Startseite
Icon Pfeil nach unten
Bayern
Icon Pfeil nach unten

Digitale Bildung: Wie die Software ChatGPT Schulen und Unis beunruhigt

Digitale Bildung

Wie die Software ChatGPT Schulen und Unis beunruhigt

    • |
    Digitale Hilfsmittel werden an Schulen längst angewandt. Die Software ChatGPT könnte den Unterricht verändern.
    Digitale Hilfsmittel werden an Schulen längst angewandt. Die Software ChatGPT könnte den Unterricht verändern. Foto: Ulrich Wagner (Symbolbild)

    Sie kann argumentieren wie ein Politiker, schreiben wie eine Literaturwissenschaftlerin und auch noch komplexe mathematische Zusammenhänge erklären: Die Software ChatGPT ist gerade weltweit in aller Munde. Es handelt sich um ein Programm, das auf Befehl eines Menschen nahezu jede Art von Texten verfassen kann. 

    Aber am besten lassen wir das Programm sich selbst vorstellen. "Wer bist du?" Stellt man diese Frage an ChatGPT, bekommt man das hier zur Antwort: "Ich bin eine Künstliche Intelligenz, auch bekannt als KI oder Sprachmodell. Ich wurde (...) trainiert, um natürliche menschliche Sprache zu verstehen und darauf zu antworten. Meine Aufgabe ist es, menschlichen Nutzern bei der Beantwortung ihrer Fragen und dem Verfassen von Texten zu helfen." Die Süddeutsche Zeitung hatte den Chatbot kürzlich sogar erfolgreich gebeten, eine Weihnachtsrede für Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zu verfassen.

    Unter manchen Lehrkräften und Hochschuldozenten löst das Potenzial der KI Besorgnis aus. Bob Blume, Lehrer an einem Gymnasium in Baden-Württemberg und bundesweit bekannt als Bildungs-Influencer, ist sich sicher: "Das wird angewendet werden" - spätestens, seit etwa der berühmte TikToker "Herr Anwalt" mit seinen sechs Millionen Followern die Software als Gratishilfe für Hausaufgaben und Hausarbeiten vorgestellt habe.

    Das weltweite Interesse an ChatGPT ist riesig

    Die Künstliche Intelligenz wurde entwickelt vom US-amerikanischen Unternehmen Open AI - und kann von jedem genutzt werden, der sich auf der Internetseite der Firma registriert. Das weltweite Interesse ist riesig, die Website ist immer wieder überlastet. 

    Einer, der die Entwicklung genau verfolgt, ist Schulleiter Tobias Schreiner aus Gmund am Tegernsee. Schreiner, Leiter der Realschule

    Dass durch immer perfekter werdende Künstliche Intelligenzen Leistungsnachweise an Schulen ad absurdum geführt werden, glaubt Schreiner nicht. Noch jedenfalls könne jede Deutschlehrkraft das Werk eines Sprachbots „problemlos“ von dem eines echten Schülers unterscheiden. Und: "Der Taschenrechner hat ja auch nicht dafür gesorgt, dass die schriftliche Division aus den Lehrplänen verschwunden ist." Wer Mathe-Lösungssoftware oder eben Sprachmodelle wie ChatGPT anwende, erwerbe selbst keine mathematischen oder sprachlichen Kompetenzen. "Die Fähigkeit, selbst Texte zu verfassen, bleibt wahnsinnig wichtig. Lehrkräfte müssen sich fit machen im Umgang mit den veränderten Möglichkeiten und Schülern beibringen, sie sinnvoll einzusetzen."

    Tobias Schreiner ließ ChatGPT testweise einen Aufsatz schreiben.
    Tobias Schreiner ließ ChatGPT testweise einen Aufsatz schreiben. Foto: Stephan Rumpf

    Der Schulleiter, der sich in einem eigenen Blog regelmäßig mit Unterricht in einer digitalisierten Welt befasst, sieht ein ganz anderes, viel größeres Problem: Dank Künstlicher Intelligenzen werde "das Internet innerhalb kürzester Zeit überschwemmt von Trillionen von Texten, die nicht überprüft sind - in einer Sprachqualität, in der sie absolut plausibel erscheinen, selbst wenn völliger Blödsinn drinsteht." 

    Forderung nach mehr Medienkompetenz an Schulen

    Für Schülerinnen und Schüler sei oft schwer zu entscheiden: Wie viel Substanz hat das? Ist das wahr? Diese Fähigkeit müsse Schule heute mehr denn je vermitteln. "An der Realschule gibt es schon lange das Fach Informationstechnologie. In Sachen Medienbildung sind wir damit gut aufgestellt. Ich halte es für sinnvoll, dass es an allen Schularten ein solches Fach gibt, in dem informatische Fähigkeiten und Medienkompetenz vermittelt werden."

    Die Grünen im Landtag fordern schon lange ein Fach, das technisches Informatikwissen genauso vermittelt wie Medienwissen für den digitalen Alltag. Würde seine Partei im Kultusministerium regieren, würde sie ein solches Fach lieber heute als morgen einführen, sagt deren schwäbischer Experte für digitale Bildung, Max Deisenhofer. "Wir brauchen an den Schulen mehr Anwendungskompetenz und weniger abrufbares Wissen." Statt der immer gleichen standardisierten Prüfungen und Aufgaben im Unterricht fordert er "eine Bewertung und Benotung, die individueller funktioniert und zeigt, ob sich ein Schüler Gedanken macht, statt den Stoff nur auswendig zu lernen - oder ihn von einer Software zusammenschreiben zu lassen." Er denkt an Formate, in denen sich Schülerinnen und Schüler ihren Stoff selbst erarbeiten, deutlich mehr Präsentationen und Projekte zum Beispiel. 

    Mit dem Zeitungsprojekt ZiSCH zu mehr Medienkompetenz

    Wie lernen Schülerinnen und Schüler, sich kritisch mit gedruckten und digitalen Informationen auseinanderzusetzen? Dabei hilft das Zeitungsprojekt ZiSCH ("Zeitung in der Schule") der Augsburger Allgemeinen und der Allgäuer Zeitung.

    Die Anmeldephase für das aktuelle Schuljahr läuft: Hier können sich Lehrkräfte anmelden. Wer das Projekt bereits kennt: Dieses Jahr gibt es etwas Neues...

    Alle Materialien, inklusive der Tageszeitung als E-Paper, gibt es ab diesem Schuljahr auf Wunsch auch komplett digital. Doch es gibt noch eine Neuigkeit.

    Jeden Donnerstagmorgen präsentieren Redakteurinnen und Redakteurin der Mainpost, einer Schwesterzeitung der Augsburger Allgemeinen, einen interaktiven Live-Stream zu Medienkunde. Folge verpasst? Kein Problem, die Webinare lassen sich in der Mediathek auch nachträglich anschauen.

    Mehr Infos zu ZiSCH gibt es hier.

    Seminararbeiten an bayerischen Hochschulen sind nicht so leicht zu ersetzen. Sie sind fester Bestandteil der Prüfungsordnung. Noch sind dem bayerischen Wissenschaftsministerium keine betrügerischen Texte mittels KI bekannt - doch es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis die ersten Fälschungen auftreten. "Das Prüfungswesen und die Einhaltung wissenschaftlicher Standards ist Zuständigkeit der Hochschulen", heißt es lapidar aus dem Haus von Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU), wenn man danach fragt, ob ChatGPT auf dem Schirm sei. 

    An der Uni Augsburg wird die Entwicklung "laufend beobachtet", erklärt Pressesprecherin Manuela Rutsatz. Sie setzt aber darauf, dass wissenschaftliche Standards es der KI schwer machen würden, Dozenten und Professorinnen zu überlisten. "Ob Künstliche Intelligenz oder die Intelligenz von anderen Menschen, beim Schreiben von Haus- und Seminararbeiten sind grundsätzlich Vertrauen und eine sehr spezifische Arbeitsaufgabe eine wichtige Grundlage für die Bewertung." Das Schreiben von akademischen Texten impliziere auch den Umgang mit bestimmten vorgegebenen Texten, mit wissenschaftlichen Methoden und Quellenangaben. Alles mögliche Hürden für ChatGPT. Noch jedenfalls.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden