In Berlin zerbricht die Regierung und in der AfD punktet eine Partei beim Wähler, die der Verfassungsschutz im Visier hat: Was läuft schief in der deutschen Politik? Darüber sprachen jetzt im Landtag vier „Legenden“ der parlamentarischen Demokratie in Bayern. In einem waren sich die langjährige bayerische FDP-Vorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, der ehemalige Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU), die frühere SPD-Chefin Renate Schmidt (SPD) und die ehemalige Grünen-Fraktionschefin Margarete Bause einig: Es braucht mehr Kompromissbereitschaft.
„Nicht nur Schwarz-Weiß, sondern auch Grautöne als Vorteil sehen“, sei wichtig, so Leutheusser-Schnarrenberger. Schließlich sei es ein Vorteil der Demokratie, zwischen unterschiedlichen Interessen auszugleichen und abzuwägen. Waigel erinnerte an die Große Koalition 1966. Damals sei es gelungen, „völlig unvereinbare Personen zu einer handlungsfähigen starken Regierung zu machen“. Dadurch sei es möglich gewesen, aus der ersten großen ökonomischen Krise zu kommen. „Wenn man will, kann man über seinen Schatten springen, und etwas Ähnliches ist wieder notwendig“, sagte Waigel.
„Mir fehlt die Härte in der Auseinandersetzung, aber auch das Wissen, ich muss mit dem anderen umgehen“, so Waigel
Im Vergleich zu früher sah Bause eine Veränderung zum Positiven. Als die Grünen mit ihr zum ersten Mal in den Landtag einzogen seien, seien sie „sehr massiv angegangen“ worden. „Frauenfeindlichkeit wurde ohne Skrupel im bayerischen Landtag artikuliert.“ Sie sehe es als gesellschaftlichen Erfolg, dass dies im demokratischen Spektrum nicht mehr möglich sei. Die Demokratie sähe allerdings besser aus, wenn häufiger zum Ausdruck kommen würde, dass es in der Politik in erster Linie um das Land und seine Menschen gehe und erst dann um die Interessen der jeweiligen Partei, so Schmidt. „Mir fehlt die Härte in der Auseinandersetzung, aber auch das Wissen, ich muss mit dem anderen umgehen“, so Waigel. Außerdem gebe es an den politischen Rändern Feinde der Demokratie. Um ihnen zu begegnen, genüge es nicht nur zu sagen, dass sie die Demokratie bedrohen würden. „Man muss sagen, was sie anstellen würden und was das für jeden Bürger in Bayern und in Deutschland bedeuten würde“, sagte er.
Leutheusser-Schnarrenberger schlug vor, sich über Parteigrenzen hinweg zusammenzutun, um in den sozialen Medien gegen Beleidigungen, Falschinformationen und Manipulation anzugehen. Schmidt und Bause stimmten ihr zu. Für die ehemalige Spitzengrüne braucht es eine aktive Zivilgesellschaft. „Das müssen wir alle machen“, sagte sie. So könne die Demokratie verteidigt und gestärkt werden.
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