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Elmau: G7-Gipfel in Elmau: Bevölkerung sieht Treffen kritisch

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G7-Gipfel in Elmau: Bevölkerung sieht Treffen kritisch

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    Die womöglich berühmteste Parkbank Deutschlands steht vor Schloss Elmau: Beim G7-Gipfel 2015 entstand dort das Foto von US-Präsident Barack Obama mit Angela Merkel, das um die Welt ging. Im Juni kehrt der Gipfel nach Elmau zurück.
    Die womöglich berühmteste Parkbank Deutschlands steht vor Schloss Elmau: Beim G7-Gipfel 2015 entstand dort das Foto von US-Präsident Barack Obama mit Angela Merkel, das um die Welt ging. Im Juni kehrt der Gipfel nach Elmau zurück. Foto: Viktoria Gerg

    Es führt nur eine einzige Straße zu dem Ort, wo sich Ende Juni dieses Jahres ein Teil der mächtigsten Politiker der Welt zum G7-Gipfel trifft. Am Anfang des Weges steht auf der rechten Seite eine kleine Hütte aus Holz mit grünen Fensterläden. Sobald man auf das Häuschen zufährt, tritt ein bärtiger Mann in grauem Wollpullover heraus und nimmt die Mautgebühr entgegen. Die Straße säumen dicht stehende Nadelbäume, neben dem Asphalt türmt sich beidseitig rund ein halber Meter Schnee. Das Ziel am Ende des verschlungenen Weges: Schloss Elmau.

    Wie wirkt sich der G7-Gipfel dieses Jahr auf die Bevölkerung aus?

    Auf rund 1000 Metern liegt das Luxushotel idyllisch von Wiesen umgeben, eingerahmt vom Wettersteingebirge. Ein idealer Ort, um die Staatschefs von der Umgebung abzuschirmen. Doch die Maßnahmen, die die Sicherheitskräfte ergreifen, beschränken sich nicht nur auf das Schloss, sondern erstrecken sich auf den gesamten Landkreis Garmisch-Partenkirchen. Wie sich der G7-Gipfel dieses Jahr auf die Bevölkerung auswirkt und wie sie damit umgehen.

    Aufgeblasener Protest: Freundlicher Jubel, wütende Demonstranten und bunte Aktionen. Der G7-Gipfel 2015 löst sehr unterschiedliche Reaktionen aus.
    Aufgeblasener Protest: Freundlicher Jubel, wütende Demonstranten und bunte Aktionen. Der G7-Gipfel 2015 löst sehr unterschiedliche Reaktionen aus. Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa

    In der Brust von Bürgermeister Thomas Schwarzenberger (CSU) schlagen zwei Herzen, wenn er an den bevorstehenden G7-Gipfel denkt, der dieses Jahr vom 26. bis 28. Juni stattfinden soll. Das Schloss in Elmau gehört zu seiner Gemeinde Krün, weswegen diese besonders in die Vorbereitungen involviert ist. Zum einen freue er sich, dass

    Abschlussprüfungen der Realschüler in Garmisch stehen auf dem Spiel

    Die größte Herausforderung sei dieses Jahr die Zeit, denn erst im November 2020 wurde bekannt, dass der G7-Gipfel wieder auf Schloss Elmau stattfinden soll: "Wir haben dieses Mal nur ein halbes Jahr, um alles auf die Beine zu stellen. Beim letzten Gipfel 2015 seien es eineinhalb Jahre gewesen. Zwar hätten sie noch viele Unterlagen vom letzten Mal und damit auch das grobe Konzept, aber einige Sachen hätten sich doch geändert. Vor allem Schülerinnen und Schüler der Zugspitz-Realschule in Garmisch-Partenkirchen stehen heuer vor einem großen Problem, denn dieses Jahr findet das Treffen nicht in den Ferien statt.

    Im Zeitraum des Gipfels stehen die Abschlussprüfungen an. Die Schüler werden derzeit in Containern an der Bahnhofstraße unterrichtet, da die Schule renoviert wird. In der gleichen Straße werden allerdings die Demonstrationszüge erwartet. Wie die Prüfungen stattfinden sollen, ist bislang ungewiss. Schwarzenberger wünscht sich, dass die Prüfungen um ein paar Tage verschoben werden, was allerdings dann in ganz Bayern durchgesetzt werden müsste: "Für die Kinder ist das eine absolute Stresssituation.

    Es sind einschneidende Tage, denn ihre Zukunft hängt davon ab." Anton Speer (Freie Wähler), Landrat des Landkreises Garmisch-Partenkirchen, trifft sich in knapp zwei Wochen mit dem Bayerischen Kultusminister Michael Piazolo, um eine Lösung zu finden. Für alle anderen Schüler hat das Bayerische Kultusministerium bereits Distanzunterricht angeordnet.

    Hotels für Sicherheitskräfte bis München und ins österreichische Tirol angefragt

    Beim Gipfel werde es heuer Gewinner und Verlierer geben, sagt Schwarzenberger. Positiv werde es sich auf die Hotellerie auswirken: Schon jetzt seien die Hotels im ganzen Landkreis und darüber hinaus gut gebucht, auch längerfristig: "Die Polizei mietet ganze Häuser für vier bis sechs Wochen." Er habe die Gastgeber darum gebeten, die Gäste zu informieren, dass es wegen des G7-Gipfels zu Einschränkungen kommen könne. 2015 seien 20.000 bis 25.000 Sicherheitskräfte im Landkreis gewesen, da "wird die zweite Junihälfte für Urlauber nicht spaßig". Viele Wanderwege seien gesperrt und das Gebiet um Elmau herum könne man gar nicht betreten.

    Um all die Sicherheitskräfte unterzubringen, werden Unterkünfte bis München und ins österreichische Tirol angefragt. Noch dazu finden in Oberammergau zeitgleich die Passionsspiele statt, die die Bettensituation noch mehr verschärfen. Da es im Umkreis allerdings nicht genug Betten gebe, werde es auch viele Tageseinsätze der Polizei aus

    Ein Großteil der Bevölkerung ist gegen den G7-Gipfel in Elmau

    Auf Gastronomie und Einzelhandel kommen wohl schwere Zeiten zu. Schwarzenberger prophezeit, dass es Umsatzeinbußen geben werde. Die Sicherheitskräfte seien keine normalen Urlauber, die Essen gehen und durch die Läden bummeln: "Nach Corona trifft das die Wirte besonders hart, aber wir bemühen uns, einen

    Hört man sich bei der Bevölkerung vor Ort um, dann sind die meisten nicht besonders gut auf G7 zu sprechen, denn für sie bedeutet das vor allem eines: viele Einschränkungen. Schwarzenberger berichtet, dass die B2 von Krün nach Garmisch-Partenkirchen an den Gipfeltagen gesperrt wird: "Wer da arbeitet, wird sich schwertun, dort hinzukommen." Das Gebiet rund um das Schloss Elmau, das rund zehn Kilometer von Krün entfernt liegt, werde zwölf bis 14 Tage lang weiträumig gesperrt.

    Dieser Trubel ist vielen Bürgerinnen und Bürgern zu viel. Für Familie Flagel aus Wallgau (Landkreis Garmisch-Partenkirchen) ist der Gipfel eine Belastung. "Wir werden flüchten, denn in dieser Zeit kann man nirgends hin", erklärt Hiltraud Flagel. An jeder Ecke stünde Polizei und der Ansturm an Touristen nach dem Gipfel sei auch immens, sagt ihr Mann Reinhard. Ein junger Mann aus Garmisch-Partenkirchen stört sich vor allen Dingen an den "ausufernden" Kontrollen: "Alle paar Meter steht Polizei. Das letzte Mal hab ich für 800 Meter viereinhalb Stunden gebraucht. Das ist doch nicht mehr normal."

    Andreas und Rita Bongardt sind zwiegespalten. Mutter und Sohn betreiben in Krün ein Kaffeehaus und vermieten ein Apartment. Auf der einen Seite war der Gipfel 2015 für Rita Bongardt ein einmaliges Erlebnis, auf der anderen Seite sei das Geschäft in dieser Zeit schlecht gelaufen. "Die Polizei hat zwar gut gezahlt, aber wir hatten sonst kaum Gäste. Da hat es sich nicht mehr gelohnt, das Café zu öffnen", sagt Andreas Bongardt. Andere Bürger sind wütend, wie eine Frau aus Walgau. Sie ist Eigentümerin einer Pension und mache das "Theater" dieses Jahr nicht mehr mit: "Ich werde meine Zimmer an niemanden, der mit G7 etwas zu tun hat, vermieten. Ich sehe es auch gar nicht ein, dass ich meinen Stammgästen absage, so wie andere Häuser das machen."

    Gastronomie und Einzelhandel drohen Umsatzeinbußen durch G7-Gipfel

    Neben den Sorgen um Umsatzeinbußen hat Schwarzenberger noch andere, denn die Situation mit den Demonstranten könnte diesmal eine andere sein: "Im Sommer 2015 hatten wir noch keine Flüchtlingsbewegung, keine Klimaaktivisten und keine Corona-Demonstranten." Er hoffe, dass alles friedlich verlaufe, denn das Recht zu demonstrieren gehöre in einer Demokratie dazu. Nur Menschen, die Chaos verbreiten und sich radikalisieren, akzeptiere er nicht. Der Bürgermeister setze sein Vertrauen in die Polizei: "Ich bin mir sicher, dass es solche Bilder wie beim Gipfel in Hamburg bei uns nicht geben wird."

    Schwarzenberger hoffe, dass es genauso ruhig verlaufe wie 2015. Damals seien die Demonstranten über die Berge gewandert und haben die Absperrungen zum Schloss Elmau durchbrechen wollen, was ihnen allerdings nicht gelungen sei. Die Gipfel-Gegner hätten die Höhenmeter und die heißen Temperaturen unterschätzt. An der Absperrung angekommen, hätten die Polizisten die Menschen dann mit Wasser versorgt. Auch alle anderen Protestzüge seien friedlich verlaufen, berichtet Landrat Speer: "Es war der friedlichste Gipfel aller Zeiten."

    Das Demonstrations-Camp des Aktionsbündnisses "Stop-G7-Elmau" auf einer Wiese am Rande der Stadt Garmisch-Partenkirchen mit rund 1000 Personen sei mit Essen und Trinken versorgt worden, im Gegenzug verlangte Speer, dass sie sich ruhig verhalten. Die Menschen hielten Wort. Bis jetzt seien drei Anfragen für Dauerkundgebungen des Bündnisses beim Landratsamt eingegangen. Insgesamt sollen 2500 Personen teilnehmen. Dieses Jahr sei das Camp auf der Wiese wieder im Gespräch, es liege aber am Eigentümer, ob er es wieder zur Verfügung stelle, sagt Speer.

    Um die Einheimischen vor möglichen Schäden zu schützen, habe der Freistaat in Zusammenarbeit mit der Bundesregierung 2015 eine Vandalismusversicherung abgeschlossen, erklärt Schwarzenberger. Zwar sei vor sieben Jahren nichts Gravierendes passiert, trotzdem werde es heuer wieder so eine Versicherung geben. Einige Bürger hätten allerdings eine eigene Versicherung abgeschlossen, weil sie auf Nummer sicher gehen wollten.

    Der Landkreis erhält durch den G7-Gipfel Förderungen

    Für den Landkreis ist der Gipfel allerdings nicht nur Arbeit, viele Gemeinden profitieren auch davon. Die Feuerwehr von Garmisch-Partenkirchen bekomme aus Zuschüssen neue Fahrzeuge und auch eine Brücke in Elmau wird neu gebaut, sagt Landrat Speer. Auch in Krün sei in Sachen Infrastruktur viel passiert: neue Wasser- und Abwasserleitungen und ein neuer Rathausplatz. "Das wäre ohne den Gipfel so nicht passiert", sagt Schwarzenberger.

    Wenn man an den letzten G7-Gipfel in Elmau 2015 zurückdenkt, kommen Bilder von Barack Obama in den Kopf, der vor der Kulisse des Wettersteingebirges auf einer Holzbank sitzt. Vor ihm steht Angela Merkel mit ausgestreckten Armen. Oder die Fotos von Obama beim Weißwurstessen auf dem Rathausplatz in Krün. Dass er heuer wieder mit dem US-Präsidenten, diesmal Joe Biden, ein Weißbier trinken kann, glaubt Schwarzenberger nicht. Nach seinen Informationen sind die Termine so getaktet, dass so eine gesellige Runde nicht möglich ist.

    Weltpolitik vor Alpenpanorama: die damalige Kanzlerin mit dem Ex-US-Präsidenten Barack Obama im Jahr 2015 in Elmau.
    Weltpolitik vor Alpenpanorama: die damalige Kanzlerin mit dem Ex-US-Präsidenten Barack Obama im Jahr 2015 in Elmau. Foto: Michael Kappeler, dpa (Archivbild)

    Er sei auch das letzte Mal gar nicht am Tisch des Präsidenten vorgesehen gewesen, aber Obama habe ihn herbeigerufen. Die Volksnähe von Obama habe ihn sehr beeindruckt: "Er hat jedem Einzelnen, auch den Menschen in der letzten Reihe, die Hand geschüttelt." Auch wenn der Ex-Präsident die Weißwurst eher seziert habe als genüsslich verspeist, haben ihm wohl die Breze und das Bier gut geschmeckt.

    Viel wichtiger als ein Weißbier mit dem Präsidenten sei ihm ohnehin, dass akute Probleme gelöst würden, sagt Schwarzenberger. Besonders der Krieg in der Ukraine. Seiner Meinung nach bestehe das Problem auch darin, dass Putin vom Gipfel vor Jahren ausgeschlossen wurde: "Wenn er noch dabei wäre, wäre das nicht passiert. Denn solange man zusammen am Tisch sitzt, schießt man nicht aufeinander." Ob er dann tatsächlich zu steuern wäre, wisse der Bürgermeister nicht, aber er glaube, dass die Situation besser zu händeln wäre. Außerdem sei es für ihn wichtig, dass Themen wie der Klimaschutz, die Schere zwischen Arm und Reich und die Flüchtlingsbewegungen aus Afrika thematisiert werden.

    Der Gipfel im Elmau soll voraussichtlich 166 Millionen Euro kosten

    Für Landrat Speer sei der Gipfel eine "Mammutaufgabe". Jedes Land habe sein eigenes Sicherheitskonzept, was die Lage noch komplizierter mache. Auch alle Personen zu koordinieren, die am Gipfel teilnehmen, sei keine leichte Aufgabe: "Allein der amerikanische Präsident bringt 1000 Delegationsmitglieder mit." Insgesamt kämen 4000 bis 5000 Delegationsmitglieder aller Nationen.

    Wie eine Sprecherin des Planungsstabs des G7-Gipfels der Polizei mitteilt, waren 2015 rund 18.000 Polizistinnen und Polizisten vor Ort, sodass es der bislang größte Polizeieinsatz in Bayern war. Insgesamt seien 20.000 bis 25.000 Sicherheitskräfte, darunter Feuerwehr, Technisches Hilfswerk und Rotes Kreuz, anwesend gewesen, erklärt Landrat Speer. Er schätzt, dass es dieses Jahr ähnlich viele Einsatzkräfte werden. Das bayerische Innenministerium schätzt die Kosten heuer auf 166 Millionen Euro. 2015 waren es mit 135 Millionen Euro noch deutlich weniger.

    Die größte Sorge von Landrat Speer sei, die Hygieneverordnung umzusetzen. Bis jetzt wisse er nicht, welche Regeln gelten. Wenn diese sich ein paar Tage vor dem Gipfel noch einmal ändern, werde es unmöglich sein, diese umzusetzen: "Es wird noch spannend."

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