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Ermittlungen: Fall Kellermayr: Hat der Hassmail-Autor auch einem Würzburger Anwalt gedroht?

Ermittlungen

Fall Kellermayr: Hat der Hassmail-Autor auch einem Würzburger Anwalt gedroht?

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    Der Tod von Lisa-Maria Kellermayr, die Morddrohungen aus der Szene der Impfgegner bekommen hatte, hat tiefe Betroffenheit ausgelöst.
    Der Tod von Lisa-Maria Kellermayr, die Morddrohungen aus der Szene der Impfgegner bekommen hatte, hat tiefe Betroffenheit ausgelöst. Foto: Hannes Draxler, dpa (Archivbild)

    Der Suizid von Lisa-Maria Kellermayr sorgte vor einem Jahr weit über Österreich hinaus für Schlagzeilen: Die Hausärztin war massiver Hetze, bis hin zu Morddrohungen, von Impfgegnern und Corona-Leugnern ausgesetzt. Die Ermittlungen, inwieweit der oder die Urheber von Hassnachrichten für den Tod der 36-Jährigen verantwortlich sind, übernimmt jetzt möglicherweise die Staatsanwaltschaft in Würzburg. Recherchen des österreichischen TV-Senders Puls4 deuten nämlich darauf hin, dass der Würzburger Rechtsanwalt Chan-jo Jun vom selben Täter oder derselben Tätergruppe wie Kellermayr mit dem Tod bedroht worden sei.

    Man prüfe ein "Übernahmeersuchen" der Staatsanwaltschaft in Berlin, bestätigt Thorsten Seebach, der Sprecher der Behörde in Würzburg. In der Bundeshauptstadt war zuletzt ergebnislos wegen der Todesdrohungen gegen Kellermayr ermittelt worden. Laut Seebach steht der Verdacht im Raum, dass der oder dieselben bislang unbekannte(n) Täter sowohl der Ärztin als auch dem Würzburger Anwalt nachgestellt haben. Die Würzburger Ermittlungen im Fall Jun laufen schon seit dem vergangenen Jahr.

    Neue TV-Doku über den Fall Kellermayr

    Den möglichen Zusammenhang zwischen beiden Fällen thematisiert der österreichische TV-Sender Puls4, der zur ProSiebenSat.1-Gruppe gehört, in der Dokumentation "Der Fall Kellermayr – mit tödlichen Grüßen", die am vergangenen Donnerstag ausgestrahlt wurde und nun auch im Internet abrufbar ist.

    Der Film, für den maßgeblich der Investigativjournalist Oliver Das Gupta ("Der Spiegel") verantwortlich ist, zeichnet die letzten Lebensmonate von Lisa-Maria Kellermayr nach. Die Ärztin hatte sich nach zahllosen Angriffen von Corona-Leugnern immer mehr isoliert. Von den Sicherheitsbehörden fühlte sie sich nicht ausreichend geschützt. Sie verschuldete sich, engagierte eigene Security-Leute und verschanzte sich in ihrer Praxis. Schließlich sah sie keinen anderen Ausweg mehr, als sich das Leben zu nehmen.

    Anwalt Jun ließ der Fall Kellermayr nicht mehr los

    Chan-jo Jun kannte die Ärztin zu Lebzeiten nicht. Als engagierter Streiter gegen Hass im Netz aber ließ ihn der Fall nicht los. Vor allem die Gnadenlosigkeit, mit der auch noch gegen die bereits tote Kellermayr gehetzt wurde, entsetzte den Anwalt so sehr, dass er zwischenzeitlich seinen Account beim Nachrichtendienst Twitter stilllegte.

    Richtig hellhörig wurde Jun, als er von einer Hassmail an die Ärztin erfuhr. Ein Unbekannter hatte Kellermayr darin detailgenau angekündigt, wie er sie und ihre Praxismitarbeiterinnen vergewaltigen und töten würde. Das erinnerte den Würzburg Anwalt an den Duktus, den Aufbau und die Wortwahl in einer Drohmail, die im Frühjahr 2022 bei ihm in der Kanzlei eingegangen war und dort für "Angst und Schrecken" unter den Mitarbeitenden gesorgt hatte. Auch hier äußert der Autor oder die Autorengruppe grausame Vergewaltigungs- und Hinrichtungsfantasien – ergänzt noch um üblen Rassismus wegen Juns asiatischer Herkunft.

    Zusammenhang zwischen Drohschreiben an Kellermayr und Würzburger Anwalt?

    Für die Puls4-Doku hat der linguistische Forensiker Patrick Rottler die Sprache und den Satzbau in beiden Drohschreiben genau analysiert. Er fand zahlreiche Parallelen. Für den Sprachprofiler aus München gilt es deshalb als sehr wahrscheinlich, dass die Hassmails den oder die gleichen Urheber haben. Das ist ein möglicher Ansatz für weitere staatsanwaltschaftliche Ermittlungen. Der Film zeigt auch die Versuche der Stuttgarter Netzaktivistin und Hackerin Nella, dem Absender der Mails auf die Spur zu kommen. Indizien führten ins Darknet, sagt Jun, der den TV-Beitrag bereits gesehen hat. Einen konkreten Verdächtigen könnten die Filmautoren aber nicht nennen. 

    Hoffnung auf neue Bewegung in den Ermittlungen

    Unterdessen hofft Chan-jo Jun, dass mit der Ausstrahlung der Doku neue Bewegung in die Ermittlungen der Justiz komme. Werde der Urheber der Hassnachrichten gefunden, wäre dies ein "sehr deutliches Signal" für alle jene, die immer noch glaubten, das Internet sei ein rechtsfreier Raum. Lasse sich am Ende vor Gericht ein Zusammenhang zwischen den Bedrohungen und dem Tod der Ärztin beweisen, müssten der oder die Täter mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren rechnen. 

    (Haben Sie suizidale Gedanken oder haben Sie diese bei einem Angehörigen/Bekannten festgestellt? Hilfe bietet die Telefonseelsorge: Anonyme Beratung erhält man rund um die Uhr unter den kostenlosen Nummern 0800/1110111 und 0800/1110222. Auch eine Beratung über das Internet ist möglich unter http://www.telefonseelsorge.de.)

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