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Eine Großstadt wird zur Weide

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Eine Großstadt wird zur Weide

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    Schäfer Christian Hartl mit seiner Herden am Hochablass im Augsburger Südosten.
    Schäfer Christian Hartl mit seiner Herden am Hochablass im Augsburger Südosten.

    Augsburg Wollmarkt, Kitzenmarkt oder Ochsenbach – überall in

    Dann kam die Wende: Aus Übersee wurde billige Schafwolle nach Europa importiert. Als weiterer Konkurrent kam die Baumwolle. Damit begann der Niedergang der Schafbeweidung auf den Lechheiden. Der letzte Augsburger Wollmarkt fand 1914 statt. Von den ökologisch einmaligen Heiden vor den Toren der Großstadt ist nur noch ein Prozent übrig geblieben. Und dieses Relikt drohte auch noch zu verschwinden.

    Der Augsburger Landschaftspflegeverband (LPV) wollte dies verhindern. Auf seine Initiative hin ist seit 20 Jahren wieder ein Wanderschäfer im Augsburger Naherholungsgebiet unterwegs. Es gehört heute schon fast zum Stadtbild, wenn Schäfer Christian Hartl im Frühjahr mit seiner Herde von Mühlhausen (Kreis Aichach-Friedberg) durch die Grünanlagen am Lech ins Naturschutzgebiet „Stadtwald Augsburg“ im Süden zieht. Es sind immerhin zehn Kilometer. Er beweidet dort in den Sommermonaten mit seinen 500 bis 700 Tieren wertvolle Biotopflächen.

    Die Schäfer leben heute nicht mehr von Wolle und Fleisch, sondern von der Landschaftspflege. „In der Biotoppflege sind sie ein unverzichtbarer Partner“, sagt LPV-Geschäftsführer Nicolas Liebig. Ohne ihren Einsatz würden die Heiden verbuschen. Die Schafe ermöglichen auf den kleinen und isolierten Biotopen einen Arten- wie auch einen genetischen Austausch. Denn sie transportieren in ihrem Fell Samen von zahlreichen Pflanzen oder kleine Insekten wie Heuschrecken. Die Herde gehört längst zum Bild in dem großen städtischen Naturschutzgebiet, das stark von der Freizeitnutzung geprägt ist.

    Liebig wollte sich nicht mit der Schafbeweidung zufriedengeben. Die Tiere sind ideal für die Heiden. Akuten Handlungsbedarf gab es aber auch im lichten Kiefernwald. Er vergreiste und drohte zusammenzubrechen. Seit nunmehr elf Jahren sorgen Wildpferde durch einen selektiven Verbiss und ihre Trittschäden dafür, dass Samen aufgehen können und junge Bäume im Dickicht eine Chance zum Aufwuchs haben. Die fünf Przewalski-Hengste sind zu Publikumslieblingen geworden.

    Die Erfolge bei der Schaf- und Pferdebeweidung spornten das Team des Landschaftspflegeverbands an. Es setzte sich ein weiteres ehrgeiziges Ziel: Augsburg sollte wie früher wieder zur Weidestadt werden. Das tut sie mit Mitteln aus dem Bayerischen Naturschutzfonds: 350000 Euro stehen bis 2020 zur Verfügung. Schäfer Hartl konnte sich einen Anhänger für seine „Ziegen-Taskforce“ kaufen. Einsatzorte sind unter anderem die Außenflächen des Landesamtes für Umwelt. Projektmanager Norbert Pantel ist begeistert: „Das sind coole Tiere, die sich nicht aus der Ruhe bringen lassen.“ Sie fressen Gehölz und Sträucher, die andere Weidetiere nicht wollen.

    Gut geeignet sind auch die Esel. Sie sind in den Nördlichen Lechauen im Einsatz und auf ökologischen Ausgleichsflächen beim Güterverkehrszentrum südlich der A8. Geschichtlich dürfen natürlich auch die Rinder (Ochsenbach) nicht fehlen: Ab dem 15. Jahrhundert kamen sie aus der Puszta an den Lech, um den Fleischbedarf der gewachsen Bevölkerung zu decken. Um sich vom Stress des Trecks zu erholen, wurden die Tiere auf den Weiden vor den Toren der Stadt gemästet. Im Augsburger Stadtteil Bergheim wird ab diesem Jahr „Rotes Höhenvieh“, eine der ältesten Rinderrassen, eine Naturschutzfläche beweiden.

    Angesichts des Beweidungsbooms stellt sich immer mehr die Frage der Fleischvermarktung. Der Landschaftspflegeverband sucht nach Partnern nicht nur in Augsburg, sondern in der Region: Metzger und Gastronomen, die Fleischprodukte aus der Landschaftspflege anbieten. Dabei helfen soll eine Aktionswoche um Ostern. Augsburg hat mit seinen knapp 300000 Einwohnern Potenzial für die Beweidung – 28 Prozent der Fläche sind als Natur- oder Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen. Heute sind es über 200 Hektar Weidefläche. 2020 sollen es schon 300 Hektar sein mit über 1000 Schafen, Eseln, Rindern und irgendwann vielleicht auch Wasserbüffeln. "Kommentar

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