Freie Reichsstadt – das hat einen noblen Klang, der weit in die Geschichte zurückreicht. „Mein liebes werd“ soll der legendäre Stauferkaiser Friedrich II. im 13. Jahrhundert sein Donauwörth genannt haben, die Stadt, die seit 1193 den Staufer-Adler im Wappen führte, die Reichs-Münzstätte und königliche Messe war, die als Reichsstadt später von Kaiser Karl IV. mit eigener Gerichtsbarkeit privilegiert wurde.
Bis in diese große Historie des Mittelalters, nämlich ins frühe 14. Jahrhundert, reicht die Geschichte des Donauwörther Wagenknechthauses zurück. Es steht mitten in der Reichsstraße, ist 1317 aktenkundig geworden und damit eines der ältesten, wenn nicht gar das älteste Bürgerhaus in Bayern und Schwaben. Zweifellos ein Denkmal von großer Seltenheit und einzigartigem Wert, zumal noch ein beträchtlicher Teil des Dachstuhls aus der Erbauungszeit vor über 700 Jahren stammt und auch Zimmerdecken und Wände original sind.
Doch ausgerechnet dieses besondere Denkmal will man in Donauwörth abreißen. Ein Neubau soll es ersetzen; private Investoren stünden bereit, heißt es in der Stadt. Denkmal- und Heimatpfleger sowie einige Bürger können es nicht fassen, dass die Donauwörther eines der letzten Zeugnisse der großen Geschichte ihrer Stadt opfern wollen, und protestieren lauthals; ein Stadtrat hat Beschwerde bei der Regierung von Schwaben eingelegt. Die gibt sich bislang abwartend.
„Es ist uns kein vergleichbares Denkmal in dem Ensemble bekannt“, sagt der Chef des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege, Manfred Pfeil, „mit ihm muss man behutsam umgehen.“ Einen Abriss zu beschließen, bevor man geklärt habe, ob und wie das Haus instand gesetzt werden könne, „das geht einfach nicht“. Das Denkmalschutzgesetz schreibe vor, dass ein Abriss erst infrage kommt, wenn die Sanierung nicht möglich oder zumutbar ist und wenn ein Haus keine Nutzungsperspektive hat. Nach einem konstruktiv-statischen Gutachten und fachlicher Beurteilung ist die denkmalpflegerische Sanierung durchaus möglich, ebenso wie die Nutzung des sanierten Denkmals, betont der Landesdenkmalrat unter seinem Vorsitzenden Thomas Goppel.
Landesdenkmalrat rügt die Stadt Donauwörth
Das Gremium rügt die Stadt Donauwörth, sie habe im bisherigen Verfahren zu wenig auf denkmalpflegerische Belange geachtet und solle das in einem neuen, fachlich korrekten und sorgfältigen Verfahren nachholen – um der „herausgehobenen Bedeutung des Baudenkmals“ willen. Dessen baugeschichtlicher Rang und historischer Zeugniswert verlangten höchste Anstrengungen, heißt es in der Stellungnahme, die der Denkmalrat vor wenigen Tagen erneut bekräftigt hat. Auch Bezirksheimatpfleger Peter Fassl fordert die Erhaltung des Wagenknechthauses, denn in der Donauwörther Reichsstraße, die überwiegend aus neueren Gebäuden besteht, ist es eines der wenigen Originalzeugnisse historischer Baukultur.
Donauwörths Reichsstraße ist in der Tat ein städtebauliches Ensemble von Rang, eine historische Magistrale mit reich verzierten Giebelhäusern, durchaus vergleichbar der Augsburger Maximilianstraße. Wie diese ist die Reichsstraße im Zweiten Weltkrieg von Bomben nicht verschont geblieben; nach 1945 wurden die zerstörten Gebäude wieder aufgebaut, „nach sorgfältiger Vorbereitung“, wie Fassl erinnert, und mit besonderer Achtung vor den wenigen erhaltenen Gebäuden.
Wie auch andere Altstadt-Ensembles in der ganzen Republik leidet aber die Reichsstraße unter einem gewissen „Ausbluten“ an Einkaufen, Flanieren, überhaupt urbanem Leben. Schuld daran sind die Bevorzugung autogerechter Einkaufsmöglichkeiten und der Bau von Einkaufszentren auf der grünen Wiese.
Dem Veröden der Innenstadt wollen auch in Donauwörth die Kommunalpolitiker dadurch begegnen, dass sie Investoren entgegenkommen. Im Fall des Wagenknechthauses liegt die Präferenz auf Neubau mit Geschäftsräumen, modernen Wohnungen und Tiefgarage. Auch das Café Engel, ebenfalls ein Denkmal, soll in den Komplex integriert werden. Mit den geplanten historisierenden Fassaden würden die Neubauten von außen fast so aussehen wie ihre Vorgänger. So eine historische Täuschung kann die Denkmalschützer nicht trösten. „Die städtebauliche Qualität hängt wesentlich von Originalzeugnissen ab“, argumentiert Fassl. "Kommentar