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Dreifachmord in Langweid: Gerhard B. will kein Geständnis ablegen

Dreifachmord von Langweid

Gerhard B. will offenbar kein Geständnis ablegen – trotz erdrückender Beweise

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    Gerhard B. bei der Ankunft im Gerichtssaal.
    Gerhard B. bei der Ankunft im Gerichtssaal. Foto: Marcus Merk

    Da sitzt nun also dieser Gerhard B. etwas verloren im großen Gerichtssaal, und wer ein Monster erwartet hat, wird enttäuscht. Der Rentner mit Glatze und schwarzer Brille trägt nicht nur sehr biedere Kleidung, er wirkt wie der Inbegriff der Biederkeit. Dunkelblaue Steppweste, blaues Oberteil, dunkle Jeans. Auf die ersten Fragen zu seiner Person antwortet er ganz leise mit „ja“. Wüsste man nicht, warum der 64-Jährige hier sitzt, könnte man ihn für den netten, spießigen Mann von nebenan halten. Da ist nur ein Detail, das ins Gegenteil weist. Der Angeklagte ist zunächst an Händen und Füßen gefesselt.

    Denn die Tat, die Gerhard B. begangen hat, ist monströsen Ausmaßes. Ende Juli vergangenen Jahres tötete er in einem Mehrfamilienhaus in Langweid (Landkreis Augsburg) drei seiner Nachbarn binnen Sekunden mit Kopfschüssen aus nächster N.he. So steht es in der Anklage, und es gibt keine vernünftigen Zweifel, dass B. der Mörder ist. Zu erdrückend ist die Beweislast gegen den Sportschützen. 

    Gerhard B. schweigt im Prozess um den Dreifachmord von Langweid

    Die meisten Angeklagten versuchen in einer ähnlich aussichtslosen Lage, das Gericht mit einem Geständnis irgendwie milde zu stimmen, vielleicht schon im Hinblick darauf, wie lange die zu erwartende lebenslange Gefängnisstrafe am Ende tatsächlich ausfallen wird. Doch Gerhard B. hat sich offenbar anders entschieden. 

    Sein Verteidiger Walter Rubach will stattdessen am Mittwochvormittag eine kurze Erklärung abgeben, kündigt er an. Womöglich wird sich B. darauf berufen, dass er einen kompletten Filmriss hatte und keine Erinnerung mehr an die Tat habe.

    B. hofft, dass die Bluttat von Langweid nicht als Mord gewertet wird

    Mit anderen Worten hieße das: Der Dreifachmörder legt kein Geständnis ab. Zumindest nicht direkt. Er würde stattdessen behaupten, er habe für die Zeit der mörderischen Tat eine - recht große - Gedächtnislücke. Das Ziel dieser Einlassung wäre relativ klar: B. beruft sich auf eine komplette psychische Ausnahmesituation und würde hoffen, dass sein Feldzug gegen die Nachbarn juristisch nicht als Mord bewertet wird. 

    Das dürfte allerdings ganz schwierig werden. Augsburger Polizei und Staatsanwaltschaft haben über Monate akribisch ermittelt. Die Beweislage ist eindeutig. Staatsanwalt Thomas Junggeburth wirft Gerhard B. vor, wegen jahrelanger Streitigkeiten drei Nachbarn ermordet zu haben. Laut Anklage muss der 64-Jährige fast wie ein Profikiller vorgegangen sein. Er wartete an jenem Freitagabend die Rückkehr eines benachbarten Ehepaars ab und erschoss die Eheleute nacheinander im Treppenhaus kaltblütig mit einer Beretta-Pistole. Dem 52-jährigen Kfz-Mechaniker Wolfgang H. verpasste der Rentner einen Schuss durch den Nacken in den Kopf. Der 49-jährigen Erzieherin Claudia H. schoss B. zweimal aus nächster Nähe in den Kopf. Der minderjährige Sohn des Ehepaars, der bei der Tat nicht zu Hause war, wurde zum Vollwaisen. Er lebt nun bei Verwandten.

    Der 64-jährige Mann, der im Landkreis Augsburg drei Menschen erschossen und zwei weitere schwer verletzt haben soll, soll noch am Wochenende dem Ermittlungsrichter vorgeführt werden. Dies sagte ein Sprecher der Polizei am Samstagmorgen
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    Ein Mann hat in Langweid am Freitagabend drei Menschen erschossen und zwei weitere schwer verletzt. In der Nachbarschaft herrscht Trauer und Fassungslosigkeit.

    Unmittelbar danach feuerte B. durch die Wohnungstür des Ehepaars N., mit denen der Angeklagte ebenfalls seit Jahren im Streit lag. Der Sportschütze zielte dabei genau neben den Türspion – nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft absichtlich, weil er davon ausging, dass gerade jemand durch den Spion schaut. Tatsächlich traf B. die 72-jährige Edeltraud N. durch die Tür ebenfalls in den Kopf.

    Während des Dreifachmords in Langweid lief eine Handyaufzeichnung

    Während der gesamten Tat lief eine Videoaufzeichnung am Handy von Wolfgang H. Er hatte die Aufnahme versehentlich beim Ausräumen der Einkäufe gestartet. Das ermöglicht es den Ermittlern, den Dreifachmord ungewöhnlich exakt zu rekonstruieren. Zeugenaussagen belegen, dass B. während der Tat professionelle Ohrenschützer trug. Auf der Tonaufnahme sind keine Schritte von ihm im Treppenhaus zu hören, was die Ermittler vermuten lässt, dass er geschlichen ist. Die Staatsanwaltschaft spricht von einer "Hinrichtung".

    Anschließend fuhr Gerhard B. zum Sohn des Ehepaars N., offensichtlich in der Absicht, seine Mordserie fortzusetzen. Auch dort kam es zu dramatischen Szenen. Dem 44-Jährigen gelang es gerade noch, die Wohnungstür zuzuschlagen. B. feuerte viermal hindurch. Nur durch viel Glück wurden der Mann und seine Freundin lediglich am Arm verletzt.

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    In Langweid im Landkreis Augsburg hat am Freitag ein Mann fünf Menschen niedergeschossen. Drei von ihnen starben. Die Polizei war mit einem Großaufgebot vor Ort.

    B. flüchtete zunächst mit seinem Golf Variant, ließ sich dann aber auf einem Firmenparkplatz widerstandslos festnehmen. Die Tatwaffe lag noch im Auto – nebst einem geladenen Smith & Wesson-Revolver mit Magnum-Kaliber im Handschuhfach. In seinem Waffenschrank daheim fanden die Ermittler noch eine Sportpistole und drei Gewehre. B. besaß die Waffen legal. Als Sportschütze hatte er die erforderliche Erlaubnis.

    Wie konnte ein bis dahin unbescholtener Bürger so ausrasten, dass er auf einen derart brutalen Rachefeldzug ging? Ein jahrelang schwelender Streit zwischen Gerhard B. auf der einen und den Ehepaaren H. und N auf der anderen Seite ist ein Ansatzpunkt. Es gab gegenseitige Beleidigungen, Drohungen und sogar Rangeleien. Einen Dreifachmord und zwei Mordversuche kann all dies natürlich nicht erklären.

    Gerhard B. könne jederzeit „wie ein Vulkan explodieren“, sagen Zeugen

    Und so wird die psychische Verfassung von Gerhard B. eine wichtige Rolle in dem auf 15 Verhandlungstage angesetzten Prozess spielen. Der Rentner wird von Zeugen als Pedant und Spießer beschrieben, der seinen Nachbarn im Haus Vorgaben machen wollte, zum Beispiel wann sie die Mülltonnen hinauszustellen hätten oder wie laut sie sich auf der Terrasse unterhalten dürften. Demnach zeigt B. eine gewisse „Blockwart“-Mentalität. Zudem soll der 64-Jährige äußerst impulsiv sein, er könne jederzeit "wie ein Vulkan explodieren", wenn ihm etwas nicht passt. 

    Im Strafprozess am Landgericht Augsburg wirkt B. dagegen ruhig und beherrscht. Die Anklage verfolgt er mit meist gesenktem Kopf äußerlich ungerührt. Die Hinterbliebenen der Opfer brechen vor Erschütterung teils in Tränen aus. 

    Mord in Langweid: Landgericht Augsburg hat 15 Prozesstage eingeplant

    B.s Lebenslage im Sommer 2023 ist nach Recherchen unserer Redaktion keine glückliche. Er ist schwer krank, viele Bekannte sind schon gestorben. Die Ehe mit seiner Frau befindet sich seit Jahren in einer Krise. Eine Trennung und ein Wegzug ist für den gebürtigen Wertinger aber aus finanziellen Gründen keine Option. Und dann ist da dieser ständige Streit mit den Nachbarn im Haus, bei dem er von der Ehefrau aus seiner Sicht zu wenig Rückendeckung hat. Diese totale Vereinsamung zeigt sich auch im Gefängnis. In seiner ganzen Zeit in Untersuchungshaft in der JVA Augsburg-Gablingen hat Gerhard B. keinen Besuch und erhält weder Briefe noch Telefonate.

    Dies alles zusammen genommen ergibt das Bild eines Mannes, der nicht mehr viel zu verlieren hat im Leben. Führte diese aus seiner Sicht ausweglose Situation dazu, dass bei dem Sportschützen alle Sicherungen durchbrannten und er seinen Waffenschrank öffnete?

    Anmerkung der Redaktion: Der Angeklagte legt keinen Wert darauf, auf Foto- und Videomaterial unkenntlich gemacht zu werden. Daher zeigen wir Gerhard B. in unserer Berichterstattung unverpixelt.

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