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Energiekrise: Frieren fürs Vaterunser: Wie kalt wird es in den Kirchen im Winter?

Energiekrise

Frieren fürs Vaterunser: Wie kalt wird es in den Kirchen im Winter?

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    Ohne warme Jacken geht’s nicht: In vielen Kirchen könnte es in diesem Winter ziemlich kalt werden.
    Ohne warme Jacken geht’s nicht: In vielen Kirchen könnte es in diesem Winter ziemlich kalt werden. Foto: Matthias Bein, dpa

    An den Winter mag an diesem Sommermorgen eigentlich niemand denken. Die Sonne scheint vom pastellblauen Himmel, es weht ein leichtes Lüftchen, die Menschen tragen T-Shirts. Vor dem Augsburger Dom, in dessen Fenstern sich das warme Licht bricht, steht Priska Rathgeb, in zehn Minuten beginnt der Gottesdienst. An diesem Tag wird es in der Kirche angenehm warm sein – im Winter, an den man in diesen Tagen eben doch denken muss, wird die Sache indes anders aussehen. Denn auch die Kirchen müssen in dieser von einer drohenden Versorgungsknappheit überschatteten Zeit Energie sparen – und heizen deshalb weniger. „Dann zieh’ ich mich eben wärmer an“, sagt Priska Rathgeb und zuckt mit den Schultern. „Man muss jetzt sparen. Ich habe vollstes Verständnis, wenn in den Kirchen weniger geheizt wird“, sagt die 78-Jährige, die, so oft es geht, die Messe im Dom besucht. Sie sei ohnehin nicht so verwöhnt, meint sie dann. In ihrer Jugend wäre es in den Kirchen immer bitterkalt gewesen.

    Fast jeder zweite Deutsche spricht sich dafür aus, Kirchengebäude bis auf Weiteres nicht mehr zu beheizen, um Energie zu sparen. Das zeigt eine repräsentative Umfrage des Markt- und Sozialforschungsinstituts INSA im Auftrag der Nachrichtenagentur Idea, wie auf dem Internetportal der katholischen Kirche zu lesen ist. 46 Prozent der Befragten stimmten demnach für kalte Kirchen, 27 Prozent dagegen. 27 Prozent äußerten sich nicht. Was auffällt: In der Umfrage votierten ältere Menschen häufiger für kalte Kirchen als jüngere. Während 54 Prozent der über 60-Jährigen dafür waren, waren es bei den 18 bis 29-Jährigen nur 37 Prozent.

    In der letzten Heizperiode verschlang der Augsburger Dom rund 29.000 Euro

    Im Bistum Augsburg sind die Fachabteilungen derzeit damit beschäftigt, Handlungsempfehlungen für das Heizen von Kirchen – aber auch von Dienstgebäuden – zu erstellen. Mitte September soll es ein Konzept geben, sagt Bistumssprecher Ulrich Bobinger. Denn dass angesichts der drohenden Energiekrise etwas getan werden muss, stehe außer Frage. Vor allem, wenn man sich einmal die Dimensionen anschaut, mit denen das Bistum hantiert. Allein der Augsburger Dom, mehr als 113 Meter lang, fast Meter breit, verschlingt viel Geld: In der letzten Heizperiode betrug die Jahresabrechnung etwa 29.000 Euro. Beheizt wird der Dom mit Fernwärme der Augsburger Stadtwerke.

    Auch in der Erzdiözese München und Freising beschäftigt man sich mit dem kommenden Winter. „Die Abteilung Umwelt im Erzbischöflichen Ordinariat hat bereits Lehrfilme und Handreichungen für Sakralgebäude entwickelt, die unter anderem praktische Hinweise zum Senken des Energieverbrauchs enthalten“, sagt Hendrik Steffens, Sprecher der

    Hofstetten: Gottesdienst bei gerade einmal acht Grad

    Während vielerorts derzeit noch an Heizkonzepten gefeilt wird, kann man in der kleinen Pfarrei Hofstetten, die zum Bistum Eichstätt gehört, bereits ganz genau sagen, wie kühl es in der Kirche werden wird: acht Grad. Dass man das schon so genau weiß, hat erstaunlicherweise mit der Pandemie zu tun. „Vor Corona haben wir vor dem Gottesdienst die Heizung laufen lassen“, sagt Jürgen Reindl, der Kirchenpfleger. Weil die Umluftheizung aber zu Luftverwirbelungen führte, sei der Pfarrei in der Pandemie geraten worden, sie nicht mehr laufen zu lassen, damit sich Aerosole nicht so stark verbreiten. „Es war also schon in den letzten beiden Jahre etwas kälter bei uns“, sagt Reindl. Das Modell werde man nun beibehalten, um Energie zu sparen. Die Menschen seien es gewohnt, Beschwerden, dass es während der Messe zu kalt sei, habe es bisher nicht gegeben.

    Im Allgäu sind die Winter oft besonders eisig. Das evangelische Dekanat in Kempten hat bereits Pläne, wie die Menschen trotz Minusgraden nicht frieren müssen: Ab dem 6. Januar könnte es die „Winterkirche“ geben – mit Gottesdiensten in den ohnehin beheizten Gemeindehäusern. Derlei Pläne haben auch andere evangelische Kirchengemeinden.

    Die Krise ist auch eine Chance für mehr Klimaschutz durch die Kirchen

    Die Energiekrise kann in den Kirchen auch eine Chance für mehr Klimaschutz sein. In der Erzdiözese München und Freising etwa sollen Potenziale, auf den Liegenschaften von Erzdiözese, Pfarrkirchenstiftungen und weiteren kirchlichen Trägern Strom zu produzieren – insbesondere durch Fotovoltaikanlagen –, in den kommenden Jahren stärker nutzbar gemacht werden. Auch im Bistum Regensburg treibt man das Thema Klimaschutz voran. Derzeit liege der Verbrauch für alle zentralen Diözesangebäude und alle kirchlichen Gebäude in den Pfarreien bei insgesamt 181 Millionen Kilowattstunden Wärmeenergie – und diese Zahl soll deutlich sinken, wie das Bistum mitteilt. Bereits seit Januar 2020 laufe ein Klimaschutzprojekt. Unter anderem setzt man neben dem Tausch der alten Heizungssysteme auf die Erzeugung von Solarstrom mit Fotovoltaik-Anlagen auf kirchlichen Dächern. Beim Heizen will man mehr auf punktuelle Wärme setzen, etwa durch moderne Sitzbankheizungen.

    Der Winter mag noch ein paar Monate weg sein – ein großes Thema ist das alles aber eben schon jetzt. In den Kirchen, aber natürlich auch im Rest der Gesellschaft. Die Menschen seien zu viel Rücksicht und Solidarität fähig, meint der evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm gegenüber unserer Redaktion. Er gibt aber auch zu bedenken: „Ob wir diesen sozialen Zusammenhalt bewahren können, hängt davon ab, ob es bei den Maßnahmen der Politik sozial gerecht zugeht, ob unser insgesamt reiches Land bereit ist, dafür zu sorgen, dass auch die Schwächeren gut durch diesen Winter kommen.“

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