Die Bayerische Staatsregierung lehnt einen Boykott russischer Gaslieferungen strikt ab, spricht sich für eine übergangsweise Verlängerung der Laufzeit der letzten drei Kernkraftwerke aus und fordert von der Bundesregierung eine schnelle und massive Senkung von Steuern und Abgaben auf Benzin und Energie. Gleichzeitig beteuerten Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) nach einem Energiekonvent am Mittwoch in München ihren Willen, erneuerbare Energien auszubauen, um mittelfristig unabhängiger von fossilen Energien (Gas, Öl, Kohle) zu werden.
Vertreter der bayerischen Wirtschaft sind gegen Gas-Boykott
„Mit der Energieversorgung steht es fünf vor zwölf“, sagte Söder und warnte vor einem „Abstiegsszenario“ mit schwersten wirtschaftlichen und sozialen Folgen: „Es geht nicht nur darum, Bremsspuren zu verhindern, sondern es geht darum, dass man nicht aus der Kurve getragen wird.“ Aiwanger sagte: „Wir sind, ob wir wollen oder nicht, auf russisches Gas angewiesen.“
Eindringliche Warnungen vor einem Gas-Boykott kamen von Vertretern der bayerischen Wirtschaft, die an dem Energiekonvent teilnahmen. Sie beschrieben die aktuelle Situation als existenzbedrohend – nicht nur für einzelne Branchen, die direkt von Gas abhängig seien, sondern für alle. Die Verantwortung für den Ausbau erneuerbarer Energien sieht der Ministerpräsident im Wesentlichen beim Bund.
Für die Nutzung der Sonnenenergie fordert er eine bessere Vergütung und ein nationales Speicherprogramm. Bei Wasserkraft müsse wie bei der Windkraft der Grundsatz gelten: Versorgungssicherheit geht vor Naturschutz. Für Biogas müssten Neuregelungen her, andernfalls drohe die Abschaltung bereits vorhandener Anlagen. Und für die Geothermie brauche es „gerade für Süddeutschland“ ein Förderprogramm.
10H-Regel für Windräder soll weiter in Bayern gelten
Gleichzeitig bekräftigte er die Bereitschaft, mehr für den Ausbau der Windkraft zu tun, der mit der umstrittenen 10H-Abstandsregel faktisch gestoppt wurde. Ziel seien „500 XXL-Windräder“, sagte Söder. Es könnten auch deutlich mehr sein. 10H solle weiter gelten, aber „als Basis mit Ausnahmen“. Außerdem gehe es ihm um eine faire Verteilung innerhalb Bayerns. „Da sind wir gerade in der Erarbeitung einer Struktur, aber wir kommen da in der Koalition schon gut voran.“
Und schließlich soll nach dem Willen der Staatsregierung auch der Ausbau der umstrittenen Stromtrassen beschleunigt werden. Der Freistaat wolle die Verwaltung und die Verwaltungsgerichte entsprechend stärken, sagte Söder. Aiwanger, der sich in der Vergangenheit öfter als Gegner der Stromtrassen gezeigt hatte, verwies auf Nachfrage unserer Redaktion auf die Planungen des Bundes und sagte: „Die werden hoffentlich auch realisiert.“
Opposition kritisiert Markus Söders Energie-Politik
Heftige Kritik kam von der Opposition. „Markus Söder hat sich auf dem Energie-Pfad völlig verrannt. Phantomdiskussionen über hochgefährliche Atomkraftwerke helfen niemandem weiter. Stattdessen müssen wir endlich neue Wege gehen und raus aus der Abhängigkeit von undemokratischem Öl, Gas und Uran“, sagte der Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann. Nur mit ausreichend Wind- und Sonnenenergie werde Bayern zukünftig seinen Wohlstand auf sauberen Energien gründen können. SPD-Fraktionschef Florian von Brunn sagte: „Söder und Aiwanger sind durch die Blockade von Windkraft und Stromleitungen für die Probleme in Bayern verantwortlich. Die SPD dagegen stehe „für eine echte, mutige Energiewende mit 5000 statt nur 500 Windrädern, neuen Stromleitungen, massivem Ausbau der Geothermie und einem Sofortprogramm zum Energiesparen“.
Auch Raimund Kamm, der Vorsitzende des Landesverbandes Erneuerbare Energie, ging mit der Staatsregierung hart ins Gericht: „Das letzte Jahrzehnt war für die Energiewende in Bayern ein verlorenes Jahrzehnt.“ Atom, Erdgas, Erdöl und Kohle seien umweltschädlich, würden teurer und machten von despotisch regierten Ländern abhängig. "Kommentar