Bundespräsident Steinmeier will, dass junge Menschen sich ein Jahr für den Staat engagieren. Bei der Bundeswehr, in Pflegeheimen oder beim Rettungsdienst. Wir haben mit Menschen aus der Region gesprochen, die unterschiedliche Erfahrungen in solchen Diensten gesammelt haben: ein Mann, der den Wehrdienst geleistet hat. Eine Frau, die nach der Schule direkt studieren ging. Eine andere, die einen Freiwilligendienst geleistet hat. Und ein Abiturient.
Monika Biber, 20 Jahre, Landkreis Augsburg, hat einen Freiwilligendienst geleistet:
Ich habe 2020 Abitur gemacht und danach einen Bundesfreiwilligendienst geleistet. Oder kurz: Bufdi. Das war beim Rettungsdienst, Kreisverband Augsburg Land. Heute arbeite ich dort hauptamtlich als Sanitäterin. Das mache ich neben dem Studium – noch studiere ich Zahnmedizin, ab Oktober Humanmedizin.
Für den Bundesfreiwilligendienst habe ich mich entschieden, weil mir klar war, dass ich Medizin studieren will. Einerseits erleichtert es der Dienst, einen Studienplatz zu bekommen, weil ich den Bufdi als Wartezeit anrechnen lassen kann. Andererseits bietet er die Möglichkeit, in medizinische Berufe reinzuschnuppern: Bin ich überhaupt für den Job geeignet? Mir hat das sehr geholfen. Außerdem habe ich dort gelernt, was es bedeutet, selbstständig zu arbeiten. In meiner Entwicklung hat mich das vorangebracht.
Was aber schwierig war in dieser Zeit: Der Verdienst ist niedrig. 420 Euro im Monat, das ist weit unter Mindestlohn. Wenn man bedenkt, dass man in der Gastro das Dreifache verdienen würde oder sogar noch mehr. Da kann ich verstehen, warum viele junge Menschen das nicht machen wollen.
Trotzdem halte ich von einer Dienstpflicht wenig. Sie schränkt die Freiheit von jungen Menschen enorm ein. Nicht jeder ist für den Zivildienst geeignet und nicht jede für die Bundeswehr. Außerdem müsste man auch diesen Dienst entsprechend bezahlen. Das wäre teuer für den Bund. Und ich halte wenig von dem Argument, man würde damit den Fachkräftemangel ausgleichen. Was der soziale Bereich braucht, ist Professionalisierung, mehr qualifizierte Arbeitskräfte. Eine Dienstpflicht führt eher zu einer Deprofessionalisierung: Junge Menschen, die noch zu wenig von dem Beruf verstehen und im Zweifel wenig Lust darauf haben, kämen zuhauf in die Sozialstationen. Das hätte eher einen negativen Effekt auf die Patientinnen und Patienten, denke ich.
Christian Baumeister, 56 Jahre, Landkreis Donau-Ries, hat einen Wehrdienst geleistet:
Als ich zum Wehrdienst eingezogen wurde, kam ich ins Verbrecherquartal. Das nannte man damals so. Denn viele der Rekruten kamen aus schwierigen Verhältnissen. Sie hatten keinen Schulabschluss und waren tätowiert. Das klingt heute spießig. Aber 1987 waren Tattoos etwas Anrüchiges.
Und dazwischen war ich – der Kleinstadt-Abiturient. Wir teilten uns zu sechst eine Stube. Die Rekruten erzählten aus ihrem Leben. Und ich hörte zu.Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich meine Komfortzone verlassen musste.
Begonnen habe ich den Wehrdienst am Bodensee. Dort fand die Grundausbildung statt. Danach war ich drei Monate in Donauwörth – die Stadt, in der ich aufgewachsen bin. Später Pfullendorf und Idar-Oberstein. Ich kam viel rum, und das fand ich toll. Ich habe Menschen getroffen aus Hamburg, aus Detmold, aus dem Saarland. Dabei habe ich relativ gut verdient. Und kaum etwas ausgegeben. Das Geld hat mich später durchs Studium getragen. Insgesamt war ich zwei Jahre beim Bund. Ein halbes Jahr länger, als eigentlich verlangt war.
Eine Dienstpflicht wäre auch heute noch eine gute Idee, finde ich. Die Politik schafft es nur leider nicht, das attraktiv zu verkaufen. Man könnte den Dienst beispielsweise europaweit anbieten. Sodass ich das Jahr auch in Spanien verrichten kann oder in Dänemark. Und es muss entsprechend entlohnt werden. Man könnte beispielsweise sagen: Wenn ihr den Zivildienst macht, dann bezahlen wir den Führerschein. Das ergibt ja auch Sinn. Wenn die jungen Menschen beispielsweise Essen auf Rädern ausfahren müssen.
Die Zeit beim Bund prägt mich noch heute. Rückblickend würde ich sagen, sie hat mich toleranter gemacht. Offener gegenüber Menschen, die eine andere Biografie haben als ich, die weniger behütet aufgewachsen sind. Und diese Erfahrung wünsche ich auch jungen Menschen heute. Bei Uniabsolventinnen und -absolventen, die ich im Job treffe, denke ich mir häufig: Euch fehlt doch etwas. Die haben das Gymnasium in acht Jahren absolviert, die Uni in Regelstudienzeit. Aber das, was man in einem Jahr Zivil- oder Wehrdienst mit auf den Weg bekommt, das lernt man in keinem Hörsaal: soziale Kompetenz.
Isabell Vaisman, 21 Jahre, Stadt Augsburg, hat nach dem Abitur ein Studium begonnen:
Ich habe nach meinem Abitur 2018 direkt angefangen zu studieren. Zunächst drei Semester Politikwissenschaften und Soziologie, dann Rechts- und Wirtschaftswissenschaften in Augsburg. Bei uns war es an der Schule so, dass man fast schon in Richtung eines Studiums gedrängt wurde. So nach dem Motto: Ihr habt Abi, ihr müsst studieren. Das habe ich dann auch gemacht. Mit 17 fehlt da, glaube ich, auch noch die Selbstständigkeit, sich in andere Richtungen zu orientieren. Ich finde das echt schade. Denn es gibt eben nicht nur den Weg des Studiums. Grundsätzlich bin ich aber zufrieden mit meiner Entscheidung.
Eine Dienstpflicht halte ich für eine gute Idee. Ich glaube, mir hätte das damals gutgetan. Wobei man sagen muss: Ich habe immer schon viel gearbeitet. Mit 16 habe ich angefangen, in einer Bäckerei zu jobben. Da hat man schnell gelernt, was körperliche Arbeit bedeutet. Man glaubt das manchmal gar nicht, wie viel die Verkäuferinnen und Verkäuferstemmen müssen. Ich habe dort auch viel über Verantwortung gelernt. Ich finde es deshalb wichtig, dass junge Menschen früh anfangen, sich einen Job zu suchen – auch wenn es nur am Wochenende ist. Eine Dienstpflicht wäre da sicherlich ein guter Ansatz.
Gerade in der Pflege finde ich das sinnvoll. Es geht da ja nicht nur darum, dass dort viele junge Arbeitskräfte kommen würden. Sondern vielleicht merkt der ein oder andere: Hey, das macht mir Spaß. Und beginnt dann eine Ausbildung. Ich glaube schon, dass das helfen würde, Pflegeberufe attraktiver zu machen.
Alexander Lowe (Name geändert), 18 Jahre, hat gerade Abitur gemacht:
Eine Dienstpflicht einführen? Da bin ich zwiegespalten. Klar, man würde damit dem Arbeitskräftemangel in der Pflege ein Stück weit entgegenwirken. Die Zivildienstleistenden könnten einfache Arbeiten übernehmen. Aber ich frage mich, ob das wirklich zielführend ist. Denn die Leute machen das ja nicht aus eigener Motivation. Und arbeiten wahrscheinlich entsprechend unengagiert.
Viel wichtiger fände ich es, die Freiwilligendienste attraktiver zu gestalten. Das fängt beim Verdienst an. Man bekommt etwa 420 Euro Taschengeld. Das ist viel zu wenig. Wenn man den Dienst in der eigenen Stadt macht, dann geht das vielleicht noch. Ist die Arbeitsstelle aber weiter weg, dann muss man sich ein Auto kaufen, für Sprit bezahlen, und als Fahranfänger kommen die besonders hohen Versicherungskosten dazu. Da reichen 420 Euro im Monat kaum aus. Womöglich zahlt man sogar drauf.
Das Gehalt müsste definitiv höher sein. Und: Man sollte diese Dienste stärker bewerben. Bei uns an der Schule gab es zum Beispiel keine Infoveranstaltungen zum FSJ oder zum Bundesfreiwilligendienst. Klar, man konnte sich privat informieren. Aber eben nur auf eigene Initiative. So erreicht man nur die Leute, die das ohnehin machen wollen. Die Bundeswehr dagegen hatte einen ganzen Informationstag an der Schule. So was hätte es für den Bundesfreiwilligendienst auch gebraucht.
Ich habe mich trotzdem für einen solchen Dienst entschieden. Ich habe dieses Jahr Abitur gemacht, und im September beginne ich den Bufdi beim Roten Kreuz. Ich war zuvor schon aktiv beim Jugendrotkreuz. Mir macht das Spaß. Außerdem hilft es mir für mein späteres Studium. Ich möchte Medizin studieren, habe aber kein 1,0-Abi. Der Bundesfreiwilligendienst erhöht die Wahrscheinlichkeit, genommen zu werden. Solche Anreize sind wichtig, um den Dienst attraktiver zu gestalten. Wobei ich persönlich den Dienst auch geleistet hätte, wenn er mir nichts für das Studium gebracht hätte.