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Energiesparen beim Warmwasser kann zu Legionellen-Gefahr führen

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Energiesparen beim Warmwasser kann gefährlich werden

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    Unbedacht die Warmwassertemperatur herunterzudrehen, um Energie zu sparen, ist keine gute Idee.
    Unbedacht die Warmwassertemperatur herunterzudrehen, um Energie zu sparen, ist keine gute Idee. Foto: Philipp von Ditfurth, dpa

    Seit einigen Wochen hat Albert Kohl deutlich mehr zu tun als sonst. Wie viele in seiner Branche ist der Heizungsbauer aus Bobingen im Landkreis Augsburg derzeit schwer zu erreichen. Denn die durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ausgelösten massiven Preissteigerungen, insbesondere beim Gas, haben dazu geführt, dass immer mehr Menschen Energie sparen möchten. Laut einer aktuellen Yougov-Umfrage im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur haben 39 Prozent ihren Energieverbrauch seit Kriegsbeginn reduziert. Zudem hat Ende Juni Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die Alarmstufe des Notfallplans Gas ausgerufen. Was läge da näher, als einfach die Warmwassertemperatur zu senken und somit den Gasverbrauch zu senken?

    "Bei den ganzen Fragen kommen wir gar nicht mehr hinterher", sagt Heizungsbauer Kohl. Etwa 50 seien es derzeit pro Woche. "Vor einem halben Jahr hat das noch niemanden interessiert." Doch was in den meisten Fällen nur ein einfacher Handgriff ist, kann unter Umständen gefährliche Konsequenzen nach sich ziehen. "Einfach unbedarft die Warmwassertemperatur zu ändern, ist gefährlich", sagt Philipp Luichtl aus Merching (Landkreis Aichach-Friedberg). Er ist im Vorstand der schwäbischen Spengler-, Sanitär- und Heizungsinnung.

    Mit einem kühleren Warmwasser steigt das Legionellen-Risiko

    Denn unter Umständen entstehen durch eine niedrigere Temperatur in den Wasserleitungen vermehrt Legionellen. Die Bakterien können beim Menschen unter anderem zu einer schweren Lungenentzündung, der sogenannten Legionärskrankheit, führen. In geringer Konzentration sind die Keime auch im Grundwasser zu finden, problematisch wird es aber erst in höherer Konzentration. Insbesondere Personen mit geschwächtem Immunsystem sind dann gefährdet. 2020 wurden dem RKI 1281 Fälle von Personen mit der Legionärskrankheit übermittelt, gestorben sind daran im selben Jahr 61 Patientinnen und Patienten.

    Die Trinkwasserverordnung schreibt für Großanlagen in Mehrfamilienhäusern eine Mindesttemperatur von 60 Grad am zentralen Trinkwassererwärmer vor. So lautet auch die allgemeine Empfehlung etwa des Bundesumweltamts und des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Außerdem sollte das Warmwasser im gesamten Leitungssystem nie kälter als 55 Grad sein. Eingehalten und kontrolliert werden muss dies regelmäßig vom jeweiligen Hauseigentümer. In Einfamilienhäusern gilt dagegen die Eigenverantwortung und das eigene Risiko. Ideale Wachstumsbedingungen finden die Erreger laut Robert-Koch-Institut zwischen 25 und 45 Grad – das deutlich kühlere Grundwasser ist also nicht betroffen.

    Über 400 Tage durften die Menschen im Donaucenter nicht duschen

    Philipp Luichtl selbst musste schon häufiger ausrücken, um Legionellen zu bekämpfen. Im Regelfall werden dann die Wasserleitungen thermisch desinfiziert, das Wasser also stark erhitzt. Dadurch sterben die Keime ab. Dass das aber nicht immer sofort zum gewünschten Erfolg führt, mussten die Bewohnerinnen und Bewohner des Donaucenters in Neu-Ulm schon mehrmals erfahren. Über 400 Tage lang durften die rund 500 Menschen im größten Hochhaus der Stadt zwischen November 2012 und Januar 2014 nicht duschen. Denn während man kontaminiertes Wasser – Magensäure sei Dank – bedenkenlos schlucken kann, gelangt das Virus in der Regel durch Aerosole, also durch den beim Duschen entstehenden Wassernebel in den menschlichen Organismus.

    Ali Dabanli ist Hausmeister im Donaucenter – auch er wohnt hier und war vom Duschverbot betroffen. Auf einen Schlag sei das Hochhaus groß im Rampenlicht gestanden. "Die Leute waren damals sehr verängstigt und unsicher. Die wenigsten wussten, was genau Legionellen sind", sagt er. Andere wiederum hatten die wenige Jahre zuvor im Raum Ulm durch eine Infektion Gestorbenen noch in Erinnerung. "Es war für uns am Anfang auch nicht nachvollziehbar, warum man das Wasser trotzdem trinken darf." Anfänglich seien viele Bewohnerinnen und Bewohner zum Duschen erst mal zu Eltern, Freunden oder ins Schwimmbad. "Später haben einige dann einfach den Duschkopf abmontiert, dann wird das Wasser ja nicht zerstäubt."

    Zudem kann durch die Temperatur nur wenig Energie gespart werden

    Doch die Keime verbreiten sich nicht nur durch niedrigere Warmwassertemperatur. Auch der Wasserdurchlauf hat darauf einen Einfluss. In Haushalten, in denen regelmäßig geduscht und anderweitig Wasser verbraucht wird, die Leitungen also kontinuierlich durchgespült werden, ist das Legionellen-Risiko prinzipiell niedriger. Stagnation in den Leitungen kann Keimwachstum begünstigen. "An keiner Stelle sollte das Wasser älter als 72 Stunden sein", sagt Albert Kohl.

    Ohnehin kann durch das Absenken der Warmwassertemperatur nur geringfügig Gas gespart werden, da sie nur etwa zehn Prozent der privaten Gaskosten ausmacht, wie Fachleute übereinstimmend sagen. Kohl und Luichtl raten deshalb zu einem gut isolierten Warmwasserspeicher. Eine weitere Möglichkeit sei es, die Zeit, in der das Warmwasser zirkuliert, zu reduzieren. "Da sehe ich eher ein Potenzial zum Energiesparen", sagt Luichtl.

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