigenen Reparatursystem wieder zusammengefügt.
Bevor die neuen EU-Regeln zur Agrar-Gentechnik in Kraft treten können, müssen noch mit den ebenfalls an der Gesetzgebung beteiligten EU-Staaten Verhandlungen über die genaue Umsetzung geführt werden. Dazu dürfte es vor der Europawahl (9. Juni) nicht mehr kommen.
(dpa)