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Ende der Brückenklassen für ukrainische Kinder in Bayern

Schule

Keine eigenen Klassen mehr für geflüchtete Kinder

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    In den Brückenklassen wurden ukrainische Kinder und Jugendliche auf ihr neues Schülerleben vorbereitet.
    In den Brückenklassen wurden ukrainische Kinder und Jugendliche auf ihr neues Schülerleben vorbereitet. Foto: Robert Michael, dpa

    Die letzten Wochen des Schuljahres sind für viele Schülerinnen und Schüler die schönsten. Viel Action, weniger Unterricht. Gerade sind Wandertage. Die ukrainischen Schülerinnen und Schüler an der Realschule Zusmarshausen (Kreis Augsburg) sind bei den Ausflügen der Regelklassen dabei, sie gehören längst dazu. Gelernt aber haben viele von ihnen bisher getrennt von deutschsprachigen Gleichaltrigen, in eigens eingerichteten, sogenannten Brückenklassen. Auf dem Stundenplan stand Deutsch, viel Deutsch, Mathematik und Englisch. So sollten die Geflüchteten auf das bayerische Bildungssystem vorbereitet werden. Zum Ende des Schuljahres kommt nun das Ende der 630 noch bestehenden Brückenklassen.

    Manche der derzeit elf ukrainischen Schüler in der Zusmarshauser Klasse waren von Anfang an dabei, haben zwei Jahre dort gelernt. Andere gingen zurück in die Ukraine, wieder andere wechselten in eine reguläre Klasse. „Bei uns war die Brückenklasse ein Erfolgsmodell“, sagt Jürgen Seipt-Wunderwald, Schulleiter in Zusmarshausen. „Das ist auf den glücklichen Umstand zurückzuführen, dass wir über persönliche Kontakte eine ukrainische Lehrkraft gewinnen konnten, die schon länger in Deutschland lebt. Das war für die Schülerinnen und Schüler super.“ Mit Herzblut kümmerte sie sich um die Kinder und Jugendlichen, die in ihrer Heimat die 5. bis 9. Klasse besuchen würden. Sie wusste, wovon sie sprachen, wenn sie von ihren zerstörten Städten erzählten. Und sie habe die Kinder und Jugendlichen „auf ein ordentliches sprachliches Niveau gebracht“, sagt der Schulleiter. „Wenn ich die Kinder heute so im Schulalltag erlebe, nehme ich sie sehr positiv wahr.“

    Die Bilanz der Brückenklassen ist am Ende gemischt

    Anderswo ist die Bilanz nicht ganz so erfreulich wie in Zusmarshausen. Der Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) beklagte, dass es bei den Brückenklassen an einem klaren Konzept und einem konkreten Ziel mangelte. In den Grund- und Mittelschulen sowie in Förderzentren fehlten demnach mitunter geschulte Pädagogen für solche Integrationsangebote, teils schnell angeworbenes Personal habe die Sprache der Schüler manchmal nicht verstanden und sei nicht für das Vermitteln von Deutsch als Zweitsprache geschult gewesen.

    Wie viel die Übergangsklassen am Ende gebracht haben, plant man im Kultusministerium nicht zu evaluieren. Eine Sprecherin von Schulministerin Anna Stolz (Freie Wähler) spricht von einer „erfolgreichen schulischen Integration“ binnen kurzer Zeit. „Das war maßgeblich darauf zurückzuführen, dass sich alle Schularten solidarisch an dieser Mammutaufgabe beteiligt haben.“ In der Hochphase, als Putins Krieg die Menschen zu Tausenden aus der Ukraine nach Deutschland fliehen ließ, lernten 12.000 Schülerinnen und Schüler in Brückenklassen. Hunderte weitere, jüngere Kinder gewöhnten sich in sogenannten Willkommensgruppen an den Grundschulen an ihr neues Leben. Einen Lehrplan gab es da nicht. Ankommen, ein wenig Alltag, erste Kontakte mit der deutschen Sprache knüpfen, darum ging es.

    Rund 33. ukrainische Schülerinnen und Schüler lernen in Bayern.
    Rund 33. ukrainische Schülerinnen und Schüler lernen in Bayern. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Heute lernen 33.000 ukrainische Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene an Bayerns Schulen; die große Mehrheit, etwa 25.000, in Regelklassen und in Klassen mit ergänzenden Sprachförderangeboten. Etwa 8300 werden noch in den Brückenklassen an Mittelschulen, Realschulen, Wirtschaftsschulen und Gymnasien beschult.

    Wie es für sie weitergeht? Ihre Lehrkräfte haben den ukrainischen Lernenden eine weiterführende Schulart empfohlen – auch in Zusmarshausen. „Leistungsstand, Arbeitsverhalten, Konzentrationsfähigkeit und andere Kriterien“, habe man dabei zugrunde gelegt, erklärt Schulleiter Seipt-Wunderwald. Einige werden weiter Sprachlernklassen besuchen. Denn anstelle der Brückenklassen wird das an Mittelschulen etablierte Modell der Deutschklassen auf weitere Schularten ausgeweitet. Sie sind allerdings nicht wie die Brückenklassen für die Jahrgangsstufen 5 bis 9 offen, sondern nur noch für Kinder der 5. und 6. Klasse. An den Mittelschulen wird es aber wie bisher schon auch Deutschklassen für Ältere geben.

    Deutschklassen sollen Brückenklassen teilweise ersetzen

    Das Besondere daran: Das Angebot richtet sich an alle Kinder ohne Deutschkenntnisse, egal aus welchem Herkunftsland. „Das bringt große Vorteile für einen schnellen Spracherwerb, da Deutsch die gemeinsame Sprache in den Klassen darstellt“, heißt es aus dem Kultusministerium. Damit könnte ein oft geäußertes Problem der Brückenklassen bald behoben sein, nämlich dass die Schüler sichim Unterricht lieber auf Ukrainisch als auf Deutsch unterhielten. In den Deutschklassen sollen die Jugendlichen nicht nur „schnellstmöglich“ die deutsche Sprache lernen, sondern auch bayerische und demokratische Werte vermittelt bekommen und dann laut der Stolz-Sprecherin „möglichst rasch“ in eine Regelklasse wechseln.

    Der Zusmarshauser Schulleiter Jürgen Seipt-Wunderwald geht das Modell der Deutschklassen aufgeschlossen an. Aber er fragt sich, inwiefern sie auf dem Land umsetzbar sein werden. „Auf dem Land gibt es ja meist gar nicht so viele Kinder anderer Nationalitäten an einem Ort. In der Stadt ist der Anteil deutlich größer. Das würde möglicherweise weitere Anfahrtswege für nicht-deutschsprachige Kinder vom Land, die erst seit Kurzem in Deutschland sind, bedeuten.“ Hierfür eine Lösung zu finden, ist jetzt die Aufgabe der Schulämter.

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