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Interview: Augsburger Klimaforscher über Dürre & Wasserknappheit im Sommer

Dürre im Sommer

"Wir dürfen keine Wasserknappheit provozieren, weil wir Pools füllen wollen"

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    Ein Kind schwimmt in einem Pool, während ein anderes Mädchen den Rasen mit einem Wasserschlauch beregnet.
    Ein Kind schwimmt in einem Pool, während ein anderes Mädchen den Rasen mit einem Wasserschlauch beregnet. Foto: Patrick Pleul, dpa

    Herr Kunstmann, in vielen Teilen Bayerns sitzt man auf dem Trockenen. In Donauwörth sind in den letzten vier Wochen 1,5 Liter Regen gefallen, in Zusmarshausen gar keiner. Ist es ungewöhnlich, dass es so früh im Jahr schon so trocken ist?

    Harald Kunstmann: Es ist erstaunlich, dass es in großen Teilen Bayerns seit über drei Wochen keinen Tropfen geregnet hat, vereinzelt sind es sogar mehr als vier Wochen. Denn in dieser Jahreszeit bringen eigentlich lokale Gewitter immer wieder Niederschläge. Gerade in Südbayern haben wir im Sommer sonst die Zeiten mit den meisten Niederschlägen. Diese lange Phase ohne Regen ist, zusammen mit der großen Wärme, eine Belastung fürs Ökosystem. 

    Viele Äcker sind ausgetrocknet, der Regen fehlt.
    Viele Äcker sind ausgetrocknet, der Regen fehlt. Foto: Philipp von Ditfurth, dpa

    Nun war der Winter zu warm und zu trocken, das Frühjahr im Vergleich sogar etwas zu nass, jetzt wieder diese Trockenheit. Was die Niederschläge angeht, ist das ein gewisses Zickzack …

    Kunstmann: Dieser feuchte Frühling hatte zum Glück zu einer Entspannung bei den Grundwasserpegeln geführt. Aber es wird deutlich, was wir Klimaforscher schon lang betonen – die Extreme werden häufiger. Regnet es viel auf einmal, haben wir eine Katastrophe, siehe die Region Emilia-Romagna in Italien. Regnet es lange zu wenig, ist es ebenfalls hoch problematisch, siehe benachbarte Region Gardasee. Regnet es über längere Zeit aber gleichmäßig, ist das etwas ganz anderes, dann kommt auch Niederschlag im Grundwasser an. Wenn sich Extreme aneinanderreihen, kommt die Natur nicht mehr damit zurecht. Spricht man mit Forstwirten in Unterfranken, sagen die: Den trockenen Sommer 2018 hätten die Buchen noch wegstecken können, aber nicht, dass es 2019 und 2020 noch einmal so trocken war.

    Vielerorts sind die Böden staubtrocken, so wie sonst nur im August.
    Vielerorts sind die Böden staubtrocken, so wie sonst nur im August. Foto: Patrick Pleul, dpa

    Ein Dürresommer reiht sich an den nächsten. Wann hat diese Entwicklung begonnen?

    Kunstmann: 2003, der Jahrhundertsommer, war ein extremes Jahr. 2015 war noch so ein Jahr. Dann 2018, 2019, 2020 – und 2022 schon wieder. Deswegen ist ja auch die Sorge groß, dass es auch jetzt wieder so weit kommt.

    Steuern wir auf einen Dürresommer zu oder sind wir schon mittendrin?

    Kunstmann: Wir sehen seit etlichen Monaten, dass wir mit hoher Wahrscheinlichkeit einen extrem heißen Juni und einen sehr heißen August bekommen. Ob damit auch eine Trockenheit einhergeht, da sind die Vorhersagen 50:50, das bleibt also weiterhin offen. Aber allein die hohen Temperaturen bringen schon einen Stress fürs Wasser, weil dadurch mehr Feuchtigkeit verdunstet und die Böden trockener werden. Zudem benötigen die Pflanzen bei Hitze mehr Wasser. 

    Klimaforscher Harald Kunstmann von der Universität Augsburg sagt: Wenn das Wasser knapp ist, braucht es Prioritäten.
    Klimaforscher Harald Kunstmann von der Universität Augsburg sagt: Wenn das Wasser knapp ist, braucht es Prioritäten. Foto: Harald Kunstmann

    Bundesweit wächst die Sorge vor Wasserknappheit. In Berlin etwa denkt man über eine Rationierung des Trinkwassers nach. Müssen wir lernen, mit Trinkwasser sparsamer umzugehen?

    Kunstmann: Auch in Teilen Bayerns steuern wir auf solche Situationen zu. Eine Gemeinde im Kreis Neumarkt in der Oberpfalz etwa hat nun ein Bewässerungsverbot verhängt, Gießen mit Leitungswasser ist nicht mehr erlaubt, Pools dürfen nicht mehr befüllt werden.

    Ist es in Zeiten akuter Trockenheit überhaupt noch zu rechtfertigen, sich einen Pool in den Garten zu stellen? Immerhin fassen die zwischen 5000 und 30.000 Liter?

    Kunstmann: Dass wir mehr und mehr Pools haben, ist ein Zeichen dafür, dass das Abkühlungsbedürfnis der Menschen zugenommen hat (lacht). Aber man muss angesichts der zunehmenden Trockenheitsprobleme bei allem, was nicht unbedingt notwendig ist, Einschränkungen regeln bis hin zum Aussprechen von Verboten. Und da gehört der Pool selbstverständlich dazu. Es geht nicht an, dass wir eine Trinkwasserknappheit provozieren, weil wir unsere Pools füllen wollen. Nur, wenn man den Leuten zu verstehen gibt: "Bitte nur noch ein Mal die Woche duschen!" – da bin ich nicht mehr dabei. 

    Gießen verboten: Das gilt nun in Berg, in einer Gemeinde im Landkreis Neumarkt. Autos dürfen nicht mehr gewaschen, der Rasen nicht mehr gesprengt werden.
    Gießen verboten: Das gilt nun in Berg, in einer Gemeinde im Landkreis Neumarkt. Autos dürfen nicht mehr gewaschen, der Rasen nicht mehr gesprengt werden. Foto: Yui Mok/PA Wire, dpa

    Reicht es, an die Vernunft der Menschen zu appellieren oder sind die Kommunen gefragt, Regeln zu erlassen?

    Kunstmann: Wir brauchen Regeln, denn letztlich geht es ums Gemeinwohl. Wenn das Wasser knapp wird, brauchen wir Prioritäten: Trinkwasser muss Vorrang haben. Bei einem vernünftigen Gebrauch sehe ich hier in Bayern auch keine Gefahr, dass aus dem Hahn kein Wasser mehr kommt. Dafür müssen eben auch Regeln eingehalten werden. Allerdings tendiert man hierzulande gerne dazu, die Verantwortung an die Privatleute zu übertragen. Dabei wissen wir immer noch nicht, wie zuletzt Recherchen gezeigt haben, wer in Bayern wann wie viel Grundwasser entnimmt. Es gibt viele große Player – die Industrie, die Wasser zur Kühlung und zur Produktion braucht, die Lebensmittelhersteller, die Landwirtschaft. Und bevor wir den Leuten nahelegen, nur noch einmal die Woche zu duschen, sollte man schon auch hier ansetzen. 

    Was bräuchte es denn, um die Wasserentnahmen im Blick zu haben?

    Kunstmann: Man strebt mittlerweile ein Grundwasserregister an, wo die Behörden übergeordnet schnell sehen, wer wie viel Grundwasser entnimmt. Dann braucht es eine Priorisierung, wer zu welcher Zeit Vorrang hat. Der andere Punkt ist: Die meisten, die Wasser entnehmen, zahlen dafür nichts. Die Staatsregierung will zwar einen Wassercent einführen, aber erst nach der Wahl. In den meisten anderen Bundesländern gibt es eine solche Abgabe für die Wassernutzung längst. 

    Ein Maisfeld wird bewässert.
    Ein Maisfeld wird bewässert. Foto: Julian Stratenschulte, dpa (Symbolbild)

    Ist Wasser zu selbstverständlich für uns – weil es ja scheinbar immer da ist?

    Kunstmann: Tatsächlich nehmen wir es gerne als selbstverständlich an. Aber den Wert des Wassers lernen wir bei Trockenheit richtig zu schätzen. Und es verändert sich auch die Wahrnehmung. Man schimpft mittlerweile nicht mehr, wenn es regnet, sondern sagt: Es ist ja auch gut für die Natur. 

    Wie halten Sie es persönlich? Gießen Sie noch im Garten?

    Kunstmann: Ich habe ein kleines Gewächshaus und vier Hochbeete. Zuletzt habe ich ein sechstes, großes Regenwasserfass in Betrieb genommen. Das brauche ich auch, um mein Gemüse zu gießen. Denn die anderen fünf sind bereits fast leer. 

    Zur Person: Harald Kunstmann, 54, ist Professor für Regionales Klima und Hydrologie an der Universität Augsburg. Seit 2021 baut er das neue Zentrum für Klimaresilienz mit auf. Er lebt in Uffing am Staffelsee.

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